Lebensmittel Die süßen Wunder aus Halle

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Die Backwarenfirma

Halb zerfallene Häuserzüge und tiefe Schlaglöcher begleiten den Weg in die Berliner Straße 216. Im krassen Gegensatz zur tristen Umgebung erstrahlt der Kathi-Firmensitz in neuem Glanz, den Unternehmensfarben Rot und Weiß. Hochmodern sind die Mischtröge, Rühranlagen und Verpackungsmaschinen, auf denen 90 Mitarbeiter Dutzende von Backmischungen herstellen, von der regionalbewussten Händel-Torte über die Klassiker Erdbeer- und Nusskuchen bis hin zu Pizzateig, Muffins und Bio-Zitronenkuchen.

Kathi, 1951 von Käthe und Kurt Thiele gegründet, wurde 1972 enteignet und nach der Wende von Rainer Thiele, dem Sohn der Firmengründer, langwierig und kräftezehrend zurückerkämpft. Am Jahresende übergibt der Vorzeigeunternehmer und Bundesverdienstkreuzträger Kathi an seinen Sohn Marco.

Was bei Kathi die Familienbande, ist bei Halloren das westdeutsche Kapital. Das von Friedrich August Miethe 1804 als Kakao- und Schokoladenfabrik in Halle gegründete Unternehmen wurde 1934 von den Nazis und 1950 von der DDR-Staatsführung enteignet. Nach der Wende drohte dem ehemaligen Volkseigenen Betrieb, kurz: VEB, das Aus. Die westdeutsche Konkurrenz schien übermächtig, die Suche nach einem Käufer aussichtslos. Doch dann kaufte 1992 der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und ehemalige Aufsichtsratschef des Großkinobetreibers Cinemaxx, Paul Morzynski aus Hannover, der damaligen Treuhand, die alle DDR-Betriebe verwaltete, Halloren für umgerechnet gut 200.000 Euro ab.

Der eigentliche Aufstieg des Unternehmens beginnt 1997, als Klaus Lellé als geschäftsführender Gesellschafter einsteigt. Der gelernte Bankfachwirt, der bei der Commerzbank mittelständische Kunden betreute, ist zunächst schockiert. Die Firma ist nur auf ein Produkt – Halloren-Kugeln – und auf einen Absatzmarkt – Ostdeutschland – ausgerichtet, Produktionsanlagen und Arbeitsabläufe sind veraltet.

Kathi ist bundesweit Nummer drei

Lellé erkennt, dass Halloren in dieser Verfassung nicht überleben kann. Also erweitert er das Sortiment, investiert in ein neues Logistikzentrum, moderne Produktionsanlagen und kauft die westdeutschen Chocolaterie-Firmen Weibler im niedersächsischen Cremlingen und Dreher im bayrischen Bad Reichenhall. Dann expandiert er auch im Vertrieb nach Westen. Während im Osten seit jeher fast jedes Einzelhandelsgeschäft Süßes aus Halle führt, waren es im Westen lange Zeit weniger als 10 Prozent. Das hat sich grundlegend geändert. 2006 und 2007 verdoppelte Lellé jeweils die Präsenz der Ostleckereien in den Regalen. Weil Rewe, Edeka, oder Kaufland die Ostware in ihr Sortiment aufnahmen, liegt der Wert heute bei fast 40 Prozent.

Bisheriger Höhepunkt bei Halloren war der Gang an die Börse im Mai 2007. Seitdem ist das Unternehmen mit einem Umsatz von 35 Millionen Euro und seinen gut 400 Mitarbeitern an der Frankfurter Wertpapierbörse im Entry Standard, einem Segment für kleine und mittlere Unternehmen, notiert.

Von solchen Höhenflügen kann Kathi-Chef Rainer Thiele nur träumen. 15 Jahre lang legte sein Umsatz mit Backmischungen für Donau-Wellen, Donuts und Nusskuchen, Händel-Torte und Schoko-Birnen-Zauber zwar kontinuierlich zu. „Seit dem Neustart stets zweistellig, von 1,9 auf gut 17 Millionen Euro“, betont Thiele. Und über die Jahre habe sich Kathi bundesweit zur Nummer drei unter den Anbietern von Backmischungen hochgearbeitet, hinter Dr. Oetker und dem niedersächsischen Konkurrenten Ruf Lebensmittelwerk. Doch die Bemühungen, Kathi als nationale Marke zu etablieren, hatten bisher nicht den gewünschten Erfolg. Noch immer verkauft der Oetker des Ostens gut 80 Prozent seiner Produkte in den neuen Bundesländern. Seit drei Jahren stagniert der Umsatz bei mehr oder weniger 17 Millionen Euro.

Das liegt nicht nur daran, dass dem kleinen Mittelständler die finanziellen Mittel für deutschlandweite Fernsehwerbung oder für hohe Beträge fehlen, die die Handelskonzerne für die Aufnahme in ihr Sortiment verlangen. Thiele weigert sich auch, Billigmarken für die Handelskonzerne zu produzieren. „Nur da, wo Kathi draufsteht, ist auch Kathi drin“, lautet sein Credo. Viele Wettbewerber sehen das anders und lasten ihre Kapazitäten durch die Produktion von Handelsmarken aus – auch Halloren. Wo beim Rewe-Discounter Penny „van d’Or“ auf den Pralinen oder bei Plus „Choco Edition“ auf den Mozartkugeln steht, da steckt oftmals Halloren-Schokolade drin.

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