Microsoft-Vorstand Achim Berg Tänzer am Leichenwagen

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Berg legt zwei neue Smartphones mit Phone 7 vor sich auf den Tisch, eines von HTC, eines ohne Markennamen, aber beide mit Touchscreen. Drei Jahre nach Apples iPhone hat nun auch Microsoft ein brauchbares Konzept für berührungsempfindliche Bildschirme entwickelt. Mit dem Finger streicht Berg über das Display, blättert durch die verschiedenen Anwendungen, die ihm als bunte Kacheln entgegenleuchten. Aufgeräumt wirkt das, elegant und reduziert auf das Wesentliche. "Phone 7 ist das wichtigste Projekt für Microsoft", sagt Berg. "Wir haben uns eineinhalb Jahre Zeit gelassen, um ein völlig neues Programm zu schreiben. Das war eine sehr mutige Entscheidung."

Mut? Gewiss. Der Mut der Verzweiflung? Vielleicht. Bei Smartphones hatte Microsoft in der Vergangenheit jedenfalls kein Glück: Das Vorläufer-Betriebssystem fiel bei den Kunden in Ungnade. Der Versuch, unter der Marke Kin zwei jugendliche Handymodelle zu etablieren, scheiterte im Frühsommer nach gerade mal drei Monaten. Es schien, als stecke der in den siebziger Jahren von Bill Gates gegründete Softwarekonzern in einer Art Midlife-Crisis. Als habe er das Tempo der Veränderung unterschätzt und wolle nun mit aller Macht zu alter Stärke zurück. Männer in so einer Situation kaufen sich gelegentlich einen Porsche, Microsoft leistet sich ein neues Betriebssystem.

"Ich versuche, etwas mehr europäische Gelassenheit mitzubringen"

"Microsoft hat sich lange auf Geschäftskunden konzentriert, aber die Zeiten ändern sich", analysiert Berg die Fehler der Vergangenheit. "Smartphones werden heute vor allem von Privatleuten gekauft. Das sind Statussymbole, die man Freunden zeigt und auf die man stolz ist."

Wenn er so redet, dann bekommt man den Eindruck, als seien bei Microsoft die Uhren stehen geblieben und jetzt käme einer, um sie wieder in Gang zu setzen. Und offenbar kann der Deutsche dem Konzern samt dessen Vorstandschef Steve Ballmer wirklich etwas beibringen. Zum Beispiel, wie man Handys verkauft. "Ich habe vor Steve Ballmer und anderen Topmanagern mal erklärt, wie man einen Consumer-Markt macht. Dass man erst die Meinungsmacher gewinnen muss, um schließlich breite Käuferschichten zu erreichen«, sagt Berg. »Das ist eigentlich kalter Kaffee, aber für viele hier war das eine echte Neuigkeit. Das hat mich selbst überrascht."

Genützt hat Berg außerdem seine Erfahrung bei der Telekom, wo er auch für die Filialen in den Innenstädten verantwortlich war. Mindestens einen Tag pro Quartal verbrachte er schon damals im Laden und lernte, welche Fragen die Kunden stellen und wie man sie beantwortet. Bergs Erkenntnis: Mobiltelefone werden an der Ladentheke verkauft, nicht am Konferenztisch der Chefetage. "Theoretisch weiß man im Hauptquartier immer alles, aber praktisch haben die wenig Ahnung", sagt er.

Also ließ Berg das Verkaufspersonal nun auf maximalen Absatz drillen. Zum Start des neuen Betriebssystems bekommt jeder Händler eine DIN-A4-Seite mit Argumenten in die Hand, falls die Kunden noch überzeugt werden müssen. Microsoft hat sogar durchgesetzt, dass ein amerikanischer Mobilfunkkonzern 150.000 Stunden Fortbildung investiert, um seine Filialmitarbeiter auf Phone 7 einzuschwören. So etwas ist nach außen unsichtbar, möglicherweise aber kriegsentscheidend.

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