Millionenmarkt Marathon Wer an den Marathon-Läufern verdient

Das Geschäft mit dem Ausdauersport bringt vielen Branchen gutes Geld. Am Millionenmarkt Marathon verdienen unter anderem Reiseveranstalter, Buchverlage und ganze Städte.

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Verpflegungsstation beim New York Marathon Quelle: Laif

Der Countdown läuft. Am 2. November treten 65 Mitarbeiter des Zeitarbeitsunternehmens Adecco zum Abschlusstraining mit Thomas Wessinghage an – kurz darauf fliegen sie mit dem früheren 5000-Meter-Europameister zum New York Marathon. Am 7. November startet der Trupp dann von der Verrazano Bridge zwischen Staten Island und Brooklyn aus beim bekanntesten Marathon-Ereignis der Welt. Seit dem Frühjahr hat Wessinghage mit den Personaldienstleistern Laufübungen absolviert, Trainingspläne aufgestellt und Fitness-Ratschläge via E-Mail erteilt.

Der Ex-Spitzensportler ist als Laufcoach etabliert. Er hat für den Schokoladenhersteller Barry Callebaut, die Allianz oder den IT-Großhändler Herweck aus dem saarländischen Kirkel Angestellte und Kunden für die 42,195 Kilometer langen Marathonstrecken fit gemacht. Wessinghage hat viele Laufbücher geschrieben und hält Vorträge. Und bringt dabei auch Kompetenz als Mediziner ein: Der 22-fache Deutsche Meister arbeitet mittlerweile als Ärztlicher Direktor einer Klinik in Bad Wiessee.

Marathon spült Geld in die Kassen

Die Geschäfte laufen gut – nicht nur bei Wessinghage. Zwar klagen viele Marathon-Veranstalter seit dem Jahr 2005 über rückläufige Teilnehmerzahlen – viele Läufer wollen sich den Tort nicht mehr antun und wechseln lieber auf die gemütlichere Halbmarathondistanz. In der Krise sind zudem Sponsoren abgesprungen. Doch noch immer lässt sich mit der Lauf-Kundschaft gutes Geld machen. Vom Geschäft mit dem Ausdauersport profitieren etwa Hoteliers, Gastronomen, ganze Städte, Getränkeabfüller, Buchverlage und natürlich Hersteller von Laufschuhen und -kleidung. Oder auch Mittelständler wie Mika Timing aus Bergisch Gladbach bei Köln, die jährlich bei 200 Sportveranstaltungen die Zeitmessung vornimmt – meist über einen Chip am Laufschuh. Insgesamt dürften sich die Marathon-Einnahmen in Deutschland auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag summieren.

Mehr als 60 Millionen Euro fallen laut Schätzungen allein beim Berlin Marathon an, dem größten deutschen Laufereignis. Von den etwa 40.000 Teilnehmern, die dort Ende September an den Start gingen, stammten nur 5000 aus der Region Berlin-Brandenburg. Viele der auswärtigen Marathon-Teilnehmer übernachteten samt Anhang im Hotel. Die Hoteliers freuten sich über mehr als 100.000 zusätzliche Übernachtungen. Restaurants und Geschäfte spürten den Berlin Marathon ebenfalls in der Kasse.

Top-Athleten sorgen für Aufmerksamkeit

Andere Städte berichten ebenfalls von Mehrumsätzen: In Köln sind es 24 Millionen, in München 13 Millionen Euro. Hinzu kommt der positive Image-Effekt: Etwa die Hälfte der auswärtigen Teilnehmer, die sich erst durch München quälten und dann im Ziel die totale Euphorie erlebten, sahen die Stadt danach in besserem Licht.

Auch finanziell scheint es sich für die Kommunen zu lohnen. Beim Berlin Marathon fallen etwa acht bis zehn Millionen zusätzliche Steuereinnahmen für Bund und Land an. Die Kosten hingegen sind überschaubar – sie betreffen vor allem die Sicherung der Strecke. Der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig hat die zusätzlichen Kosten für den Einsatz der Polizeikräfte beim Berlin Marathon einmal auf etwa 470.000 Euro kalkuliert.

Ansonsten wird das Lauf-Event vom Sport-Club Charlottenburg (SCC) organisiert. Dessen Marathon-Etat, finanziert durch Startgelder ab 60 Euro pro Teilnehmer sowie Sponsorenbeiträge dürfte vier bis fünf Millionen Euro erreichen. Von 2011 an grüßt der Münchner Automobilkonzern BMW als Titelsponsor des Berlin Marathons

Haile Gebrselassie Quelle: dpa

Einen Teil der Einnahmen gibt der SCC für die Top-Athleten aus, die dem Marathon die nötige Aufmerksamkeit sichern sollen. Bereits mehrmals war in Berlin der aktuelle Weltrekordhalter (Bestzeit: 2:03:59 Stunden) Haile Gebrselassie am Start. Doch bevor der äthiopische Wunderläufer die Schuhe schnürt und die Zuschauer begeistert, fließt richtig Geld. "Haile startet meiner Erfahrung nach nicht unter 250.000 Euro", sagt der frühere deutsche Spitzenläufer Stéphane Franke.

Auch bei den Damen wird gelöhnt: Dem Veranstalter des Londoner Marathons sollen vier Starts der englischen Spitzenläuferin Paula Radcliffe insgesamt 1,5 Millionen Euro wert sein. Und das sind nur die Antrittsgagen – nicht eingerechnet sind Prämien für gute Zeiten und den Sieg sowie Sponsoren-Gelder.

Selbst die sogenannten Hasen, die für die Stars Tempo machen und ihnen, wenn nötig, Windschatten spenden, kassieren je nach gelaufener Strecke und Geschwindigkeit zwischen 3000 Euro plus Reisekosten und mehr als 10.000 Euro. Für die besten Hasen kommen noch Prämien für Bestzeiten oder Streckenrekorde dazu.

Grafik: Die größten deutschen Marathon-Läufe

Mitunter steigt die Verdienstmöglichkeit sogar während des Rennens. Laufexperte Franke erinnert sich an einen kenianischen Tempomacher beim Berlin Marathon, der bei Kilometer 25 aussteigen wollte. Der Manager, erzählt Franke, rief dem Läufer zu, dass er eine Extra-Prämie für jeden weiteren Führungskilometer bekommen würde: "Der lief dann noch bis Kilometer 30 weiter."

Das Gros der Läufer zahlt für das kräftezehrende Vergnügen. Schließlich fällt nicht nur das Startgeld an; auch Ausrüstung und Ernährung müssen stimmen.

Auf den zahlreichen Marathon-Messen rund um die großen Läufe buhlen Unternehmen um die Gunst der Läufer. Tourismusveranstalter legen ihre Prospekte für Marathon-Reisen nach New York, London oder Mallorca aus. Konzerne wie PepsiCo (Gatorade) oder Coca-Cola (Powerade) bieten isotonische Sportlergetränke oder Powerriegel feil.

Ambitionierte Hobbyläufer können sich in diversen Marathon-Ratgebern Tipps für ihre Fitness holen, etwa von Wessinghage oder dem mehrfachen Marathon-Olympiateilnehmer Manfred Steffny. Wer es lieber lustig mag, liest die Lauferlebnisse von "Achim Achilles". Etwa 6000 Titel führt Amazon.de zum Thema Marathon.

Asics ist die Nummer eins im Laufgesschäft

Den meisten Platz auf den MarathonMessen nehmen die Hersteller von Laufschuhen ein. Der japanische Sportkonzern Asics ist bei Wettkampfschuhen mit mehr als 40 Prozent Marktanteil die unangefochtene Nummer eins. Dahinter folgen Adidas und Nike. Puma will spätestens zu den Olympischen Spielen 2012 in London Anschluss finden an die Spitzengruppe.

Hinter den Schwergewichten finden auch Marken wie New Balance, Brooks, Saucony (alle USA) und Mizuno (Japan) ihre Fans. Läufer gelten als konservativ: Haben sie einmal den passenden Schuh gefunden, halten sie ihm die Treue. 300 Millionen Euro macht der Markt für Laufschuhe in Deutschland pro Jahr aus.

Auch Neulinge mischen das Feld auf – wie etwa die Brüder Lars und Ulf Lunge, die in Hamburg und Berlin Laufsportgeschäfte betreiben. Anders als bei Adidas und Puma stammen die Lunge-Latschen nicht aus Asien, sondern aus einem Kuhstall in Brandenburg. In dem umgebauten Ziegelbau fertigen die Brüder mit knapp 15 Mitarbeitern ein paar Tausend Paar Schuhe pro Jahr – ein Klacks im Vergleich zu den Produktionszahlen der Riesen. Mit 200 Euro sind die Schuhe auch deutlich teurer. Dafür versprechen die Lunges ihren Kunden, dass die Laufschuhe länger halten.

Mit einen speziellen Konzept ist auch die Familienfirma Bär aus Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart dabei. Bär, eigentlich ein Spezialist für Bequemtreter, stattete den deutschen Extremläufer Achim Heukemes für den berüchtigten Badwater Ultramarathon im kalifornischen Death Valley mit dem High Performance 2.5 aus. Der Laufschuh unterscheidet sich schon optisch von anderen Modellen: Der Vorderfußteil ist breiter. So hätten die Zehen mehr Freiheit, erklärt Firmengründer Christian Bär.

Derart ausgerüstet machte sich Heukemes auf die 217 Kilometer lange Strecke – die fünffache Marathondistanz. Er überwand 4000 Höhenmeter und schwitzte bei bis zu 52 Grad Celsius. Nach etwas mehr als 33 Stunden kam er als 14. ins Ziel.

Am Ende der Leiden zeigten seine Füße keine Blasen. "Andere Läufer verbrauchen beim Lauf durch die Mojave-Wüste im Durchschnitt zehn Paar Schuhe", sagt Bär und grinst. Bei bis zu 80 Grad Bodentemperatur verbogen sich schon manchem Läufer die Sohlen oder für die Dämpfung gedachte Gelkissen. Heukemes dagegen kam mit einem Paar aus.

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