Magna-Technikchef über Elektromobilität "Ernst nehmen, was wie Zukunft aussieht"

Der Technik-Chef von Magna über die mühsame Arbeit der Nationalen Plattform Elektromobilität.

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Burkhard Göschel Quelle: Armin Brosch für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Professor Göschel, der Zwischenbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität erweckt den Eindruck, Deutschland verliere bei der Elektromobilität den Anschluss. Ist die Sorge berechtigt?

Göschel: Ich weiß nicht, wie Sie zu diesem Schluss kommen. Der Bericht sendet ein sehr positives Signal. Leitanbieter und Leitmarkt zu sein, ist ein sehr hoher, aber richtiger Anspruch. Daraus entstehen natürlich Handlungsbedarfe. Die Elektromobilität bedeutet einen tief greifenden Einschnitt in die individuelle Mobilität, aber auch in die industrielle und gesellschaftspolitische Landschaft. In dieser Phase des Umbruchs sind eine Unmenge von Fragen zu klären, und das von vielen Betroffenen mit zum Teil beträchtlich, aber natürlich divergierenden Interessen.

Zum Beispiel?

Nehmen Sie nur die Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer, die Batteriehersteller und die Energieversorger. In meiner Arbeitsgruppe sind darüber hinaus die Sozialpartner beteiligt, berufliche und akademische Bildung sind vertreten. Der Schulterschluss funktioniert. Und die Breite des Vorgehens ist erforderlich. Es sind auch schon vorgezeichnete Wege auf dem Tisch, wie es weitergehen kann.

Sind die Arbeitskreise Debattierclubs?

Überhaupt nicht, die Zahl der Meetings ist begrenzt, und die Sitzung eines Lenkungskreises dauert meist nicht mehr als zwei Stunden. Die Abläufe sind effizient. Aber es ist natürlich einfacher, mit zwei Ingenieuren über die Ausgestaltung des Gaswechselkanals im Zylinderkopf zu reden als über Aspekte des komplexeren Gesamtthemas Elektromobilität.

In anderen Ländern werden Elektroautos verkauft, in Deutschland noch Grundsatzfragen diskutiert. Verlieren wir da nicht?

Das ist der Schweiß, den man aufbringen muss, um erfolgreich zu sein: Ohne Grundlagen und Grundsatzwissen kann man hohe Ziele nicht erreichen.

Die Bundesregierung hat bisher rund 500 Millionen Euro für die Förderung lockergemacht, andere Staaten scheuen aber nicht vor Milliardenbeträgen zurück...

Wenn man das Programm verwirklichen will und Deutschland tatsächlich zum Leitanbieter und zum Leitmarkt für Elektroautos machen möchte, sind in der Tat zusätzliche Mittel erforderlich – egal, woher sie kommen. Es muss deutlich mehr gemacht werden, als mit 500 Millionen zu realisieren wäre.

Müsste nicht die vorhandene Förderung konzentriert werden? Fast jedes Bundesland hat derzeit eigene Feldversuche.

Die Frage ist berechtigt. Derzeit laufen die Versuche einzelner Städte und Länder völlig losgelöst voneinander. Eine Konzentration ist da erforderlich.

Ist das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland auf die Straße zu bringen, bei so viel Testerei realisierbar?

Das Ziel ist richtig. Aber es ist auch notwendig, einen Markt für solche Autos zu schaffen. Ich muss den Wunsch der Kunden wecken, ein Elektroauto zu fahren – sonst läuft es nicht. Wir brauchen ein tragfähiges Geschäftsmodell für Elektroautos. Das bedarf es noch einiger Überlegungen.

Hat die Autoindustrie überhaupt ein Interesse, möglichst viele Elektromobile auf die Straße zu bekommen, die Investitionen in herkömmliche Antriebe entwerten?

Verbrennungsmotoren und die darauf basierenden Geschäftsprozesse werden noch einige Zeit Bestand haben. Das Elektroauto verändert aber etablierte Geschäftsprozesse. Deshalb sollte die Autoindustrie die Chance wahrnehmen und Prozesse trainieren und entwickeln, solange der Markt noch begrenzt ist.

Woran denken Sie?

Renault-Nissan treibt die Elektromobilität signifikant voran, und auch BMW wagt sich mit dem elektrogetriebenen Megacity Vehicle weit vor. Das neue Geschäftsmodell parallel anzugehen braucht Mut, aber es wird den Konzernen eine Menge Erfahrungen und Kenntnisse über die Technologie und den Kunden von morgen bringen. Natürlich kostet das eine Menge Geld. Aber das Risiko ist aufgrund der kleinen Stückzahlen begrenzt.

Bei Siemens hieß es nach der Rekordfahrt eines E-Mobils von München nach Berlin, die Industrie habe kein Interesse an Autos mit großer Reichweite. Stimmt das?

Die Aussage kann ich mir so nicht vorstellen. Offenheit gegenüber neuen Ideen ist gefragt. Elektrische Speicher im Fahrzeug wie etwa Batterien sind derzeit eine im wissenschaftlichen Sinne „unreife“ Technologie. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass in Startups oder völlig anderen Bereichen Ideen generiert werden, die zum Erfolg führen können. In dieser Phase müssen wir alles ernst nehmen, was nach Zukunft aussieht.

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