Meyer Werft Schiffbau nach dem Lego-Prinzip

Die Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg gehört zu den drei Weltmarktführern im internationalen Kreuzschifffahrtsbau. Gleichzeitig ist das Familienunternehmen führend bei Entwicklung und Einsatz neuer Konstruktionstechniken.

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AidAluna vor Warnemünde Quelle: Thomas Häntzschel/nordlicht/aida.de

Am Anfang steht die Platte. Eine Stahlplatte, mehrere Zentimeter dick und von den Werftarbeitern mit Schneidbrennern grob zugeschnitten, die auf Blöcken und einer leicht geneigten, rund einen Meter breiten und mehr als schiffslangen Sockelschiene, dem sogenannten Werfthelgen, ruht. Bei der Kiellegung wird diese Platte mit anderen Platten, Trägern und Profilen zum doppelten Schiffsboden verbunden. Zu Beginn des Stahlschiffbaus mit geschmiedeten Nieten, später geschweißt.

Ist der Unterboden komplett, werden die Seitenwände angesetzt und die Decks eingezogen, damit der Rumpf Stabilität bekommt. Sobald der fertig ist, kommt der Rohbau der Aufbauten obendrauf.

Meyer Werft: 800 Tonnen schwere Blöcke werden verschweißt

Doch bevor die komplett sind, kommt der Stapellauf: Das halbfertige Schiff rutscht – von hydraulischen Pressen bewegt und durch Tonnen von Schmierseife beschleunigt – auf seiner schrägen Bahn ins Wasser, wird von Ankern und Schleppern gebremst und zum Ausrüstungskai verholt. Dort werden dann in vielen Monaten die Maschine, Rohrleitungen und Elektrik sowie die gesamte Inneneinrichtung eingebaut. Das war Schiffbau zu Zeiten der „Titanic“ und bis alles fertig war, vergingen in der Regel mehrere Jahre.

Auch bei der Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg an der Ems steht am Anfang eine Platte. Aber die wird computergesteuert von Plasmabrennanlagen zugeschnitten – vollautomatisch und fast millimetergenau. In einer Halle werden die Platten und Profile per Laser zu einer Sektion verschweißt, aus etwa sieben solcher Sektionen entsteht ein bis zu 800 Tonnen schwerer Block, zum Beispiel das Heck.

Die AIDAluna kostet 315 Millionen Euro

Diese Blöcke, gegen Korrosion geschützt und mit sämtlichen Rohren, elektrischen Leitungen und den Schächten für die Klimaanlage vorgerüstet, werden dann in einem überdachten Baudock zu einem Schiff verbunden – „wie Legosteine“, sagt Werftchef Bernhard Meyer. Ein Kreuzfahrtschiff wie die neue „AIDAluna“ – 252 Meter lang, 32,2 Meter breit, 13 Decks oder 55,3 Meter hoch und 315 Millionen Euro teuer – besteht aus 55 solcher Sektionen.

Die in einer benachbarten Zulieferfabrik ebenfalls weitgehend vorgefertigten Kabinen werden per Kran von oben ins Schiff gehievt. Erst wenn das Schiff weitgehend fertiggestellt ist, wird das Baudock geflutet und der neue Dampfer ausgedockt. Das ist Schiffbau heute und dauert von der Kiellegung bis zur Ablieferung rund ein Jahr.

Die

Auch sonst hat sich seit den Zeiten der „Titanic“ einiges geändert. Das Design zum Beispiel. Früher wurden zuerst die äußeren Dimensionen des neuen Schiffes festgelegt, die Innenaufteilung kam später. Die Folge: Die äußerlich eleganten Schiffe hatten eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Kabinentypen in ihrem Innern.

Die Zwischendeckpassagiere übernachteten wie in der Jugendherberge – in fensterlosen Innenkabinen mit Stockbetten, Gemeinschaftsklo und Sammeldusche. Die Erster-Klasse-Reisenden hatten Salons mit Meerblick, Marmorbad mit Badewanne und einen begehbaren Kleiderschrank. Heutige Kreuzfahrtschiffe sind so schnittig wie ein schwimmender Plattenbau, dafür sind alle Kabinen gleich komfortabel – mit eigenem Bad und klimatisiert. Nur noch einige wenige liegen innen, die meisten haben Meerblick, viele sogar einen kleinen Balkon.

Die Meyer Werft ist seit sechs Generationen im Familienbesitz

Völlig anders ist auch die Antriebstechnik moderner Kreuzfahrtschiffe. Früher wurden Passagierschiffe in der Regel von Dampfmaschinen bewegt, später dann von Dampfturbinen. „Die liefen schön ruhig und gleichmäßig, die Passagiere spürten kaum etwas“, erinnert sich ein längst pensionierter ehemaliger Kapitän. Die Kessel wurden zuerst mit Kohle, dann mit Öl befeuert, die Kraft der Maschine wurde über mannsdicke und durch das halbe Schiff führende Stahlwellen auf die bis zu vier Schrauben übertragen.

Das machte die Transozeanliner, die zwischen Europa und den USA verkehrten, bis zu 70 Stundenkilometer schnell, wegen des hohen Energiebedarfs und des vielen Personals zum Heizen und Bedienen aber auch sehr teuer im Unterhalt. Später dominierten Dieselmotoren die vom Schiffsboden bis zum Schornstein reichenden Maschinenräume – mit haushohen Zylindern, deren langsames Wummern das gesamte Schiff vibrieren ließen.

Heute haben moderne Kreuzfahrtschiffe nicht mehr einen großen sondern mehrere kleine Motoren – der dieselelektrische Antrieb der „AIDAluna“ besteht aus vier kleinen Dieselmotoren, die über Generatoren Strom erzeugen. Der wiederum treibt die Elektromotoren für die zwei Hauptschrauben am Heck und die insgesamt vier quer in den Schiffsrumpf eingebauten Strahlruder an. Dieser Antrieb ist wirtschaftlich im Verbrauch und vibrationsarm. Und dank der Kombination aus Heckantrieb und Querstrahlrudern lässt sich das riesige Schiff ohne Schlepperhilfe auf engstem Raum drehen und manövrieren. Hätte die „Titanic“ schon über diese Antriebs- und Steuertechnik verfügt – womöglich wäre das Ausweichmanöver am Eisberg gut ausgegangen.

Die Meyer Werft wurde 1795 gegründet und ist seit sechs Generationen im Familienbesitz, Bernhard Meyer ist geschäftsführender Gesellschafter. Seinen weltweit guten Ruf hat sich der Schiffbaubetrieb vor allem aufgrund seines Knowhows bei Kreuzfahrtschiffen erworben. Bis heute entstanden 25 Luxusliner für Kunden aus aller Welt. Was nicht so bekannt ist: „Wir sind durch die vielen Kreuzfahrtaufträge auch der größte Theaterbauer in Deutschlands“, sagt Meyer.

Der Kreuzfahrtschiff-Neubau Quelle: dpa

Gebaut werden am Stammsitz in Papenburg nicht nur Traumschiffe, auch Auto- und Passagierfähren sowie RoRo-Schiffe entstehen dort, das Schwesterunternehmen Neptun Werft in Rostock baut Flusskreuzfahrtschiffe und Gastanker. Die Meyer Werft hat über 2500 Beschäftigte und ist dank prall gefüllter Auftragsbücher bis 2012 ausgelastet.

Das weltweite Auftragsvolumen im Kreuzschifffahrtsbau – fest bestellt sind derzeit 34 Musikdampfer – teilt sich Meyer mit der norwegischen STX-Gruppe – den ehemaligen Aker Yards – und dem italienischen Staatskonzern Fincantieri.

Das Nadelöhr der Ems ist ein Problem

Nur eines ist problematisch für die Meyer Werft: deren Standort mitten auf dem platten Land. Bevor die in Papenburg gebauten Riesenschiffe die offene Nordsee erreichen, müssen sie eine 36 Kilometer lange Überführungsfahrt durch die Ems absolvieren.

Das ist jedes Mal Millimeterarbeit und bei Naturschützern umstritten. Und es erfordert eine Reihe von Vorbereitungen: Brücken müssen demontiert und der Fluss aufgestaut werden, damit die Schiffe genug Wasser unter dem Kiel und wenigstens einen halben Meter Platz links und rechts haben.

Damit nichts passiert, wenn ein besonders hoher Mast die über die Ems führende Hochspannungsleitung berühren sollte, wird die während der Überführungen abgeschaltet. Einmal hatte das Auswirkungen, mit denen keiner gerechnet hatte: Als Anfang 2007 die „AIDAdiva“ in die Nordsee geschleust wurde, führte das Abschalten zu einer Kettenreaktion im grenzüberschreitenden Verbundnetz der Stromerzeuger. Große Teile Westeuropas waren stundenlang ohne Strom.

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