Managervergütung Mal Bonus, mal Malus für Manager

Die bisherigen Systeme der Managervergütung sind überholt, Bonus-Malus-Regelungen haben viele Vorteile.

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Hochgradig überbezahlt? Das Vergütungssystem für Manager ist seit der Wirtschaftskrise heftiger Kritik ausgesetzt Quelle: James Steidl - Fotolia.com

"Gierige Geldsäcke" nannte sie die „Bild“, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sprach von „unanständigem Verhalten“: Gemeint sind die Dresdner Bank-Bosse. Die Vorstände des von der Commerzbank übernommenen Instituts kassierten 2008 Gehälter von insgesamt rund 58 Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr – obwohl keine andere Bank einen so hohen Verlust ausgewiesen hat. Für noch mehr Entrüstung sorgte nur Georg Funke, gefeuerter Chef der am Staatstropf hängenden Bank Hypo Real Estate: Der Pleite-Manager hat eine Millionenklage gegen seinen Ex-Arbeitgeber eingereicht, weil er auf Erfüllung seines Arbeitsvertrages pocht.

Gleichgültig, ob die Ansprüche zu Recht bestehen – bei der durch Wirtschaftskrise und drohenden Jobverlust verunsicherten Bevölkerung steht das Urteil fest. Manager sind überbezahlt, ihre Gehälter sollten begrenzt werden. Doch auch Experten sind sich einig, dass das Vergütungssystem für Top-Manager geändert werden muss, weil es mitverantwortlich ist für die Finanz- und Wirtschaftskrise. „Wir brauchen Anreizsysteme, die den dauerhaften und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens stärker berücksichtigen als bisher“, fordert Stephan Hostettler, Gründer und Chef von Hostettler & Partner. Die Züricher Berater entwickeln für ihre Kunden Vergütungssysteme für Führungskräfte.

Die Umstellung der Anreizsysteme auf langfristige und nachhaltige Faktoren ist auch das Ziel des von der Regierungskoalition in Berlin auf den Weg gebrachten Entwurfs für ein „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“. Das beschränkt sich allerdings auf die Vorstände von Kapitalgesellschaften. Und die spüren die Krise schon jetzt im Geldbeutel: Gut drei Viertel ihrer Gesamtbezüge sind abhängig von der Unternehmensperformance und damit variabel. „Die Bezüge atmen“, sagt Alexander von Preen, Geschäftsführer der Kienbaum-Unternehmensberatung. Einer Studie aus seinem Haus zufolge sind die variablen Vergütungen der Dax-Vorstände 2008 um knapp 30 Prozent gesunken.

Krisenbeschleuniger Managergehälter

Die Dax-Bosse stehen damit aber besser da als die Eigentümer der von ihnen geführten Unternehmen: Der Gewinn pro Aktie fiel 2008 im Vergleich zum Vorjahr im Dax-Durchschnitt um 58 Prozent, die Aktionärsrendite um 41 Prozent, die Gesamtbezüge der Vorstände aber nur um 24 Prozent, so die Berechnungen der Management-Beratung Towers Perrin. Hostettler hält deshalb eine Stärkung der Aktionärsrechte für notwendig: „Eigentümer und Aufsichtsrat müssen entscheiden, nach welchen Kriterien die Leistungen des Top-Managements vergütet werden.“ Formell ist dafür zwar schon jetzt der Aufsichtsrat zuständig, de facto entscheiden aber die sogenannten Vergütungsausschüsse über Vorstandsgehälter.

Die enge Fixierung auf die Vorstandsgehälter verhindert auch die Einsicht, dass das Problem einen weit größeren Personenkreis betrifft. Dafür ist die Bankenmisere der beste Beleg. Dort haben sich die bisher üblichen Entlohnungsmodelle für Investmentbanker als Krisenbeschleuniger erwiesen. Die Manager konnten ihr vergleichsweise geringes Basisgehalt mit millionenschweren Boni aufbessern, wenn sie hohe Gewinne erwirtschafteten. Ob diese Gewinne Bestand hatten, interessierte niemanden. Die Folge: Erträge mit riskanten Geschäften wurden hochgetrieben. „Perverse Strukturen provozieren perverses Verhalten“, sagt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten.

Bislang verlangte in Europa Quelle: AP

„Wenn Unternehmen neue Vergütungsmodelle etablieren, sollten die Prinzipien nicht nur für Vorstände und Bereichsleiter gelten, sondern – stufengerecht angepasst – für alle Führungskräfte, die erfolgsabhängig bezahlt werden“, fordert Felix Benecke, Leiter der Düsseldorfer Hostettler-Dependance. „Inkonsistente Anreizsysteme zwischen verschiedenen Funktionsstufen und Hierarchieebenen sind für den Einzelnen oft intransparent und problematisch.“

Standardlösungen für Anreizsysteme gibt es nicht – die Konzepte müssen zur Kultur und den Gegebenheiten des Unternehmens passen. Das Grundprinzip ist aber immer identisch: Statt die Boni auf Basis aktueller Ergebnisse jährlich in bar auszuzahlen, wird auf den mehrjährigen Erfolg abgestellt – mit der Konsequenz, dass bereits gezahlte Prämien notfalls auch zurückgefordert werden können. Solche im Fachjargon als Clawback-Klauseln bezeichnete Regelungen können auch für andere Fälle festgelegt werden – etwa wenn Erfolgsrechnungen gefälscht waren, wie im US-Enron-Skandal vor einigen Jahren, oder wenn die Führungskräfte vor Ablauf einer bestimmten Frist kündigen wollen.

Umsetzung in der Praxis stößt auf Schwierigkeiten

Praktisch umsetzen lassen sich Clawback-Klauseln durch mehrjährige Bonuspläne – ein Teil der Prämie wird einbehalten und gegebenenfalls mit künftigen Verlusten verrechnet. Um die Führungskräfte möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden, empfehlen Berater außerdem, Boni nicht primär in bar, sondern als gesperrte Aktien auszuschütten, die erst nach einer bestimmten Zeitspanne ins Eigentum der Empfänger übergehen.

„In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass die Einführung solcher Klauseln nicht ganz einfach ist, weil diese Art der Bonuszahlung für die meisten Beteiligten eine Umgewöhnung bedeutet und darum sorgfältiger Vorbereitung und Kommunikation bedarf“, warnt Berater Benecke. Weiter verbreitet sind diese Regelungen bislang nur in den USA. Nach den Bilanzskandalen zu Beginn des Jahrhunderts und vor allem aufgrund der Finanzkrise haben inzwischen knapp zwei Drittel der US-Fortune-100-Unternehmen solche Klauseln eingeführt. „In Europa ist die Relevanz des Themas zwar erkannt, passiert ist aber bisher wenig“, sagt Benecke. Vor dem Hintergrund der Krise hat bislang nur die Schweizer Großbank UBS im vergangenen Spätherbst Boni zurückgefordert. Allerdings im Rahmen eines moralischen Appells, nicht aufgrund bestehender Clawback-Klauseln.

Heute ist das anders. Das seit Jahresbeginn geltende neue UBS-Vergütungsmodell, entwickelt von Beneckes Schweizer Kollegen, gilt unter Experten als vorbildlich. Die variable Barvergütung basiert auf einem Bonus-Malus-System, die für ein Geschäftsjahr in Aussicht gestellte und aufgrund guter Geschäftsentwicklung begründete Prämie wird zu einem Drittel sofort ausbezahlt. Der Rest wird auf einem Sperrkonto einbehalten und bleibt künftigen Risiken ausgesetzt. „Macht das Unternehmen in einem Jahr Verluste, resultiert daraus ein Malus, der das Bonuskonto schmälert“, erklärt Berater Benecke. Schlimmstenfalls kann das Guthaben aufgezehrt werden.

Ähnlich ist das Konzept für die variable Aktienbeteiligung der UBS-Manager. Auch hier ist die Geschäftsentwicklung über mehrere Jahre entscheidend. Die Aktien werden dabei vorerst nur provisorisch zugeteilt, erst nach einer Sperrfrist von drei Jahren und wenn die Leistungskriterien erfüllt sind, können die Manager darüber verfügen. Die Banker sind zudem verpflichtet, drei Viertel der Aktien für mehrere Jahre zu halten. „Bleibt die Leistung während dieser Zeit hinter den Erwartungen zurück, reduziert sich der Anspruch auf die provisorisch zugeteilten Aktien oder entfällt ganz“, sagt Benecke. Dieses Vorgehen stärke auch die Aktionärsinteressen.

Gesetzentwurf beschränkt sich auf allgemeine Grundsätze

Für die Eidgenossen könnte das fortschrittliche Modell allerdings auch nach hinten losgehen: Sollten die Vergütungsmodelle nicht international und branchenweit verändert werden, müssten wohl Korrekturen erfolgen, weil der UBS sonst ein Aderlass bei den Top-Kräften droht. „Viele Banken haben immer höhere Boni gezahlt, ohne selbstkritisch die Entwicklung zu hinterfragen“, sagt Lars Hille, Kapitalmarkt-Vorstand der DZ Bank. „Das hat sich im Wettbewerb um hoch spezialisierte Mitarbeiter hochgeschaukelt.“ Relativ gut dastehende Institute wie die Deutsche Bank werben bereits wieder Investmentbanker von der Konkurrenz ab. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung dürfte da keinen Kulturwandel herbeiführen: Zum Thema Vergütungsmodelle beschränkt er sich auf allgemeine Grundsätze.

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