Mimikry-Marketing "Kauf dich glücklich"

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„Das ist der Vorteil junger Marken“, sagt Marketingexperte Burmann, „sie können die Erwartungen der Nachfrager bei der Kreation der Marke durch gezielte Inszenierungseffekte selbst festlegen und so das Image der Marke steuern.“ Im Idealfall verwandelt sich die Marke ihrem Adressaten in einer Art von freundlicher Mimikry an, ohne sich dabei groß verstellen zu müssen. So wie der Modeladen „Kauf dich glücklich“ am Düsseldorfer Carlsplatz: Die Buchstaben des Slogans über der Eingangstür wirken wie gerade eben aus ein paar Zeitungen zusammengeklebt, die Kleidungsstücke hängen an durchgebogenen, an der Decke festgedübelten Stangen, an den Wänden der Umkleide sind scheinbar achtlos Schwarz-Weiß-Fotos aus den Fünfzigerjahren montiert. Alles wirkt so hübsch hausgemacht und improvisiert, gemütlich, irgendwie anheimelnd und sympathisch unetabliert.

Doch dieser Krimskramsladen ist kein Unikat, im Gegenteil, er gehört zu einer kleinen Kette mit sechs Filialen in Berlin, Bremen, Dresden, Hamburg, Münster und Stuttgart. Das junge Unternehmer-Duo Andrea Dahmen und Christoph Munier setzt auf ein geordnetes Durcheinander: viel Mode, dazu Kaffee, Waffeln und Eis. Es darf ruhig ein bisschen zugehen wie in der Villa Kunterbunt.

Der Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich findet, dass das Konzept der beiden als Kontrastbild „zu den perfektionistischen, erhaben wirkenden Inszenierungen der etablierten Marken“ aufgehen könne. Anders als in den durchgestylten Concept-Stores der jungen Sportmarken und in den Modetempeln auf Ku’damm und Königsallee kann sich der Kunde hier dem wohligen Gefühl hingeben, sich in seinem Alltag begegnen zu dürfen – gerade wenn er weiß, dass hinter der Alltaginszenierung ein ausgeklügelter Businessplan steckt.

Starbucks inkognito

Die Normalität zu inszenieren – das ist auch das Erfolgsrezept des Kaffeekettengiganten Starbucks. Die Amerikaner haben das Mimikry-Konzept sozusagen auf die Spitze getrieben. Die Logos der weltweit 17.000 Cafés annoncieren dem jungen Aufsteiger-Publikum seine Weltläufigkeit und Internationalität. Einerseits. Andererseits sind die Läden den Erfolgreichen an ihrem Studienort eine Heimstatt.

Ausgerechnet in Seattle, dem Firmensitz von Starbucks, ist man sich dieser Doppelbödigkeit besonders bewusst. Drei Cafés tragen deshalb kein Starbucks-Logo mehr und verkleiden sich so, als ob sie von harmlosen jungen Idealisten geführt würden. Statt der üblichen Fauteuils sind sie eingerichtet mit Fundsachen vom Flohmarkt. Im „15th Avenue Coffee and Tea“ wird auch Bier und Wein serviert – und ab und zu lesen Autoren aus ihren Büchern. Die globale Marke täuscht Regionalität vor: Wer als Kaffeetrinker entdecken will, bei wem er hier eigentlich zu Gast ist, muss schon unten auf die Karte schauen: „Inspired by Starbucks“. 

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