Mimikry-Marketing "Kauf dich glücklich"

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Markenauthentizität ergibt sich weniger aus dem Nachweis von Fakten, sie ist vielmehr ein kulturelles Konstrukt. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Christoph Burmann, der den bundesweit einzigen Lehrstuhl für „innovatives Markenmanagement“ innehat, geht noch einen Schritt weiter. Der objektive Wahrheitsgehalt einer Markenwerbung sei im Hinblick auf die Anmutung von Authentizität „im Prinzip gar nicht relevant“, so Burmann: „Wenn das Verhalten einer Marke ihr Selbstbild beglaubigt, wenn sie es also schafft, dass eine motivierte Mannschaft diese Identität konsequent kommuniziert, dann wirkt sie authentisch.“

Selbst eine original sizilianische Pizza, die in Mexiko hergestellt wird, wirkt authentisch, wenn ihre Inszenierung sich in ihr Selbstbild fügt. Marken flottieren zwischen Fakten und Fiktion. Entscheidend ist, dass die Grenze zwischen Verführung und Täuschung des Nachfragers nicht überschritten wird: Der Kunde möchte geködert, aber nicht belogen werden.

Die Lebensmittelmarke Bertolli verstieß – ungestraft – gegen dieses Markengebot, indem sie in ihrer Werbekampagne für „Pesto verde“ ein „original italienisches Rezept“ versprach, dem dummerweise die Zutaten nicht entsprachen. Statt „Pinienkernen“ und „feinstem Bertolli Olivenöl“ wurden vor allem Cashewnüsse und Sonnenblumenöl benutzt. Der Anspruch auf Authentizität schlägt hier in sein Gegenteil um, die Mimikry wird überdehnt. Dass in einem der leckeren Bertolli-Werbespots für Pasta-Sauce italienische Mammas in Kittelschürzen mit riesigen Holzlöffeln in monumentalen Töpfen rühren, gehört hingegen zur branchenüblichen Inszenierung von „Italianità“, die nur naive Kunden für die Wirklichkeit halten können.

Dem Gründer der Verbraucherorganisation Foodwatch geht selbst das zu weit: „Alles falsch, alles Schwindel und Kulisse“, grollt Thilo Bode und weist an einer Fülle von Beispielen akribisch nach, dass „Verbrauchertäuschung“ zum „ganz normalen Handwerk“ der Lebensmittelkonzerne gehört. Die Produkte, so Bode, scheinen regelmäßig hochwertiger, als sie sind. Vor allem: Sie ritten „gnadenlos auf der Regional- und Traditionswelle“, gaukelten dem Kunden eine Herkunft vor, die mit der Wirklichkeit so gut wie gar nichts zu tun habe.

Kostüm und Kulisse

Der Schwarzwälder Schinken zum -Beispiel, der auf der Verpackung mit Bollenhüten und dem Hinweis auf „traditionelle Art“ daherkomme, würde in Wahrheit aus Fleisch hergestellt, das niedersächsischen oder holländischen Schweinemastbetrieben entstamme. Klar, dass das dem Volksaufklärer Bode nicht gefällt. Dabei übersieht er, dass die Warenkunde auf der Rückseite eines Etiketts etwas ganz anderes ist als die Werbung auf der Frontseite. Während jene informieren muss, will diese unterhalten und locken. Werbung lebt vom Spiel zwischen Schein und Sein, sie appelliert an die Einbildungskraft der Kunden und strickt am Mythos der Marke.

Und das gelingt ihr umso überzeugender, wenn die Marke mit einer Herkunftsgeschichte fundiert wird. Automobilhersteller wie Mercedes oder Porsche wissen das zu nutzen, indem sie in ihren Museen ihre Corporate Identity feiern und dem Geist und der Geschichte der Marken ein architektonisches Denkmal setzen. Jüngere Marken legen sich sogar eine Herkunftslegende zu: So tritt das 2001 gegründete Unternehmen Alandia, das auf den Vertrieb von Absinth spezialisiert ist, wie eine Marke à la 1900 auf; die Historie dient ihr als Kostüm und Kulisse, die es erlaubt, auf die Tradition der Absinth-Herstellung in der Belle Époque hinzuweisen.

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