
Das Telefon klingelte im vergangenen Herbst, das Anliegen klang schräg: Ob er sich vorstellen könne, im Irak Anzeigenseiten für kurdische Zeitungen zu verkaufen, wollte der Anrufer von Thomas Koch wissen. Koch ist in der deutschen Medienlandschaft eine Größe: Der Düsseldorfer führte und gründete in seiner langen Karriere Media-Agenturen wie tkm Starcom, er kennt das Geschäft an der Schnittstelle zwischen Medien und Werbungtreibenden sehr genau. Koch gefiel die Idee – vergangenen Dienstag unterschrieben er und sein Gesprächspartner Klaas Glenewinkel in Berlin die Gründungsverträge für Plural Media Services.
Demokratisierung fördern
Im Vergleich zu margengetriebenen Großagenturen, die für Hunderte Millionen Euro Werbeplätze einkaufen, ist Plural ein Unikum: Die Agentur will ihren Gewinn nicht nur in die eigene Expansion stecken, sondern auch in die Ausbildung von Journalisten. Noch ist Plural ein Zwerg – Koch und Glenewinkel wären im Jahr eins zufrieden mit 100 000 Euro Umsatz.
Doch so klein Plural ist, die Agentur könnte helfen, die junge Medienlandschaft in Krisenländern wie Irak, Sudan und Afghanistan zu verändern und die Demokratisierung in arabischen und afrikanischen Umbruchstaaten zu fördern. Nach westlichen Maßstäben braucht es dazu nicht viel Werbegeld – für 500 Dollar, sagt Glenewinkel, kann man „einen Radiosender im afghanischen Kandahar ein halbes Jahr lang betreiben“. Den Media-Haudegen Koch reizt, dass in diesen Regionen „gerade Geschichte geschrieben wird. Und in den kommenden fünf Jahren wird sich auch die Medienlandschaft in Ländern wie dem Irak spürbar wandeln.“
Gefahrenzone für Journalisten
Zurzeit gilt der Irak als hoch gefährlich. 2010 bescheinigte die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) dem Staat beim Grad der Pressefreiheit nur Rang 130 von 178 Ländern. Missliebige Journalisten werden häufig bedroht und verschleppt.
Gleichzeitig bescheinigt ROG jedoch dem Norden des Irak, der Föderalen Region Kurdistan-Irak, „bemerkenswerte Fortschritte“ beim Thema Medien; dort herrsche ein regelrechter Gründungsboom. Die Branchenvereinigung Kurdistan Journalists Syndicate behauptet schwer nachprüfbar, 415 Zeitungen erschienen mittlerweile in der Region. Die meisten, sagt Glenewinkel, würden allerdings vom Staat, von Parteien oder religiösen Gruppen finanziert und kostenlos auf den Märkten verteilt.
Entscheider lesen "Awene"
Vergleichsweise teuer dagegen sind unabhängige Zeitungen wie „Awene“, die wöchentlich in einer Auflage von 8000 Exemplaren erscheint und umgerechnet fast einen Dollar kostet. Zusätzliche Anzeigenerlöse könnten helfen, häufiger und mit mehr Seiten zu erscheinen – und noch interessanter zu werden für Werbekunden. Denn anders als bei den Gratisblättern sind es meist „die Entscheider und fortschrittlichen Kräfte, die Blätter wie ,Awene‘ lesen“, sagt Henrik Ahrens.