Kundenbetreuer Beratung mit Hand und Fuß

Robert Davis arbeitet in der Dresdner-Bank-Dependance in Düsseldorf. Der 48-jährige Engländer ist der erste Bankberater für Hörgeschädigte und Gehörlose – deutschlandweit. Davis betreut 500 Kunden. Sein ehrgeiziges Ziel ist es, eine größere Akzeptanz von Hörgeschädigten und Gehörlosen in der Gesellschaft zu schaffen.

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Durchwachsene Zahlen kommen von der Dresdner Bank, hier die Frankfurter Zentrale, die sich im Nachba

DÜSSELDORF. Auf den ersten Blick weist der Arbeitsplatz von Robert Davis in der Dresdner-Bank-Dependance in Düsseldorf keine Besonderheiten auf. Auf seinem Schreibtisch in der Filiale in der Königsallee steht ein blaues Allianz-Sparschwein, ein Computer; links davon liegen einige Prospekte. Davis selbst fällt unter den zahlreichen Beratern in der großen Kassenhalle auch nicht weiter auf. Dunkelgrauer Anzug mit Weste, weißes Hemd und gestreifte Krawatte. Nur aus dem Schild mit dem durchgestrichenen Ohr hinter Davis’ Stuhl kann der Besucher schließen, was den 48-jährigen Engländer auszeichnet: Davis ist Bankberater für Gehörlose und Hörgeschädigte, und zwar der erste in Deutschland. Bis vor zwei Jahren arbeitete Davis noch als Terminhändler. Am Telefon handelte er mit „meinen Futures und Optionen“. Er schaut dabei leicht verträumt, wenn er sich an die alten Zeiten erinnert, kehrt aber schnell wieder zurück in die Gegenwart. Zurückblicken bringt nichts. Vor zwei Jahren musste Davis sich eingestehen, dass es nicht mehr geht. Das rechte Ohr war infolge einer Krankheit bereits einige Jahre zuvor fast komplett ertaubt, das Hörvermögen auf dem linken ließ immer stärker nach. Jeden Abend ging er mit der Angst nach Hause, die Orders nicht richtig ausgeführt zu haben, weil er irgendetwas nicht verstanden haben könnte. „Gott sei Dank ist nie etwas passiert“, freut sich Davis im Nachhinein. Es kostete ihn allerdings einiges an Überwindung, seine Vorgesetzten über seine Behinderung zu informieren. „Ich hatte einfach Angst, meinen Job zu verlieren“, sagt Davis. Es war dann schließlich seine eigene Idee, als Banker weiterzuarbeiten. „Die erste Reaktion war Erstaunen, denn Herr Davis hatte sein Handicap bis zur Reha gut überspielen können. Dann haben wir gemeinsam an der Umsetzung der Idee einer Bankberatung für Gehörlose gearbeitet“, sagt Uwe Busch aus der Geschäftsleitung der Dresdner Bank Düsseldorf. In Gebärdensprache berät Robert Davis seitdem Gehörlose aus allen Altersgruppen bei ihren Vermögensangelegenheiten. Manchmal ist es nicht einfach, Begriffe aus der Finanz- und Bankenwelt in Gebärden zu übersetzen. Die naturgemäß sehr bildhafte Gebärdensprache weist dabei aber oft eine gewisse Komik auf und ist selten politisch korrekt. Wenn Davis mit seinen Kunden über Altersvorsorgeprodukte spricht, zieht er beide Backen mit den Fingern nach unten und führt anschließend seine Zeigefinger vor der Brust zusammen. Letzteres steht für Vorsorge, die Hängebacken für die nicht mehr ganz so straffen Gesichter älterer Menschen. Spricht Davis von Zinsen, reibt er mit dem einem Daumen über den anderen als zähle er gerade Geld (s. „Hilfreiche Fingerzeige“)

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Die unfreiwillige Komik der Gebärdensprache.

Neue Begriffe wie „Riesterrente“, „Abgeltungsteuer“ oder „Allianz Global Investors“, die Investmentsparte der Konzernmutter, muss Davis seinen Kunden dagegen zunächst buchstabieren. Im Laufe des Gesprächs einigt man sich dann auf ein Zeichen. Für die Riesterrente hat sich inzwischen ein mit Daumen und Zeigefinger angedeuteter spärlicher Haarkranz eingebürgert – wegen der nicht gerade üppigen Haarpracht des ehemaligen Bundesarbeitsministers Walter Riester. Dass auch Gehörlose dem Staat nicht zutrauen, vernünftig mit Geld umzugehen, zeigt die Gebärde fürs Finanzamt. Der Daumen wird zwischen Zeige- und Mittelfinger hin und hergerieben, eine auch in der hörenden Welt bekannte Geste für Geld, danach schlägt man die geballte Faust in die andere Handfläche. „Ich glaube, ich bin sogar ein besserer Berater als früher“, sagt Davis, weil er inzwischen nichts mehr für selbstverständlich nehme. Bei der Beratung von Gehörlosen achtet er vor allem darauf, optische Reize zu setzen. Daher benutzt Davis auch keine Visitenkarten, sondern lieber ein Flugblatt mit einem großen Foto von ihm. Wenn er seinem Gegenüber zeigen will, wie hoch dessen Zinserträge sind, rechnet er ihm alles auf dem Monitor seines Rechners vor. Andreas Unruh ist einer von Davis’ Kunden. Er arbeitet als Masseur in einer Massagepraxis. Er möchte heute ein Zweitkonto eröffnen, weil er als selbständige Nebentätigkeit Massagen für die Mitarbeiter der Dresdner Bank in Düsseldorf anbieten möchte. Bis zu 25 000 Euro dürfe er damit verdienen, erklärt ihm Davis. Gemeinsam werden Sie das Angebot demnächst der Geschäftsführung und dem Betriebsrat vorstellen. Der gehörlose Unruh schätzt es sehr, mit seinem Bankberater direkt, ohne Gebärdendolmetscher, über seine persönlichen Finanzen sprechen zu können: „Robert ist sehr geduldig und erklärt alles ausführlich.“ Für seine Kunden sei der direkte Kontakt eine ganz neue Erfahrung, sagt Davis: „Ich finde das extrem wichtig, weil Geldangelegenheiten schließlich Vertrauenssache sind.“ Gerade junge Menschen, wie Unruh, die noch nicht so lange berufstätig seien, bräuchten eine umfassende Beratung. Das sei nicht anders als bei Hörenden. Der Bedarf für ein solches Angebot ist da. In Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes mehr als 14 Mill. Hörgeschädigte. Etwa 140 000 davon sind auf die Gebärdensprache angewiesen.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Die Akzeptanz von Hörgeschädigten und Gehörlosen erhöhen.

Inzwischen wird Deutschlands erster gehörloser Bankberater auch vermehrt von anderen Filialen angefordert. Davis betreut etwa 500 Kunden mit einem sechsstelligen Anlagevolumen. Das ist nicht viel, hängt aber damit zusammen, dass Gehörlose in der Regel keine Großverdiener sind. Daneben hält Davis Vorträge, besucht Schulen und versucht gerade jüngeren Gehörlosen, den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Auch die Kollegen haben bei der Zusammenarbeit mit ihm inzwischen dazugelernt. „Robert Davis hat unser Bewusstsein im Umgang mit Gehörlosen geschärft, deren Behinderung man ja nicht gleich sieht“, sagt Manager Busch. Davis möchte sowohl beruflich als auch privat die Akzeptanz für Hörgeschädigte und Gehörlose in der Gesellschaft erhöhen. Oft gelingt ihm das bereits, aber nicht immer. Kürzlich erzählte ihm eine seiner Kundinnen, sie wolle eine Stadtrundfahrt für Gehörlose anbieten. Dabei reckte sie mehrfach ihren Unterarm mit ausgestrecktem Mittelfinger in die Höhe. Eine ältere Dame reagierte beleidigt und beschwerte sich lautstark. Dabei hatte die angehende Stadtführerin nur in Gebärdensprache geschildert, dass ihre Tour auch den Fernsehturm beinhalten solle. Hilfreiche Fingerzeige Die Gebärdensprache, die in Deutschland von über 200 000 Menschen gesprochen wird, ist seit fünf Jahren als vollwertige Sprache anerkannt. Auch für zahlreiche Begriffe aus der Finanzwelt haben sich inzwischen feste Gebärden eingebürgert. Neue, dem Gegenüber noch unbekannte Worte, werden zunächst mitHilfe des Fingeralphabets buchstabiert. Dann einigt man sich auf eine Gebärde. Aktie Für den Begriff „Aktie“ legt man die flach ausgestreckte rechte Hand in die Kerbe zwischen Daumen und Zeigefinger der linken. Spricht man dagegen über die Börse im Allgemeinen, zeichnet der Gebärdende eine Linie, die hoch und runter geht wie ein schwankender Index. Vorsorge Dabei werden beide Zeigefinger vor dem Körper zusammengeführt, ähnlich wie beim sogenannten Idiotentest für Autofahrer. Rente Das Zeichen für Rente besteht aus zwei mit Zeige- und Mittelfinger angedeuteten überkreuzten Scheren, wohl um zu signalisieren, dass man einen Teil seines Einkommens zur Altersvorsorge abknapsen muss. Zinsen Ähnlich anschaulich ist auch die Gebärde für Zinsen. Dabei wird der eine Daumen über den anderen gerieben, als zähle man seinem Gesprächspartner Geld vor. Die gekreuzten Daumen erinnern an das Zinszeichen.

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