McKinsey-Studie USA und Frankreich sind Elektroauto-Vorreiter

Das Elektroauto kommt – und keine andere Volkswirtschaft hat dabei so viel zu gewinnen, oder zu verlieren, wie die deutsche. Wie sich die deutsche Autobranche dabei positioniert, hat die Unternehmensberatung McKinsey exklusiv für die WirtschaftsWoche untersucht.

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Ein Elektro-Smart auf der Auto Quelle: dpa

Sind die hiesigen Unternehmen mit ihren Stromern erfolgreich, könnten allein die deutschen Hersteller damit bis 2020 rund 75 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen, Marktanteile behaupten oder noch ausbauen und Arbeitsplätze sichern.

Doch die Entwicklung dieses neuen Weltmarktes wird sich in den nächsten Jahren stark beschleunigen. Weltweit fördern Regierungen die Elektromobilität massiv, investieren Hersteller in den Auf- und Ausbau ihrer Elektrofahrzeuge-Flotte, mit dem Ziel sich eine starke Position in diesem neuen wachstumsträchtigen Marktsegment zu sichern.

Wer dabei das Rennen macht und wie sich Deutschland und die deutsche Autoindustrie dabei positioniert, analysiert der von der Unternehmensberatung McKinsey & Company exklusiv für die WirtschaftsWoche entwickelte "Elektro-Fahrzeuge-Index (EFI)" in zwei Dimensionen (Anbietermarkt, Nachfragemarkt) und anhand von neun Kriterien – von nun an im vierteljährlichen Turnus.

Der jetzt veröffentlichte erste Index verdeutlicht: Im Rennen um die beste Positionierung im Markt für Elektromobilität haben sich derzeit die USA (Platz 1), Frankreich (Platz 2) und Deutschland (Platz 3) im Spitzenfeld positioniert, das Mittelfeld bilden Italien, Japan, Dänemark und China.

Der Index zeigt auch: In diesem Anfangsstadium der Elektromobilität ist der Markt noch stark polarisiert. So sind viele kleinere Länder, die in einem Kriterium die Weltspitze bilden, in anderen Kriterien fast nicht existent.

In Portugal beispielsweise lohnt sich das elektrische Fahren wie in kaum einem anderen Land. Portugal bietet dem Elektroautofahrer eine Fahrkostenersparnis von 84 Prozent und führt bei der Einrichtung von speziellen Parkzonen oder Fahrspuren für Elektrofahrzeuge gemeinsam mit den USA die Weltspitze an. Allein nutzen können die Portugiesen dieses Angebot noch nicht, denn es gibt keine Elektrofahrzeuge, weder auf den Straßen noch in den Autohäusern.

Dänemark wiederum bietet seinen Konsumenten bereits heute 6 verschiedene Elektrofahrzeug-Modelle und eine besonders hohe anteilige Förderung von 33 Prozent (unter Berücksichtigung von Anschaffungspreissubventionen, Lebensdauer, Kfz-Steuerersparnis und Anschaffungspreis). Aufgrund der sehr hohen Strompreise (mit 0,27 EUR/kWh lag Dänemark 2009 an der Weltspitze) haben die Dänen allerdings derzeit die geringste Fahrtkostenersparnis ("nur" 56 Prozent im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor). Im Gesamtergebnis hat Dänemark dennoch die weltbesten Voraussetzungen für einen gesunden Nachfragemarkt und weist konsequenterweise den weltweit höchsten Anteil an zugelassenen Elektrofahrzeugen aus. Als Wettbewerber um den Wachstumsmarkt Elektromobilität liegt Dänemark dennoch nur im Mittelfeld, da keine Anbieterindustrie im Land existiert.

Die Kernergebnisse für die wichtigsten Länder und mehr zur Methodologie finden Sie auf den nächsten Seiten.

USA als Role Model

Tesla Roadster Quelle: REUTERS

Angeführt wird das Spitzenfeld derzeit von den USA, denen der Schwenk zur sparsamen, umweltfreundlichen Elektromobilität in der öffentlichen Diskussion lange Zeit nur zögerlich zugetraut worden war.

Die McKinsey-Analyse zeigt jedoch, dass die Hoffnungen auf eine gute Marktposition nicht unberechtigt sind: Die USA sind derzeit "Role Model", wenn es um die nicht-monetäre Förderung des elektrischen Fahrens (Stichwort Busspuren, Parkzonen, etc.) geht und wenn es um die staatliche Förderung für Forschung und Schaffung weiterer Grundlagen für Elektromobilität geht. Keine Nation investiert soviel in Förderungen, Kredite/Bürgschaften für F&E und Produktion von Elektrofahrzeugen wie die USA: Rund 22 Milliarden Euro an Förderprogrammen hat die US-Regierung über die nächsten fünf Jahre eingeplant, das ist das 7-fache dessen, was die chinesische Regierung eingeplant hat, und das 36-fache dessen, was die deutsche Regierung bereitstellen will. Beim Anteil der Neuzulassungen von Elektroautos erreichen die USA mit 0,023 Prozent (2.400 auf insgesamt 10,3 Millionen Fahrzeuge) folgerichtig den zweithöchsten Wert – obwohl mit dem Tesla Roadster nur 1 Modell verfügbar ist.

Auch als Anbieter von Elektroautos haben die USA konsequent in den Ausbau ihres Anteils an Elektroautos investiert: Gemessen am Anteil der Elektrofahrzeuge an der nationalen Gesamtfahrzeugproduktion in den nächsten 5 Jahren belegen die USA den zweiten Platz hinter Japan und vor Frankreich.

Das Ergebnis zeigt: Die konsequente Strategie und der erklärte politische Wille, die Elektromobilität zu fördern, machen sich jetzt bemerkbar. Die USA haben nach Dänemark die zweitbesten Voraussetzungen zur Entwicklung einer optimalen Nachfrage geschaffen und teilen sich als Anbieter von Elektromobilität den ersten Platz mit Frankreich. Insgesamt haben die USA somit die besten Voraussetzungen im Markt für Elektromobilität.

Frankreich mit hohen Verbrauchervorteilen

Electric Concept Car ZE von Quelle: dpa

Die zweitpositionierte Elektromobilitäts-Nation Frankreich bietet dem Konsumenten mit derzeit 3 Elektrofahrzeug-Modellen weniger Vielfalt als beispielsweise Spanien (6 Modelle), Italien (5 Modelle) oder Dänemark (6 Modelle). Dies wird durch Verbrauchervorteile wieder ausgeglichen, wie die hohe Fahrkostenersparnis (85 Prozent), die hohe anteilige staatliche Förderung (3 Prozent). Auch ist Frankreich mit einem Elektrofahrzeug-Neuzulassungsanteil von 0,023 Prozent (614 auf insgesamt 2,6 Millionen Fahrzeuge) bereits im oberen Spitzenfeld hinter den USA und Japan positioniert. Die Voraussetzungen für eine gesunde Elektromobilitätsnachfrage in Frankreich sind gut - allerdings mit Blick auf die "Role Models" USA bzw. Dänemark und Portugal noch verbesserungsfähig.

Als Anbieter von Elektrofahrzeugen hat sich Frankreich dagegen aktiv an die Spitze gespielt. Von den 66 derzeit angebotenen bzw. angekündigten Fahrzeugmodellen französischer Hersteller fahren 10 elektrisch – in keinem anderen Land ist dieser Anteil so hoch. Auch mittelfristig spielt Frankreich an der Spitze mit: In den nächsten fünf Jahren belegt Frankreich, gemessen am Anteil der Elektrofahrzeuge an der nationalen Gesamtfahrzeugproduktion, den dritten Platz hinter den USA und Japan.

Insgesamt bestätigt und honoriert dieses Ergebnis, dass Frankreich (so wie die USA) das Thema Elektromobilität konsequent vorantreibt, in der Kombination aus Industrieinitiativen und Joint-Ventures, politischer Rückendeckung und Förderungen und mit vollem Einsatz in die "Wette auf E-Mobility" eingestiegen ist.

Deutschland dank leistungsfähiger Anbieterindustrie im Spitzenfeld

Smart Elektrofahrzeug Quelle: REUTERS

Deutschland hat sich eine gute Position im Spitzenfeld erobern können, im wesentlichen dank der starken, leistungsfähigen Anbieterindustrie. Während Deutschland als Hersteller von Elektrofahrzeugen massiv in den Ausbau der Modellpalette investiert und sich als Technologieführer positioniert, liegt Deutschland mit Blick auf die Nachfragebedingungen derzeit noch im Mittelfeld, wie der weltweite Vergleichsindex von McKinsey zeigt.

So haben deutsche Hersteller derzeit 18 Elektrofahrzeug-Modelle angekündigt bzw. schon vorgestellt. Damit hat Deutschland - im Verhältnis zur Gesamtpalette von 120 Fahrzeugen - mittelfristig einen fast so hohen EV-Anteil wie der Spitzenreiter Frankreich.

Die Voraussetzungen zur Entwicklung eines heimischen Nachfragemarktes sind allerdings noch verbesserungsfähig. So werden in Deutschland derzeit erst 3 EV-Modelle im Markt angeboten – gegenüber 6 Modellen in Spanien und Dänemark und 5 Modellen in Italien.

Es gibt zwar Umweltzonen und spezielle Versicherungsprämien – doch durch Einrichtung spezieller Fahrspuren nur für Elektrofahrzeuge (Beispiel USA und Portugal) ließe sich das elektrische Fahren aber leicht noch attraktiver machen. Die Fahrtkostenersparnis beträgt aufgrund der hohen Strompreise (mit 0,21 Euro/kWh die zweithöchsten weltweit) "nur" 71 Prozent und wird damit nur noch durch Dänemark (56%), Irland (69%) und Japan (66%) unterboten. Auch in punkto Förderung besteht Verbesserungspotenzial: Anschaffungssubventionen wie in anderen Ländern (Spanien: 7.614 Euro, Frankreich: 5.000 Euro, Dänemark: 17.231 Euro, Irland: 3.770 Euro, Portugal: 2.250 Euro, USA: 834 Euro) fehlen in Deutschland, es gibt lediglich eine KFZ-Steuerersparnis von 62 Euro pro Jahr über die Gesamtlaufzeit.

Fakt ist laut McKinsey-Index, dass der Anteil neu zugelassener Elektrofahrzeuge hierzulande (bezogen auf die gesamten Neuzulassungen der letzten drei Monate) hierzulande noch gering ist. Deutschland weist mit 206 Elektrofahrzeugen auf ca. 4 Millionen Fahrzeuge eine nahezu 4-mal geringere Dichte auf als Japan (986 auf 4,5 Millionen), Frankreich (614 auf 2,6 Millionen) und die USA (2.412 auf 10,3 Millionen).

China: Fehlende Anbieterindustrie kostet Plätze

Elektroauto BYD F6DM des Quelle: REUTERS

China belegt im aktuellen McKinsey-Index den Platz 7, hinter Japan und Italien. Diese Positionierung reflektiert das Fehlen einer Elektroauto-Anbieterindustrie, aber auch die derzeit noch nicht vorhandenen Bedingungen für die Entwicklung einer heimischen Nachfrage – als Nachfrage- und insbesondere Testmarkt für Elektromobilität.

So fahren von den 61 aktuell von chinesischen OEMs vorgestellten/angekündigten Fahrzeugmodellen nur 4 elektrisch. Der prognostizierte Elektrofahrzeugeanteil an der nationalen Gesamtfahrzeugproduktion (produzierte Einheiten) der chinesischen Autoindustrie für die nächsten 5 Jahre geht gegen Null.

Eine staatliche Förderung breiterer Verbraucherschichten für Elektrofahrzeuge gibt es in China derzeit nicht – die viel beachteten Subventionsmilliarden fördern fast nur die Mobilität von Regierung und regierungsnahen Institutionen. So ist der Anteil der neuzugelassenen Elektrofahrzeuge am Gesamtmarkt entsprechend gering: Mit 48 zugelassenen Elektrofahrzeugen auf 8,4 Millionen der Gesamtzulassungen liegt ihr Anteil derzeit fast zehnmal so niedrig wie Großbritannien, 25-mal niedriger als Italien und fast 80-mal niedriger als Japan und USA. Für China hat die Schaffung einer erschwinglichen Basismobilität für die breite Masse derzeit oberste Priorität – Elektrofahrzeuge sind dabei zunächst nicht wettbewerbsfähig.

Dies kann sich aber - gerade in China – sehr schnell ändern. China hat für die nächsten fünf Jahre Förderungen, Kredite/Bürgschaften für F&E und Produktion von Elektrofahrzeugen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro bereitgestellt – die weltweit zweithöchste Fördersumme nach den USA. China, dessen Interesse an der Elektromobilität somit offenkundig ist, ist aufgrund der besonderen sozioökonomischen Bedingungen mehr als jede andere Nation in der Lage, sehr kurzfristig weitreichende Veränderungen umzusetzen. Das zeigt beispielhaft die Einführung von Elektrorollern in Shanghai: Konventionell betriebene Motorroller wurden von heute auf morgen verboten, mit entsprechendem Effekt für die Nachfrage nach Elektrorollern. Die chinesische Automobilindustrie selbst wiederum kann sich bei der Elektromobilität – wenn die Rahmenbedingungen stimmen – sehr schnell nach vorne bringen, da der angestammte Technologievorsprung des internationalen Wettbewerbs in diesem neuen Segment nicht greift.

Methodologie des Indexes

Der Elektro-Fahrzeuge-Index liefert eine Quantifizierung des "Reifegrads" eines Betrachtungslandes bzgl. der (erwarteten) Marktanteile von Elektrofahrzeugen und der Ausprägung und wirtschaftlichen Bedeutung von Industrien innerhalb der EV-Wertschöpfungskette. Untersucht werden zwölf Betrachtungsländer, die anhand von vier Kriterien ausgewählt wurden (Absatzvolumina, Produktionsvolumina, Fahrzeugflotte, erwartete Leitrolle in Bezug auf Elektromobilität).

Der Elektro-Fahrzeuge-Index bewertet den Reifegrad des Betrachtungslandes als EV-Anbieter und -Abnehmer über die folgenden neun Kenngrößen:

Aktuelle und prognostizierte Präsenz (Marktanteil) von Elektrofahrzeugen aller in diesem Kontext relevanten HerstellerVerfügbarkeit (Angebot) der aktuellen EV-Modellvarianten, welche in den jeweiligen Ländern vertrieben werdenFahrkostenersparnis (auf 100 km) – unter Einbeziehung des Durchschnittsverbrauchs ausgewählter EV Modelle und der Stromkosten sowie des Durchschnittsverbrauchs konventioneller Fahrzeuge und des Kraftstoffpreises.Anteilige staatliche Förderung – unter Einbeziehung der Anschaffungspreissubventionen, Lebensdauer, Kfz-Steuerersparnis und Anschaffungspreise der Elektrofahrzeugen.Dichte öffentlicher Aufladestationen im Vergleich zur Gesamtlänge aller öffentlichen StraßenQualitative Kunden-/Nutzen-Attribute beim EV-Betrieb – unter Berücksichtigung von Umweltzonen, speziellen EV-Parkplätzen, speziellen Fahrspuren, speziellen Versicherungsprämien und weiteren Vorteilen.Prognostizierter EV Fahrzeuganteil an nationaler Gesamtfahrzeugproduktion der Autoindustrie in 5 Jahren (rollierend)Anzahl vorgestellter EV-Modelle der in diesem Kontext relevanten nationalen OEMs – im Verhältnis zur Gesamtzahl der aktuell angebotenen Modelle der betrachteten OEMs.Staatliche Förderung für Forschung und Schaffung weiterer Grundlagen für Elektromobilität.

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