Kündigungen innerhalb von drei Wochen anfechtbar Recht 2004: Eine Flut von Änderungen

Kündigungsschutz, Zeitarbeit, Produkthaftung: Deutschlands Unternehmen müssen sich 2004 auf zahlreiche neue Regelungen einstellen. 

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Wenn Juristen zu Jahresbeginn ihre Rechtssammlungen vervollständigen, hat das zwar Ritualcharakter, Freude kommt dabei aber selten auf. Wer nicht gleich eine neue Rechtssammlung kaufen mag, verbringt Stunden damit, den Stapel von Rechtsänderungen abzuheften. Auch 2004 gilt es wieder eine Flut von Rechtsänderungen abzuarbeiten. Allein im Steuerrecht kommen acht neue Gesetze und rund 200 Änderungen bestehender Rechtsnormen auf Unternehmen zu. Rund 100 davon sind so wichtig, dass Unternehmen sich „sofort damit beschäftigen sollten, wenn sie nicht Geld an den Fiskus verschenken wollen“, sagt Jörg Siegels, Steuerrechtsexperte der Kanzlei Lovells. Immerhin: Nicht alle Änderungen sind von Nachteil. Manches, was Unternehmen am Wachstum hinderte, wurde aus dem Weg geräumt. Der nachfolgende Überblick zeigt die wichtigsten Änderungen: Arbeitsrecht Der Kündigungsschutz wird flexibler. Vom 1. Januar 2004 an können Unternehmen ihre Leistungsträger bei betriebsbedingten Kündigungen leichter aus der Sozialauswahl herausnehmen und im Betrieb behalten. Außerdem kann der Arbeitgeber bei einem Interessensausgleich mit dem Betriebsrat eine Namensliste von Mitarbeitern vereinbaren, denen gekündigt werden soll. Die Kündigungen sind vor Gericht schwerer anfechtbar als bisher. Restrukturierungen sind deshalb für die Unternehmen mit geringeren Risiken als bisher verbunden. Kleinbetriebe mit bis zu fünf unbefristet beschäftigten Mitarbeitern können wachsen, ohne ihr Fixkostenrisiko zu erhöhen. Die Betriebe können künftig bis zu fünf weitere Mitarbeiter befristet einstellen, ohne den so genannten Schwellenwert im Kündigungsschutzgesetz zu überschreiten. Danach kann ein Arbeitnehmer ab einer Betriebsgröße von sechs Mitarbeitern nur noch gekündigt werden, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Die Frist für die Anfechtung einer Kündigung wird auf drei Wochen beschränkt – unabhängig davon, ob die Kündigung formal korrekt ist. Bislang begann die Frist nicht, wenn die Kündigung einen Formfehler hatte. Das galt etwa, wenn der Betriebsrat nicht angehört wurde. Die Folge: Noch Monate nach der Kündigung konnte ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben. Wer Ältere rauswirft, muss tief in die Tasche greifen Neu ist auch das Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen Abfindung und einer Kündigungsschutzklage. An der Praxis wird sich nach Erwartung der Experten hierdurch aber nicht viel ändern. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden sich nach wie vor an einen Tisch setzen und über eine Abfindung verhandeln“, sagt Thomas Ubber, Arbeitsrechtsspezialist bei Lovells. Die Entlassung älterer Arbeitnehmer wird teurer. Unternehmen sollen künftig früher zur Kasse gebeten werden, wenn sie ältere Arbeitnehmer entlassen. So soll die Erstattungspflicht bereits eintreten, wenn die Entlassung nach Vollendung des 55. Lebensjahres erfolgt (bisher 56. Lebensjahr). In diesen Fällen soll der Arbeitgeber das Arbeitslosengeld ab dem 57. Lebensjahr des Betroffenen erstatten (bisher 58). Ferner soll die zuständige Behörde den Erstattungszeitraum auf bis zu 32 Monate (bisher 24 Monate) festlegen können. Die bisherigen Eingliederungszuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit sollen zu Transfermaßnahmen zusammengefasst werden. Die Neuregelungen führen unter anderem dazu, dass sich Arbeitgeber künftig maßgeblich an den Kosten für die Eingliederung von entlassenen Arbeitnehmern beteiligen müssen. Für alle Unternehmen, die im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen Interessenausgleiche oder Sozialpläne abschließen, können diese Neuregelungen bereits bei der Verhandlung mit dem zuständigen Betriebsrat eine wichtige Rolle spielen. Die Berechnungsgrundlagen für Altersteilzeitmodelle werden vereinfacht. Künftig soll bei Beginn eines Altersteilzeitmodells ein pauschaliertes Bemessungsentgelt festgelegt werden, das grundsätzlich während der gesamten Förderperiode für die Ermittlung des Aufstockungsbetrages maßgeblich bleibt. Zusätzlich soll der Arbeitgeber jedoch verpflichtet werden, die Wertguthaben gegen Insolvenz zu sichern. Die Neuregelungen legen nicht abschließend fest, was unter einer geeigneten Insolvenzsicherung zu verstehen ist. Sie zählen lediglich Gestaltungsmodelle auf, die nicht geeignet sind. An dieser Stelle ist also Gestaltungsfantasie der Arbeitgeber gefragt.

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