Milliardengrab Landesbank Anatomie des BayernLB-Skandals

Seite 3/6

Als Motiv für das seltsame Manöver nennen die Prüfer „die sehr restriktiven Eigenmittelvorschriften in Südosteuropa“. Für eine klassische Finanzierung muss die Tochtergesellschaft mehr Eigenkapital haben. Weiterer möglicher Vorteil: In Ländern außerhalb der EU unterliegen Leasinggeschäfte nicht der Finanzaufsicht und müssen deshalb weniger transparent sein.

Zudem gibt es Indizien dafür, dass die Bankzentrale in Klagenfurt ihre Eigenkapitalausstattung über komplizierte Transaktionen mit ihren ausländischen Tochtergesellschaften schönte. Scheinbar hat sie dazu ein undurchsichtiges System gegenseitiger Überweisungen, Kreditvergaben und vorzeitiger Rückzahlungen etabliert.

Aus Dokumenten, die der WirtschaftsWoche übersetzt in Auszügen vorliegen, geht hervor, dass etwa die HGAA-Tochter Slavonska Banka in der kroatischen Region Slawonien seit 2001 mehrmals hohe zweistellige Millionenbeträge auf ein Devisenkonto der Mutter zahlt. Laut Vertrag sollen diese dort sieben Jahre bleiben. Das Geld darf laut Vertrag nur vorzeitig zurückgezahlt werden, wenn dafür Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Tochter erworben werden. Das geschieht schon wenig später. Das spricht dafür, dass die Kapitalerhöhung letztlich nur fiktiv stattgefunden hat, weil dafür Mittel der Tochterbank verwendet werden.

"Unerlaubte Generierung von Eigenkapital"

Abgewickelt werden diese Transaktionen über ein HGAA-Konto bei der BayernLB mit der Nummer 8196xxxx (der Redaktion bekannt). In Finanzkreisen heißt es, dass auch die BayernLB von den Geschäften profitiert haben könnte. Die Banken wollen sich unter Hinweis auf das Bankgeheimnis nicht äußern.

In einem Gutachten, das der WirtschaftsWoche in Auszügen vorliegt, kritisieren Inspektoren des kroatischen Finanzministeriums die Praxis. Sie könne bei einer ernsten Krise die Liquidität der Tochterbanken gefährden und dramatische Folgen für die Bankenlandschaft haben.

Wegen einer anderen Konstruktion zur Gewinnung zusätzlicher Mittel wird in Liechtenstein ermittelt. Laut Medienberichten soll die HGAA hier Kapitalerhöhungen mithilfe von Gesellschaften, deren Hintermänner unbekannt waren, durchgeführt und diese selbst mit Krediten finanziert haben. Die liechtensteinische Finanzaufsicht will den genauen Hergang nicht bestätigen, erklärt auf Anfrage aber, dass es sich „aus unserer Sicht dabei um eine unerlaubte Generierung von Eigenkapital innerhalb der Gruppe handelte“.

Flucht nach vorn nach Millionen-Verlust

2006 kommt es zum Knall. Die HGAA wollte 2004 in das Geschäft mit Währungsabsicherungen einsteigen und verlor mehr als 300 Millionen Euro. Die wollte Vorstandschef Kulterer nicht sofort verbuchen, sondern über zehn Jahre strecken. Der zuständige Wirtschaftsprüfer lehnt das jedoch 2006 ab, die Jahresabschlüsse müssen neu erstellt werden. Gegen Kulterer wird von nun an wegen Bilanzmanipulation ermittelt.

Auf die Verluste reagiert er mit einer Flucht nach vorn und zieht das Expansionstempo nochmal an. Die Bank finanziert mit jeweils deutlich mehr als 100 Millionen Euro Hotelprojekte in Kroatien, deren Eigentümer mitunter ihr nahestehende Gesellschaften sind. Geld aus einer geplanten Kapitalerhöhung will sie in den Aufbau von Töchtern in Rumänien, Bulgarien und Mazedonien stecken.

In Deutschland steigt die HGAA beim Snow Fun Park ein, einer künstlichen Wintersportwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Sogar das versuchte Comeback des pleitegegangenen Unternehmerwunderkindes Lars Windhorst begleitet sie und kauft in seinem Auftrag Aktien des Altenheimbetreibers Curanum und des Handyzulieferers Balda.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%