Maschinenbau Druckmaschinen-Branche: Überlebensrezept Brutalumbau

Die Paradebranche des deutschen Maschinenbaus hat die Krise und die Attacke durch das Internet überstanden. Mit einem Brutalumbau sichern die Druckmaschinenhersteller ihr Überleben.

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Druckmaschinenhersteller

Es geht um 450 Tonnen schwere Kolosse mit 100.000 Einzelteilen, durch die pro Stunde bis zu 50 Kilometer lange Papierbahnen rasen. Die dreistöckigen Riesen sind häufig mehr als 30 Meter lang, ihre Zahnräder aber bis auf einen Hundertstel Millimeter genau ausgefräst. Kein Wunder, dass die lärmenden Ungetüme oft mehr als 90 Millionen Euro teuer sind.

Der Druckmaschinenbau gilt als Königsdisziplin im Maschinenbau. Und es ist kein Zufall, dass die drei größten Hersteller im Mutterland dieser Branche – in Deutschland – zu Hause sind. Heidelberger Druckmaschinen, Manroland und Koenig & Bauer (KBA) teilen etwa zwei Drittel des Weltumsatzes unter sich auf und waren noch vor wenigen Jahren der Stolz der deutschen Wirtschaft. Das Geschäft war zwar konjunkturabhängig, aber kerngesund mit oft zweistelligen Wachstumsraten.

Vorbei. In der Krise sparten die Unternehmen an Werbedrucksachen, Druckereien ließen alte Maschinen länger laufen, hinzu kamen die Attacken durch den Digitaldruck und das Internet. Ein massiver Einbruch war die Folge. Wenn sich die Branche in diesen Tagen auf der Druckmesse IPEX im englischen Birmingham trifft, werden wehmütige Töne zu hören sein über alte Zeiten, als in den Pubs fette Abschlüsse gefeiert wurden.

Die goldenen Jahre sind vorbei

Doch auch wenn die glorreichen Jahre wohl für immer vorbei sind: „Die Industrie ist noch lange nicht am Ende“, sagt Michael Apenberg, Berater für Medien und Druck in Hamburg. Zwar geht auch Apenberg davon aus, dass in Deutschland vom Druckvolumen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro in den kommenden Jahren etwa drei Milliarden Euro wegfallen – vor allem wegen der Internet-Nutzung. Aber die drei Branchenführer gehen die Probleme aktiv an – mit einem Brutalumbau sichern sie ihr Überleben im Mehrfrontenkampf.

Die Druckmaschinenbauer und ihre Kunden bekamen in den vergangenen Jahren gleich von drei Seiten Prügel. In Krisen leiden die Drucker besonders, weil die Unternehmen zuerst an der Werbung sparen. Die macht aber, Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung eingeschlossen, zwei Drittel des Druckgeschäfts aus.

Zusätzlich spürt die Industrie die Konkurrenz des Internets. Zwar hat sich das Netz bis jetzt noch nicht als Killer für den Druck erwiesen. Doch hat sich die Web-Nutzungsdauer auf durchschnittlich 70 Minuten pro Nutzer und Tag seit 2004 fast verdoppelt, während die Verbraucher nur noch 40 Minuten in Zeitungen und Zeitschriften lasen – neun Minuten weniger als 2004. „Es gibt eine schleichende Ersetzung zulasten des Druckgeschäftes“, sagt der Heidelberger Unternehmensberater und Maschinenbauexperte Holger Garbrecht.

Noch mehr macht den klassischen Produzenten von Druckmaschinen die Attacke durch die Hersteller von Digitaldruckgeräten zu schaffen. Die Maschinen, ursprünglich für den Bürogebrauch gedacht, können immer größere Auflagen meistern. Der Digitaldruckumsatz von Canon, Xerox oder Hewlett Packard hat sich seit 2003 weltweit mehr als vervierfacht.

Dagegen wirken die einstigen Druck-Perlen wie Schatten ihrer selbst. Heidelberg setzte im vergangenen Geschäftsjahr nur 2,3 Milliarden Euro um, ein Drittel weniger als noch vor zwei Jahren, und überlebte nur dank Staatsbürgschaften. Bei KBA und bei Manroland schrumpfte der Umsatz im gleichen Zeitraum gar um die Hälfte. Selbst wenn die Krise vorbei ist, wird sich der Umsatz der deutschen Druckmaschinenbauer nach Einschätzung von Branchenexperten auf etwa 80 Prozent des Vorkrisenniveaus einpendeln, also rund 4,5 Milliarden Euro. So viel setzte vor acht Jahren Heidelberg allein um.

Hoffen auf bessere Zeiten

Tröstlich für die Drucker: Der Tiefpunkt scheint überwunden. Die Mehrheit der Analysten gibt für Aktien von Heidelberg und KBA Kauf- oder Halteempfehlungen. „Der Markt zieht wieder an“, sagt Analyst Gordon Schönell vom Düsseldorfer Bankhaus Lampe. Heidelberg verbucht seit drei Quartalen steigende Umsätze, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Wirklich besser dürfte es der Branche aber erst gehen, wenn der Radikalumbau, der bei allen Druckmaschinenbauern im Gange ist, Früchte trägt. Heidelberg streicht etwa ein Viertel von einst 20.000 Arbeitsplätzen und senkt die Gewinnschwelle um 480 Millionen Euro: Künftig will Vorstandschef Bernhard Schreier schon bei einem Umsatz unter 2,5 Milliarden Euro schwarze Zahlen schreiben.

Die Heidelberger wollen sich zudem vom zyklischen Geschäft unabhängiger machen. Heidelberg soll mehr Geld mit dem Verkauf von Verbrauchsmaterialien wie Farbe oder Ersatzteilen verdienen. Auch der Verpackungsdruck wird gestärkt: Er ist im Vergleich zum Werbedruck ein stabiles und wachsendes Geschäft. Etwa die Hälfte der Umsätze statt bislang ein Drittel will Schreier in diesen Sparten erzielen. Zusätzlich will der Heidelberg-Chef wieder in den Digitaldruck einsteigen (lesen Sie hier das Interview mit Bernhard Schreier).

Noch radikaler geht KBA-Chef Helge Hansen vor. Er startete den Umbau schon 2008, deutlich früher als Heidelberg. Von einst 8200 Mitarbeitern sollen nur 6000 bleiben. Hansen begnügt sich nicht mit einer Verschlankung: Er will sich völlig neuen Geschäftsfeldern zuwenden wie Verpackungstechnik, thermischer Solartechnik oder Wasseraufbereitung. Auch für den Digitaldruck suchen die Augsburger nach Einstiegsmöglichkeiten.

Personalabbau auch bei Manroland: Mehr als 1000 von ursprünglich 8700 Jobs fallen weg. Das wird kaum reichen. Für Druck dürften schon die Eigner sorgen: Gut ein Drittel gehört MAN, zwei Drittel der Beteiligungsgesellschaft Allianz Capital Partners. Manroland-Chef Gerd Finkbeiner hat bereits Fertigungskapazitäten konzentriert. Von den einst fünf Werken im Rollenoffsetdruck im Rhein-Main-Gebiet blieb nur Offenbach übrig. Finkbeiner richtet sich langfristig darauf ein, statt wie bis zur Krise rund 2,0 Milliarden Euro nur rund 1,4 Milliarden umzusetzen und trotzdem profitabel zu sein. Auch er sucht nach Partnern beim Digitaldruck.

Eine Lösung für die Branche könnten Fusionen sein – bisher allerdings hat nichts geklappt. Vergangenen Herbst platzten die Gespräche von Manroland mit Heideldruck, die als weitgehend abgeschlossen galten. Und vor wenigen Wochen brach Finkbeiner die Verhandlungen mit der Schweizer Wifag ab. In beiden Fällen, munkelt die Branche, wären die Folgekosten für die Beteiligten, etwa Abfindungen für überzählige Mitarbeiter, zu hoch gewesen. Das muss aber noch nicht das finale Aus für Fusionen und Kooperationen bedeuten. Berater Garbrecht: „Es wird sich noch einiges bewegen.“

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