Lebensmittel Hauen und Stechen im deutschen Tiefkühlpizza-Markt

Oetker, Nestlé und Südzucker streiten erbittert um das Geschäft mit Tiefkühlpizza. Darum lässt der frisch gebackene Pizza-Weltmeister Nestlé auch seine neuen Marken tunlichst da, wo sie herkommen: in Nordamerika.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
ARCHIV-- Pizzaproduktion bei Quelle: AP

Ausgerechnet Tiefkühlpizza! Kaum sind zwei Werktage im neuen Jahr vergangen, schon ist der weltgrößte Lebensmittelhersteller Nestlé vom selbst ernannten Gralshüter gesunder Lebensmittel mit Zusatznutzen zum fetttriefenden Fastfood-Weltmeister mutiert. Tombstone Original Extra Cheese-Pizza statt Fitness Knusper Müsli – ein ziemlich rasanter Strategieschwenk, den der Kauf des US-Pizzageschäfts von Kraft Foods bewirkte. Was wohl der Ernährungscoach auf der Nestlé-Homepage von der Übernahme hält?

Weltweit werden die Nahrungsmittelmärkte kräftig durchgeschüttelt. Branchenriesen wie Kraft Foods, Nestlé, Cadbury, Sara Lee, Kellogg oder Unilever rangeln um die Vormachtstellung bei Schokolade, Cornflakes, Körperpflege, Babynahrung oder eben Pizza. Und während die Fladenstücke auf dem Weltmarkt neu zugeschnitten wurden, ist auch im deutschen Tiefkühlpizza-Markt ein Hauen und Stechen im Gange wie nie zuvor. Die Wettbewerber Oetker, Nestlé und Südzucker kaufen zu, expandieren ins Ausland, investieren in neue Fabriken, attackieren sich mit neuen Produkten und wechseln – ähnlich wie Nestlé – mal eben vom Stand- aufs Spielbein.

So wie der Mannheimer Südzucker Konzern. Das im MDax gelistete Unternehmen, mit fast sechs Milliarden Euro Umsatz und einer Jahresproduktion von über vier Millionen Tonnen Europas größter Zuckerhersteller, versüßt sich sein lahmendes Stammgeschäft schon seit 1998 mit herzhaften Pizzen. Seinerzeit übernahmen die Mannheimer den kleinen Berliner Pizzahersteller Freiberger, Produzent der Marke Alberto, in der Branche allerdings als führender Hersteller von Pizzen für alle großen Handelsketten bekannt, mit Ausnahme von Lidl.

Renner in den Truhen

In den Truhen der Lebensmittelketten ist Pizza nach wie vor der Renner und ein Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht abzusehen. Die wachsende Zahl von Singlehaushalten und die Nachfrage nach einer schnellen, preiswerten Mahlzeit lassen den Markt seit Jahren wachsen. Allein in Deutschland steigt der Pizzaabsatz von 133 000 Tonnen in 1998 auf 246 000 in 2008 – ein Plus von satten 80 Prozent.

Mit dem Markt wächst auch die Südzucker-Tochter, weit über die deutschen Grenzen hinaus. Zwei Drittel seines Umsatzes in Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro erzielt Freiberger im benachbarten Ausland. Zu den Kunden zählen namhafte Handelsriesen wie Auchan, Carrefour, Sainsbury und Tesco.

Schon jetzt produziert Südzucker neben Tiefkühlpizzen auch Fruchtzubereitungen, Saftkonzentrate und Stärke. Bis 2012 soll die Hälfte des Umsatzes auf zuckerfremde Geschäftssparten entfallen.

Logo von Nestlé am Quelle: AP

Pizza spielt dabei eine wichtige Rolle. Im Mai eröffnet Freiberger im britischen Westhoughton eine nagelneue Fabrik für 30 Millionen Euro. Zusätzlich sollen in den kommenden Jahren 40 Millionen Euro in Rationalisierungen und Kapazitätsausbau der anderen fünf Fabriken fließen. In diesen Tagen startet Freiberger auf dem türkischen Markt. Mit der Marke Alberto ist Freiberger nicht ganz so erfolgreich unterwegs wie mit den Handelsmarken für Aldi & Co. Das liegt an der starken Markenkonkurrenz.

Drum dürfte auch Nestlé seine frisch übernommenen Marken wie DiGiorno, Tombstone oder California Pizza gleich dort lassen, wo sie herkommen: in Nordamerika. Zu sehr hängen die Deutschen an ihrer Ristorante von Oetker, der Steinofen-Pizza von Wagner oder den billigen Italo-Fladen von Rewe, Real oder Lidl.

Dass muss schon der US-Tiefkühlriese Schwan aus Minnesota einsehen, der 1998 für 90 Millionen Euro eine Pizzafabrik bei Magdeburg hochzieht, um den bedeutendsten Markt Europas aufzumischen. Doch mehr als drei Prozent Anteil werden nicht draus. Freschetta, die globale Pizzamarke der US-Boys, floppt. Vor gut einem Jahr wird das Desaster beendet, das gesamte, rund 100 Millionen Euro schwere Europageschäft an Oetker und Freiberger verkauft.

Auch ohne Amipizza ist Nestlé in Deutschland dick im Geschäft. 2005 übernimmt Nestlé 49 Prozent an dem saarländischen Pizzabäcker Wagner und stockt mit Wirkung zum 1. Januar 2010 auf 74 Prozent auf. Viel ändern dürfte sich bei Wagner dadurch vorerst nicht; schon seit Jahren profitiert die Nummer zwei im Markt von der strategischen Partnerschaft mit dem Weltkonzern. Zudem bleibt die unternehmerische Führung bei den geschäftsführenden Gesellschaftern Anette, eine geborene Wagner, und ihrem Ehemann Gottfried Hares. Mit der Hauptmarke Steinofen-Pizza sowie Handelsmarken für Lidl und andere Discounter, erlöst Wagner geschätzte 260 Millionen Euro.

Oetker attackiert Wagner

Und was macht der deutsche Pizza-Primus Oetker? Der sieht sich zwar nach dem Kauf des Schwans-Europa-Geschäfts in insgesamt 30 Ländern als Marktführer. Dennoch zieht es ihn ausgerechnet auf den heiß umkämpften US-Markt, den größten Pizzamarkt der Welt. 37 Milliarden Dollar werden dort jedes Jahr verfuttert. Seit einigen Monaten verkaufen die Bielefelder ihre Produkte in einem Testmarkt im Nordosten der USA. Ein Projekt, dass bei Oetker Chefsache ist. Betreut wird es vom neuen Oetker-Chef Richard Oetker.

Und zum Jahresbeginn schießen die sonst so zurückhaltenden Ostwestfalen gleich mal kräftig gegen den neuen Welt-Pizza-Champion Nestlé und dessen Tochter Wagner. Die Neueinführung einer Steinofenpizza bewirbt Oetker in ganzseitigen Anzeigen in der Fachpresse mit dem Hinweis. „Wenn der Marktführer im Tiefkühlpizzasegment eine Steinofen Pizza einführt, dann natürlich eine, die diesen Namen auch verdient.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%