Merckle-Gruppe Das Ende eines schwäbischen Imperiums

Das neue Jahr war gerade fünf Tage alt, als eine ungewöhnliche Unternehmerkarriere auf noch ungewöhnlichere Weise endete.

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Bild von Adolf Merckle bei dessen Beerdigung im Januar 2009. Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

FRANKFURT. Mit dem für Freunde und Gegner gleichermaßen überraschenden Freitod zieht Adolf Merckle an diesem kalten Winternachmittag die bitterste Konsequenz aus dem Niedergang seines Imperiums. "Die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, hat den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen", teilt später seine Familie mit.

Ein Jahr zuvor zählte ihn die amerikanische Zeitschrift "Forbes" mit einem Vermögen von mehr als neun Mrd. Euro noch zu den fünf reichsten Deutschen. Aus einer kleinen, ererbten Arzneimittelfirma hatte Merckle im Laufe von vier Jahrzehnten ein schwergewichtiges und kompliziert verschachteltes Firmenimperium aufgebaut, mit dem Generikahersteller Ratiopharm und dem Pharmahändler Phoenix im Zentrum, einer Mehrheitsbeteiligung am Baustoffkonzern Heidelberg Cement und kleineren Beteiligungen drum herum, alles in allem etwa 35 Mrd. Euro Umsatz und mehr als 100 000 Mitarbeiter.

Doch als sich der 74-jährige Firmenpatriarch im Januar 2009 auf den Weg zu den Bahngleisen bei Blaubeuren machte, war längst klar, dass nicht mehr er selbst, sondern seine Gläubigerbanken das Heft in der Hand hielten. Merckle, ein gewiefter Jurist, weitsichtiger Unternehmer und erfahrener Spekulant, hatte sich verkalkuliert. Sein erster Fehler war die weitgehend kreditfinanzierte Übernahme von Heidelberg Cement, sein zweiter die Unterschätzung der Finanzkrise.

Verspekuliert mit VW

Aufgeschreckt von der Lehman-Pleite und sinkenden Heidelcement-Kursen, forderten die Banken im Herbst 2008 zusätzliche Sicherheiten. Merckle versuchte, mit einer gewagten, aber letztlich verlustträchtigen Spekulation auf VW-Aktien den Kopf aus der Schlinge zu ziehen - und geriet noch tiefer in die Verschuldung.

Die Verbindlichkeiten seiner Holdingfirmen VEM und Spohn Cement addierten sich am Ende auf gut fünf Mrd. Euro. Wochenlang zogen sich die Verhandlungen hin, ehe die rund vier Dutzend Banken ihre Kredite schließlich verlängerten. Merckle musste sich im Gegenzug verpflichten, Ratiopharm und nötigenfalls Heidelcement und Phoenix zu veräußern, er musste die Steuerung seiner Firmen Treuhändern und Sanierungsexperten überlassen.

Der Ausverkauf ist inzwischen voll im Gange. In Verbindung mit einer Kapitalerhöhung bei Heidelcement veräußerten die Merckle-Firmen mehr als 50 Mio. Aktien des Baustoffherstellers und reduzierten die Beteiligung auf 25 Prozent. Die Verschuldung der Gruppe dürfte auf etwa drei Mrd. Euro gesunken sein. Im Verkaufsprozess für Ratiopharm läuft die zweite Bieterrunde, und es zeichnet sich ab, dass Interessenten wie Teva, Pfizer, Sanofi-Aventis und Finanzinvestoren am Ende womöglich mehr als 2,5 Mrd. Euro für den größten deutschen Generikahersteller auf den Tisch legen.

Alleinerbe Ludwig Merckle wird daher am Ende wohl nicht ganz leer ausgehen. Möglicherweise kann er sogar den Pharmahändler Phoenix und eine ansehnliche Minderheitsbeteiligung an Heidelcement retten. Vom einstigen Glanz und Einfluss der Merckle-Gruppe indes wird wohl nicht viel übrig bleiben.

Jedenfalls ist Ludwig Merckle zuversichtlich, bald wieder volle Handlungsfreiheit im überschuldeten Imperium seines Vaters zu haben. Die Tilgung und Refinanzierung der Schulden komme gut voran, sagte er jetzt der Ulmer "Südwest Presse". Dazu habe vor allem der Verkauf von Anteilen an Heidelberg Cement beigetragen. "Klar ist es, dass es die alte Merckle-Gruppe in dieser Form nicht mehr geben wird. Mein Ziel ist es, möglichst viel von dem zu erhalten, was mein Vater aufgebaut hat."

Ludwig Merckles Anteil an dem hoch verschuldeten Baustoffkonzern war von 72,4 Prozent auf 24,4 Prozent gesunken. "Gleichzeitig wurde Heidelberger Cement gestärkt und ist jetzt ein Kandidat für den Dax. Dies war mir wichtiger als der Verlust der Mehrheit", sagte er der Zeitung.

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