Milliardeninvestitionen Die Superkapitalisten um König Abdullah

Unbeirrt vom stetig sinkenden Ölpreis ziehen die reichen arabischen Staaten ihre Milliardeninvestitionen durch: Rund 400 Milliarden Dollar will Saudi-Arabien in den nächsten Jahren in den Ausbau seiner Infrastruktur investieren - eine Chance für deutsche Unternehmer.

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Sechs Wirtschaftszentren will König Abdullah in den nächsten Jahren in der Wüste hochziehen. Quelle: dpa

DUBAI. Der Ölpreis fällt und fällt. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht, zu dunkel sind die Rezessionswolken über der Weltwirtschaft. Die US-Bank Merrill Lynch hält gar einen Absturz auf bis zu 25 Dollar pro Barrel für möglich, ein Sechstel der Rekordmarke vom Juli. Die Ölförderstaaten am Persischen Golf lassen sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen. "Wir werden in den nächsten fünf Jahren 400 Milliarden Dollar in den Ausbau unseres Landes und die Infrastruktur investieren", verkündet König Abdullah von Saudi-Arabien. Auch der saudische Zentralbank-Chef Hamad al-Sayari singt trotz Finanzkrise die Wachstums-Melodie: "Selbst wenn wir unsere Cash-Bestände anzapfen müssen, wir pauken die Vorhaben durch."

Das Königreich will sechs Wirtschaftszentren ("economic cities") in der Wüste hochziehen. Die spektakulärste Stadt ist die "King Abdullah Economic City", ein 30-Milliarden-Dollar-Projekt für mehr als zwei Millionen Einwohner. Die Metropole am Roten Meer soll über einen Mega-Hafen, Finanzbezirk, Petrochemie- und Pharma-Komplexe sowie Einkaufsmeilen verfügen.

Fachleute halten den Optimismus aufgrund der gigantischen Öleinnahmen der vergangenen Jahre für gerechtfertigt: Die Arabische Halbinsel sitzt immerhin auf 40 Prozent der weltweit nachgewiesenen Reserven. Das renommierte Institute of International Finance (IIF) in Washington schätzt, dass die sechs Golfstaaten 2008 einen Leistungsbilanz-Überschuss von rund 321 Milliarden Dollar einfahren. Sogar bei einem konservativen Ölpreis-Szenario von durchschnittlich 56 Dollar pro Barrel im nächsten Jahr bliebe immer noch ein Plus von 48 Milliarden Dollar. Hinzu kommen die Auslandsvermögen der Staatsfonds in Höhe von 1,5 Billionen Dollar sowie Währungsreserven über mehr als 500 Milliarden Dollar. Das sind Feuerwehr-Mittel, auf die die arabischen Regierungen zur Not zurückgreifen würden, heißt es.

Die Kapital-Knappheit bei den internationalen Banken hat in der Region bislang nicht zu einem Investitionsstau geführt. Für die nächsten fünf Jahre sind Projekte über insgesamt 1,9 Billionen Dollar in Arbeit oder geplant. Der Löwenanteil entfällt dabei auf die traditionellen Wachstums-Motoren Infrastruktur (65 Prozent), Öl und Gas (16 Prozent) sowie Petrochemie (acht Prozent).

Vor diesem Hintergrund rechnet am Golf niemand mit einem Absturz der Konjunktur: Die meisten Schätzungen sagen für 2009 ein Wachstum von rund vier Prozent voraus, nach knapp sechs Prozent 2008. "Die Region verfügt über hohe Öleinnahmen, außerdem benötigt man infolge der stark zunehmenden Bevölkerung mehr Infrastruktur und neue Kraftwerke", betont Ralph Nitzgen, Chef des Commerzbank-Büros in Dubai. Auch Horst Draudt, Direktor der Beratungsgesellschaft Dornier Consulting im Mittleren Osten, bewertet die Lage trotz Liquiditäts-Engpässen zuversichtlich: "Mit einigen Abstrichen wird 2009 genauso vielversprechend wie die vergangenen zwei bis drei Jahre." Die Ölindustrie kalkuliert ohnehin auf lange Sicht. "Die globale Finanzkrise wird nur vorübergehend für eine Preisdelle sorgen, mittel- und langfristig klettern die Preise", meint Malcolm Brinded, Direktor für Exploration und Produktion bei Shell. Vor allem im Mittleren Osten und in Asien werde die Nachfrage bis 2030 steil ansteigen.

Der Ausbau der Energiekapazitäten steht für die Golfländer ganz oben auf der Liste. Bis 2012 sollen rund 150 Milliarden Dollar in den Ölsektor fließen. "Alle Investitionen, die bereits angelaufen sind, werden zu Ende geführt", sagt der kuwaitische Regierungsberater Adnan Shihab-Eldin. Allerdings könne es vereinzelt zu Verzögerungen kommen, insbesondere bei Anlagen mit einem hohen Anteil an Fremdfinanzierung. Das trifft in erster Linie auf Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate zu, weniger auf Saudi-Arabien. So spürt Siemens, der größte deutsche Arbeitgeber am unteren Golf, dass das Geld bei den Kunden nicht mehr ganz so lockersitzt wie in der Vergangenheit. "Seit Mitte September dauert es länger, bis Investitionen angeschoben werden", sagt Joachim Kundt, Mittelost-Chef des Konzerns. Größere und strategisch wichtige Kraftwerksvorhaben würden aber nach wie vor ohne Einschränkungen umgesetzt.

Auch Katar, der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas, lässt sich von sinkenden Rohstoffpreisen nicht abschrecken. 2009 will das Emirat neue Lizenzen für die Erdgasförderung vergeben. Im November hatte bereits die BASF-Tochter Wintershall einen Explorationsvertrag mit 25 Jahren Laufzeit an Land gezogen. Wie alle internationalen Bieter hofft das Unternehmen, bei der Erschließung des Nordfeldes zum Zuge zu kommen. Für das weltweit größte Gasreservoir gilt derzeit ein Moratorium.

Die Aussichten für deutsche Firmen sind in den Bereichen Öl, Gas und Maschinenbau sowie beim Kraftwerks-Bau unverändert positiv. Die Sektoren Chemie und Petrochemie zeigen sich ebenfalls stabil. Als neues Wachstumsfeld haben die Golfstaaten die erneuerbaren Energiequellen entdeckt. Mubadala, die staatliche Investment-Gesellschaft des ölreichen Emirats Abu Dhabi, will bis 2015 die erste CO2-freie Stadt der Welt bauen. Deutschen Solarunternehmen bieten sich hier neue Chancen. Bei der Abwasserreinigung sowie der Abfallentsorgung gibt es ebenfalls Interesse an deutschem Know-how.

Auch die Bauwirtschaft hat Perspektiven. Zwar ist der Immobilienboom der letzten Jahre abgeflacht, was man in den Vereinigten Arabischen Emiraten am deutlichsten sieht. Insbesondere das stark von ausländischem Kapital abhängende Dubai muss wegen der Kreditflaute Projekte auf Eis legen oder streichen. Aber mittelständische Nischenanbieter stehen in der Region nach wie vor hoch im Kurs. Vor allem umweltfreundliches Bauen ("green building") ist angesichts der steigenden Energienachfrage im Kommen.

Bei der "Big 5", der größten Bau-Messe auf der Arabischen Halbinsel, die kürzlich in Dubai stattfand, war von Krisenstimmung jedenfalls nichts zu spüren. "Das Nach-Messe-Geschäft läuft gut, die meisten deutschen Aussteller wollen im nächsten Jahr wiederkommen", sagt Ines Ratajczak von der IHK Ostwestfalen in Bielefeld, der Schwerpunktkammer für den Mittleren Osten.

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