Korruption Freiwillige Selbstkontrolle der Pharmaindustrie wirkungslos

Es geht um Geld und Geschenke für Ärzte: Die freiwillige Selbstkontrolle der Pharmaindustrie gegen Korruption entpuppt sich weitgehend als Luftnummer.

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Michael Grusa Quelle: Peter Stumpf für WirtschaftsWoche

Michael Grusa erzählt erst mal einen Witz: Treffen sich zwei Ärzte. Fragt der eine: „Wo machst du dieses Jahr Urlaub?“ – Sagt der andere: „Weiß noch nicht, ich hab noch nicht mit meinem Pharmareferenten gesprochen.“

Nicht zum Brüllen komisch, aber die zwei Dutzend Studenten der Juristischen Fakultät an der Universität Göttingen schmunzeln. Grusa hat jetzt ihre Aufmerksamkeit für seinen Vortrag über Korruption in der Gesundheitsbranche. „Früher ist das häufig tatsächlich so gelaufen“, sagt er, „aber heute kommt es kaum noch vor, dass Pharmareferenten Ärzte mit Geschenken und schönen Reisen korrumpieren, um den Absatz ihrer Pillen zu fördern.“

Und das habe viel mit seiner Arbeit zu tun. Der 58-Jährige führt den Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA), der seine Mitglieder – nahezu alle Pharmakonzerne – auf die Einhaltung ethischer Spielregeln verpflichtet. Geld und Geschenke für Mediziner etwa oder Fortbildungsveranstaltungen auf Mallorca oder in der Karibik sind den Mitgliedern bei Strafe untersagt.

Klingt gut, doch tatsächlich hat der Pharmaverein seit seiner Gründung vor sechs Jahren im Kampf gegen die Korruption wenig bewirkt. „Nicht geeignet, Fehlverhalten zu beseitigen“, rügen Kritiker. Der Verein schaut seinen Unternehmen nicht aktiv auf die Finger, die Strafen sind lächerlich niedrig, und fast nie benennt der FSA bei Verstößen gegen den Anti-Korruptions-Kodex die Übeltäter.

Die fehlende Konsequenz macht die angebliche Selbstkontrolle zur Luftnummer: Der FSA tut seinen Mitgliedsfirmen allenfalls ein bisschen weh. Grusa wirkt wie ein gütiger Hausarzt, der lieber Zuckerpillen als bittere Medizin verabreicht.

In jüngster Zeit fielen etwa die FSA-Mitglieder Novo Nordisk und Novartis auf: Novo Nordisk versuchte Ärzte mit überteuerten Beraterverträgen zu ködern. Novartis lud zu einem Spreewald-Wochenende ein. Schließlich sind die Mediziner die Herren über die Rezeptblöcke.

Vorträge gegen Bares

Um sie für ihre Pillen zu gewinnen, nehmen es manche Unternehmen zudem mit der Wahrheit nicht genau und biegen sich etwa Arzneimittelstudien zurecht. Die Trickserei hat System. „Üblich ist, dass Pharmaunternehmen wichtige Mediziner anwerben, die dann auf Ärztekongressen gegen Bares wohlwollende Vorträge halten“, sagt Uwe Dolata, Korruptionsexperte beim Landesverband Bayern im Bund Deutscher Kriminalbeamter.

„An diesen Praktiken hat der FSA nichts geändert“, sagt Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der einflussreichen Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, die Mediziner über rationale Therapien und Arzneimittelsicherheit informiert. Sein Fazit: „Der FSA ist nicht geeignet, Fehlverhalten zu beseitigen.“

„Viel verbessert hat sich durch den FSA nicht“, urteilt auch Anke Martiny, Gesundheitsexpertin bei der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International.

Eigene Ermittlungen darf der FSA nicht einleiten. Stattdessen bittet Grusa die betroffenen Unternehmen um Stellungnahmen. Solche Untersuchungen können sich monatelang hinziehen. Strafzahlungen fallen – wenn überhaupt – gnädig aus. 50.000 Euro sind für die Multi-Milliarden-Konzerne Kleingeld.

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