Korruption Freiwillige Selbstkontrolle der Pharmaindustrie wirkungslos

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Das Logo von Novartis am Quelle: AP

Derweil ist Geschäftsführer Grusa viel unterwegs. Er lässt sich beim Jubiläum des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Köln blicken, dann steht ein Vortrag vor Rotariern im bayrischen Bad Bayersoien auf dem Programm. Bloß bei seinen Mitgliedern, denen er doch auf die Finger gucken soll, ist Grusa selten anzutreffen. „Ich war inzwischen bei jedem Mitgliedsunternehmen zu intensiven Kodex-Schulungen und zu Gesprächen mit den verantwortlichen Managern. Nun läuft der regelmäßige Kontakt weitgehend über das Telefon.“ Grusa gibt sich optimistisch: „Die grundlegenden Regelungen sind mittlerweile verinnerlicht.“

Der FSA-Kodex regelt, wie viel sich Pharmaunternehmen die Bewirtung von Medizinern kosten lassen dürfen (maximal 60 Euro pro Arzt), welche Flugtickets sie buchen dürfen, um Ärzte zu Kongressen einzufliegen (innerhalb Europas nur Economy), welchen Wert ein Geschenk nicht überschreiten darf (fünf Euro) und dass Fortbildungsveranstaltungen in Luxushotels mit hohem Freizeitwert nicht statthaft sind. Die Hotels sind allerdings findig: Interconti, Esplanade, Hilton und das Swissôtel in Berlin gaben bereits ihre Fünf-Sterne-Klassifizierung zurück.

Jeder darf Verstöße gegen den Kodex beim FSA anzeigen. „Die Unternehmen kontrollieren sich auch untereinander und beanstanden unethisches Verhalten anderer Mitglieder“, sagt Grusa. Oft kämen die Hinweise auch von Ärzten. Die Pharmaindustrie, so Grusa, sei die einzige Branche, die einen sanktionsbewehrten Kodex aufgestellt habe.

2009 erreichten den FSA insgesamt 30 Beanstandungen; 2005 waren es noch 56.

Erst zwei Unternehmen namentlich angeprangert

In der Regel enden die Verfahren damit, dass der FSA die Unternehmen abmahnt oder zu Unterlassungserklärungen verpflichtet. In vielen Fällen entscheidet am Ende eine Schiedsstelle, der vier Pharmamanager, fünf Mediziner und drei Patientenvertreter angehören.

Nur zweimal in sechs Jahren mussten Unternehmen Geldstrafen zahlen – Novartis (50.000 Euro) und Novo Nordisk (20.000 Euro). Viel zu wenig, findet Mediziner Ludwig: „In den USA werden Pharmakonzerne, die sich unethisch verhalten haben, von den Gerichten zu Millionenstrafen verurteilt.“

Die beiden Fälle waren bisher auch die einzigen, die der FSA namentlich anprangerte. Für Grusa ist das die höchste Form der Sanktion: „Ein solcher Imageschaden trifft die Unternehmen viel härter als eine Geldstrafe.“

Doch von wegen Selbstkontrolle: Kein Mediziner und auch kein Pharmakonkurrent zeigte Novartis beim FSA an, nachdem das Unternehmen Mediziner zu einem Spreewald-Wochenende eingeladen hatte. Grusa wurde erst aktiv, nachdem das Magazin „Stern“ über die Ärzte-Sause berichtet hatte.

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