Mittelständler wie Trigema - erstens auf dem Lande, zweitens mit vielen Produktionsarbeitsplätzen - stehen vor folgendem Problem: Es gibt weniger Nachwuchs und von diesem Nachwuchs studieren immer mehr Leute. Damit geht der Anteil derer zurück, die in der Produktion arbeiten wollen. Einer mit Abitur will keinen Blaumann und keine Gummistiefel anziehen, um in unserer Färberei zu arbeiten. Und ein Mädchen mit Abitur will keine Näherin werden. So jemand strebt ins Büro und meint möglichst viel Geld verdienen zu können. Wir brauchen gestandene junge Leute, die nicht weniger Intelligent sind als die, die nur am Schreibtisch sitzen wollen.
Um vor diesem Hintergrund unsere Zukunft zu sichern, bilden wir schon immer so viel wie möglich aus. Zurzeit sind das knapp 50 Lehrlinge bei 1200 Beschäftigten. Wir wissen, dass wir auf uns selbst und auf die Menschen in unserer Umgebung angewiesen sind. Es kommt doch niemanden aus dem Raum Stuttgart, eine Autostunde entfernt, zu Trigema, nach Burladingen auf die Schwäbischen Alb, um dort die große Zukunft seines Lebens zu suchen!
Die Aus- und vor allem Weiterbildung unserer Mitarbeiter nimmt einen großen Stellenwert in unserem Unternehmen ein. An unseren Produktionsmaschinen benötigen wir heute hochqualifizierte Kräfte mit einem fundierten Fachwissen.
Gerade bei Arbeitskräften für die Produktion, die man gern als gering qualifiziert bezeichnet, haben wir gar keine andere Wahl, als das benötigte Personal in unserer Region zu suchen. Wir machen es deshalb so, dass wir die Stärksten unter diesen Leuten auswählen, sie ausbilden und fördern. Deshalb ärgert es mich, wenn ich das Gejammere über die sogenannten Geringqualifizierten höre, nur weil diese durch irgendwelche pseudowissenschaftlichen Raster bei Einstellungstests fallen. Wenn man sich um diese Leute richtig bemüht und sie motiviert, dann entwickeln sie auch Stärken und die nutzen wir. Einer, der schlecht in Mathematik ist, kann dafür etwas anderes; dies muss man nur herausfinden.
Unternehmen haben selbst schuld
Im Versand oder im Lager etwa beschäftigen wir durchaus einfacher gestrickte Mitarbeiter, die wir aber so auf ihre Tätigkeit einstimmen, dass sie absolut topp sind. Bei einem Großkonzern würden sie wahrscheinlich nicht einmal angeschaut werden; bei uns aber bringen sie auf ihrer Position, nach einer gewissen Einarbeitungszeit, Spitzenleistung. Wir nehmen immer mehr Lehrlinge auf, als wir für bestimmte Tätigkeiten brauchen. Wer den benötigten Anforderungen nicht gerecht wird, bekommt dann eben eine einfachere Stelle. Auf diese Weisen konnten wir unsere Stellen in der Produktion bisher problemlos besetzen.
In der Verwaltung haben wir kein Problem Mitarbeiter zu finden, obwohl zum Beispiel Bosch im benachbarten Reutlingen wahrscheinlich besser bezahlt. Wer partout dort hin will, der bewirbt sich erst gar nicht bei uns. Die Kinder unserer Mitarbeiter aus der Region dagegen freuen sich, wenn sie zu Trigema kommen dürfen. Die Unternehmen, die jetzt über Nachwuchsmangel klagen, haben kein Recht zu jammern. Sie haben das alles selbst verursacht. Vor gut zehn Jahren haben viele Konzerne Ingenieure Anfang fünfzig in den Vorruhestand geschickt. Wenn die Kinder anschließend selbstverständlich Ingenieure werden wollten, dann hat sicher der Papa ihnen gesagt: Du siehst doch, dass ich im Vorruhestand sitze, also wirst Du kein Ingenieur, sondern Lehrer!
"Man muss nur richtig motivieren"
Ich fand es schon immer unsinnig, dass Unternehmer sich bei Politiker beschwerten, die Ausbildung sei zu teuer und deshalb könnten sie nicht mehr ausbilden. Diese Unternehmen wollten offenbar keine Mitarbeiter mehr; denn der gute Menschenverstand musste einem doch sagen, dass dann irgendwann die fähigen Leute fehlen. Ausbildung muss deshalb schon aus purem Eigeninteresse an erster Stelle stehen.
Natürlich stehen Mittelständler bei der Suche nach Personal immer in Konkurrenz zu Konzernen; wir zum Beispiel bei der Suche nach Arbeiterinnen für die Näherei. Da müssen wir uns etwa gegen Firmen wie Aldi durchsetzen. Deshalb ist es übrigens auch falsch zu glauben, wir könnten unter Tarif bezahlen. Wenn ich eine gute Näherin behalten will, muss ich ihr selbstverständlich so viel bezahlen, dass sie kein Interesse hat sich anderes wo zu bewerben.
15 Dinge, die Sie noch nicht über Wolfgang Grupp wussten
Er ist der Mann mit dem Affen. Das klingt nicht sehr nett, aber der Affe hat Wolfgang Grupp zum vermutlich bekanntesten Mittelständler Deutschlands gemacht. Grupp wirkt eitel, gilt aber als einer von Deutschlands Vorzeigeunternehmern. Mehr über sein Leben, seine Ansichten und seine Marotten.
1990 kaufte Grupp die Rechte an einem Affenspot, der ursprünglich für Toyota gedacht war. Es ließ sich leicht ein neuer Text über die Bilder legen. Danach drehte Trigema eigene Spots mit Schimpansen. Seit 1996 gibt es den heute bekannten Spot.
Im Hubschrauber: Die nächste Autobahn recht weit entfernt. Die Bundestrasse zu stark frequentiert. Das ist nichts für einen ungeduldigen Macher. Der 1995 gekaufte Bell Jet Ranger trägt natürlich das Trigema-Logo.
Sie hat ein Reetdach. Grupp entdeckte seinen Faible für Reetdach-Häuser während eines Urlaubs auf Sylt. Er wünschte sich Wohnlichkeit und Wärme, und dazu passte dieses Material am besten. Außerdem kennzeichnet die Villa der Rittersaal unterm Dach.
Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer: Josef Mayer, Grupps Großvater, gründete die Firma 1919/20 und überstand als Unterwäschehersteller auch die schwierigen 20-Jahre sehr gut. Nach dem zweiten Weltkrieg fiel ihm die Umstellung leichter als anderen Unternehmen in der Region, die sich auf Uniformen spezialisiert hatten.
Wolfgang Grupp besitzt eine 400 Hektar große Eigenjagd im Allgäu. Schon als Jugendlicher liebte er es, hoch zu Ross hinterm Wild herzujagen.
Romantischer geht es kaum: 1986 ging Grupp auf Auerhahnjagd in der Obersteiermark. Während der Jagd besuchte der damals 44-Jährige einen Freund. Der Baron hatte eine 22-jährige Tochter. Fortan konnte Grupp die Schönheit nicht mehr vergessen.
Er ließ sich eine sehr große Begräbnisstätte errichten: Umfriedet von einer hohen Mauer liegt die Grabstätte für seine Familie angelegte inmitten einer 600 Quadratmeter großen Grünflache. Ein kleines, frei zugängliches Areal am Rande des eigentlichen Friedhofes.
Manchettenknöpfe, Einstucktuch und schmale Krawatte - Grupps akkurate Kleidung hat sich praktisch nicht verändert: Maßanzug, meisten auffällig gestreiftes Hemd, Kragen und Manchetten weiß, schmale Krawatte und Einstucktuch in den Farben des Hemdstoffes.
Es ist ein Großraumbüro, dass er sich mit Mitarbeitern teilt: In den 70er-Jahren hat sich Grupp ein Großraumbüro entworfen, das er gemeinsam mit Verwaltungsangestellten belegt. Wenn sich seine ehrliche Empörung, wofür er durchaus bekannt ist, in großer Lautstärke Luft macht, bekommen das also einige Mitmenschen zu hören.
Josef Mayer war für seinen Enkel als Mensch und Unternehmer das größte Vorbild. Zwischen Wolfgang Grupp und seinem Vater entwickelte sich ein veritabler Generationenkonflikt. Der Sohn nahm es dem Vater übel, dass er mit dem Unternehmen allzu arg expandierte, wodurch Trigema ins Schlingern geriet.
Das Äußere musste für ihn schon als Jugendlicher stets erstklassig sein. Daher bat er Eltern und Verwandte, ihm Geld zu schenken statt Gegenständen. Wolfgang sparte und kaufte sich 1962, mit 20 Jahren, eine teure, ultraflache Uhr. Er trägt sie bis heute voller Stolz.
Er schlüpfte persönlich in das Nikolaus-Kostüm. Bonita und Wolfgang junior merkten irgendwann, dass ihr Vater selbst in dem Kostüm steckte, ließen es sich aber lange nicht anmerken. Grupp übernahm diese Job, weil ihm im Jahr zuvor der Auftritt des engagierten Gabenbringers nicht gefallen hatte.
1987 kam es zum Bruch zwischen Grupp und Aldi-Nord: Der Discounter wollte, dass die Ware nicht mehr unter dem Label Trigema, sondern als Eigenmarke in die Regale kam. Dazu gehörte ein Preisnachlass von 40 Prozent. Grupp verzichtete lieber auf den Umsatz von 25 Millionen Mark jährlich.
Pünktlich vor sieben Uhr springt er in den Pool und schwimmt acht Bahnen, das entspricht 360 Metern. Das tut er auch im Winter bei Minusgraden, allerdings lässt Grupp das Wasser dann auf 19 Grad temperieren.
Weil er wegen Raserei drei Punkte in Flensburg kassierte. Grupp wollte stets ein Vorbild an Disziplin sein und hielt sich streng an seine Regeln. Umso mehr ärgerte er sich über den Verkehrsdelikt.
Mittelständische Firmen, die nicht selten noch die Betriebsfamilie hochhalten, haben natürlich gegenüber den Konzern den großen Vorteil Nachwuchs gegenüber ihre Betriebsfamilie in den Vordergrund zu stellen. So sind für uns zum Beispiel die Familien der Mitarbeiter ein wichtiges Reservoir. Um das auszuschöpfen, garantiere ich jedem Kind eines Mitarbeiters mit Selbstverständlichkeit nach der Schule einen Arbeitsplatz in unserem Unternehmen. Das führt dazu, dass es bei uns eine Familie bis heute auf insgesamt 197 Jahre Betriebszugehörigkeit gebracht hat.
Jeder hat seine Stärken
Meine erste Sekretärin zum Beispiel ist 36 Jahre alt und seit über 20 Jahren bei Trigema; ihr Vater ist Garagenmeister und ist im 50. Jahr bei uns und dessen Mutter arbeitete auch 25 Jahre bei Trigema. Natürlich muss das Kind eines Mitarbeiters, dem wir eine Stelle garantieren, gut sein. Negativerfahrungen mit Kinder unserer Mitarbeiter haben wir bisher noch nie gemacht, da im Zweifelsfalle die Eltern rechtzeitig dafür sorgen, dass das Kind auch den Erwartungen entspricht, denn sonst wären ja die Eltern blamiert.
Als ich vor 45 Jahren nach meinem Studium in Köln bei unserer Firma anfing, machte ich eine entscheidende Erfahrung. Ich brauchte einen Mitarbeiter aus dem Versand, der sich speziell um die Aufträge meiner damaligen neuen Trigema-Tenniskollektion kümmern sollte. Es wurde mir ein junger Mann zugeteilt, den die anderen nicht wollten, weil man ihn als weniger intelligent einschätzte. Ich habe mich um ihn gekümmert, mit ihm alles persönlich gemacht und er war so motiviert, dass er später Abteilungsleiter wurde. So habe ich aus einem angeblich unqualifizierten schwachen Mitarbeiter für uns eine Spitzenkraft gemacht. Man muss die Leute nur richtig motivieren und dann ihre Stärken erkennen!
Handfeste Hausfrauen
Dies ist bei uns kein Einzelfall. Für unsere Trigema-Testgeschäfte bewerben sich fast nur bodenständige, handfeste Hausfrauen, keine geschulten Verkäuferinnen. Diese Frauen arbeiten sich ein und können problemlos später auch das Testgeschäft leiten. Trigema hat übrigens mit einer einzigen Ausnahme nur ehemalige Lehrlinge in Leitungsfunktion. Das zeigt: Wir müssen in Deutschland mit Blick auf den demografischen Wandel aufpassen, dass wir die Arbeit in der Produktion nicht als etwas für Minderbegabte darstellen. Auf diese Weise bringen wir unsere Industrie um ihre Basis. Wir brauchen auch künftig junge Leute, die einen Schraubenzieher in die Hand nehmen und damit etwas machen können. Die technisch Versierten nicht Studierten werden sicher zukünftig begehrter sein, als diejenigen mit Abitur oder Hochschulabschluss, die nur noch am Schreibtisch sitzen möchten.
Ausländer oder Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gehören schon immer zu unserer großen Betriebsfamilie. Wir haben über 25 verschiedene Nationen in unserer Firma: Türken, Griechen, Italiener, Thailänder, Russen, Kroaten, Chinesen und so weiter. Das liegt auch daran, dass wir viele Produktionsarbeitsplätze haben - im Gegensatz zu denjenigen, die diese ins Ausland verlagert haben. Diese Ausländer haben wir aber nicht aus dem Ausland angeworben. Das haben die Konzerne gemacht. Als diese dann ihre Arbeitsplätze immer mehr ins Ausland verlagerten, wurden viele Ausländer entlassen, und die bewarben sich dann bei uns.
Gegenüber staatlichen Anreizen, die Erwerbsneigung etwa von Frauen zu steigern, bin ich generell skeptisch. Wenn der Ehemann genügend Geld verdient und die Frau dann zu Hause bei den Kindern bleibt, bringen wirtschaftliche Anreize nichts. Bei Durchschnittsverdienern ist das anders. Bei uns arbeiten vielfach Ehefrauen von Männern, die in den Maschinenfabriken der Region beschäftigt sind. Die kommen oft zu uns und fragen, ob sie bei Trigema nähen können.
Allerdings muss die Politik darauf achten, dass die Summe aus Kindergeld und dem künftigen Betreuungsgeld nicht so hoch wird, dass sich für Frauen im unteren Lohn- und Gehaltsbereich die Arbeit finanziell nicht mehr lohnt.