100 Prozent Grupp

Quote beleidigt Frauen

Aufsichtsräte sollen bald einen festen Frauenanteil haben. Wären Mittelständler dazu gezwungen, würden sich viele weibliche Führungskräfte brüskiert fühlen.

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Ab 2016 soll in den Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen eine Frauenquote Pflicht werden. Quelle: dpa

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas wollen jetzt endgültig die Frauenquote in Aufsichtsräten deutscher Konzerne durchsetzen, weil die Unternehmen viel zu wenig weibliche Vertreter in ihren Kontrollgremien haben. Unabhängig davon, ob die beiden Sozialdemokraten damit den Firmen schaden oder nicht, für viele Mittelständler mutet die Diskussion wie von einem anderen Stern an.

Insbesondere für Familienunternehmen hat sich das Thema durch die betriebliche Praxis in vielen Fällen erledigt. Wenn es sich nur irgendwie organisieren lässt und die Frauen dies wollen, stehen ihnen hier in der Realität fast alle Führungspositionen offen.

Aus dem Professor wird "Professx"
Mit dem X gegen KlischeesLann Hornscheidt, Professorin an der Berliner Humboldt-Universität, möchte mit einer kleinen Wortänderung traditionelle Geschlechterrollen in der Sprache aufbrechen. Häufig fühlten sich Studierende diskriminiert, weil sie als „Herr“ oder „Frau“ angesprochen würden, sagte Hornscheidt. Die Wissenschaftlerin am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien schlägt vor, etwa von „Professx“ statt von „Professor“ oder „Professorin“ zu sprechen. Die neutralen Endungen entfernten den Zwang, sich einem Geschlecht zuordnen zu müssen. „Die x-Form soll deutlich machen: Es gibt auch noch mehr als Frauen und Männer.“ Quelle: Fotolia
Schön dem Herrn Professorin zuhörenGleichberechtigung schön und gut. Eine Radikalkur in Sachen Feminismus gibt es an der Uni Leipzig: Dort sind Männer jetzt auch Frauen - zumindest sprachlich. Denn die neue Verfassung der Universität sieht nur noch weibliche Bezeichnungen vor. Schrägstrichbezeichnungen wie "Professor/in" entfallen und werden durch die weibliche Form ersetzt. So ist mit "Professorin" künftig auch ein Mann gemeint, worauf dann eine Fußnote verweisen soll. Die neue Grundordnung ist zwar noch nicht in Kraft getreten - doch mit einem Widerspruch rechne man nicht. Quelle: dpa
Frauenquote für StraßennamenFür Schlagzeilen sorgt die Gender-Debatte immer wieder. Derzeit steht die Namensgebung für Straßenschilder in Berlin-Kreuzberg im Blickpunkt: Das Jüdische Museum (Foto) möchte seinen Vorplatz nach dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn benennen. Doch die Verwaltung sperrt sich dagegen, denn in dem Stadtteil gibt es seit 2005 eine Frauenquote für Straßennamen. Demnach muss die Hälfte  der Straßen und Plätze nach Frauen benannt werden. Bis die Quote erreicht ist, dürfen nur noch weibliche Namen vergeben werden. Quelle: REUTERS
Änderung der österreichischen NationalhymneNach langem Rechtsstreit hat Österreich seine Nationalhymne geändert, und ehrt nun nicht mehr nur die „Heimat großer Söhne“ sondern auch der „Töchter“. Aus "Heimat bist du großer Söhne, Volk, begnadet für das Schöne" wurde nach jahrzehntelangen Debatten ab Januar 2012 in der ersten Strophe: "Heimat großer Töchter und Söhne, Volk, begnadet für das Schöne". Geändert wurde auch die dritte Strophe der von Paula Preradovic gedichteten Bundeshymne: Statt „Einig lass in Bruderchören, Vaterland dir Treue schwören" werden nun „Jubelchöre" besungen. Das von manchen bevorzugte "Heimatland" statt "Vaterland" konnte sich hingegen nicht durchsetzen. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Mädchen mit Pistolen in SchwedenSchweden gilt nicht ohne Grund als Vorreiter in Sachen Gleichstellung. Weihnachten 2012 nahm das neue Ausmaße an: Nach massiven Beschwerden über Rollenklischees in einem Spielzeug-Katalog wurde ein geschlechtsneutraler Katalog herausgebracht. Darin posieren kleine Mädchen mit Spielzeugpistolen, Fußbällen und Autos. Kleine Jungs dürfen dafür mit dem rosa Friseur-Set spielen oder Hunde, die mit Schleifchen dekoriert wurden, Gassi laufen. Quelle: dpa
Geschlechtsneutrale Vorschule in SchwedenUnd noch einmal Schweden. Dort gibt es eine umstrittene geschlechtsneutrale Vorschule namens „Egalia“. In der Einrichtung sollen die Kinder sich so entwickeln, wie sie es möchten, ohne in stereotype Rollenbilder gedrängt zu werden. Die Worte „Junge“ und „Mädchen“ werden nicht in den Mund genommen, stattdessen sagen die Erzieher/innen „Freunde“. Auch bei der Auswahl der Spielsachen werden Klischees vermieden. So gibt es etwa kein einziges Märchenbuch, weil Märchen Klischees vermitteln; traditionelle Lieder wurden umgedichtet. Quelle: dpa
Unisex-Toiletten in BerlinDer Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nimmt sich all jenen an, die sich beim Toilettengang nicht entscheiden können, welche Tür sie nehmen sollen. Wer sich weder als Mann, noch als Frau fühlt, soll zukünftig in öffentlichen Gebäuden Unisex-Toilette nutzen können. Quelle: dpa/dpaweb

Zwar ist jedes Unternehmen anders, was die Produkte, die Beschäftigten und die Tradition betrifft. In der Metallverarbeitung oder in stark technisch ausgerichteten Firmen sind Frauen in Führungspositionen allein schon deshalb selten, weil sich noch immer zu wenige Frauen für technische Berufe interessieren. Eine Ausnahme ist Nicola Leibinger-Kammüller, die Chefin des schwäbischen Anlagenbauers Trumpf, die beweist, dass Führungspositionen auch in Hightech-Firmen mit Frauen bestens besetzt sein können.

Wer führen will, muss Familie hinten anstellen

Dennoch möchte ich an dieser Stelle einmal gern schildern, welche wichtige Rolle Frauen in Führungspositionen bei Trigema spielen, ohne dass ich dies zu sehr verallgemeinere.

Vorneweg: Von unseren rund 1.200 Mitarbeitern ist die Mehrheit, rund 700, Frauen. Das liegt daran, dass wir sehr viele Näherinnen beschäftigen. Damit ist der Chef der Konfektion, also dort, wo die Kleidungsstücke genäht werden, bei uns schon immer eine Frau. Das ist bei uns selbstverständlich. Natürlich muss diese Frau bereit sein, uns Vollzeit zur Verfügung zu stehen, das heißt, ihre Familie schon etwas hinten anstellen. Diese Frau muss sagen, meine erste Aufgabe ist diese Führungsposition. Diese Frauen haben wir unter unseren Mitarbeiterinnen immer gefunden. Deshalb haben wir bei Trigema schon immer viel mehr Frauen in leitenden Positionen als Männer.

Probleme, solche Frauen zu finden, haben wir überhaupt nicht. Es gibt immer diejenigen, die sich gerne ihrer Familie widmen und diejenigen, die den Beruf bevorzugen. Letztere wissen, dass sie das Private etwas zurückstellen müssen, um eine leitende Position zu begleiten. Ergebnis ist, dass die Mehrheit der weiblichen Führungskräfte bei uns entweder ledig ist oder Kinder haben, die aus dem Gröbsten raus sind, und sie sich wieder voll dem Beruf widmen können.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Unlängst haben wir eine Frau in einer Führungsposition belassen, obwohl sie ein Kind bekam. Sie hatte uns jedoch versprochen, weiter ihre Kraft der Arbeit zu widmen. Wir haben ihr gestattet, dass sie nachmittags nach Hause gehen kann. Sie versprach uns, dass alles reibungslos weiter laufe und sie abends wieder ins Unternehmen komme, um ihre Aufgaben zu erledigen. Das funktionierte, weil sie in der Nähe wohnte und ihre Abteilung von morgens fünf bis abends um zehn Uhr arbeitet.

Eine Beleidigung für sämtliche Frauen?

Wenn Männer oder Frauen eine Führungsposition behalten wollen, dann müssen sie sich um eine gute Betreuung ihrer Kinder kümmern. Das bedeutet, dass sie dafür finanziell selber etwas aufwenden müssen. Die Politik ist allerdings gefordert, genügend Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen.

All diese Erfahrungen machen wir über alle Hierarchien hinweg, zum Beispiel mit den Gruppenleitern, die acht bis zwölf Mitarbeiter unter sich haben. In der Näherei sind das nur Frauen. In der Stoffherstellung, wo nur Männer arbeiten, sind nur Männer Gruppenleiter, Gleiches gilt für die Färberei und die Bleicherei.

So ist es um die Frauenquote in Dax-Konzernen bestellt
Deutsche PostAn den Schaltern und als Zusteller arbeiten viele Frauen für die Deutsche Post, nur in den Führungsetagen findet man kaum welche. In Deutschland sind 36 Prozent der Mitarbeiter weiblich, im mittleren und oberen Management sind dagegen nur 19,5 Prozent Frauen tätig. Weltweit ist der Anteil noch niedriger. Weltweit sind nur 18,5 Prozent der Top-Manager bei der Deutschen Post weiblich. Im Rankin der Dax-Konzerne ist das allerdings keine schlechte Platzierung. Die Deutsche Post belegt damit Platz 13. Einen mitunter deutlich geringeren Frauenanteil in Führungspositionen haben die Deutsche Börse, Continental, Daimler, Heidelberg Cement, BASF, E.On, Linde, Infineon, Siemens, ThyssenKrupp, RWE, SAP, BMW und die Lufthansa. Quelle: dpa
Deutsche BankDeutschlands größte Bank landet derzeit in puncto Frauenanteil in Top-Positionen nur auf Platz zwölf. In den nächsten Jahren will das Unternehmen aber einiges tun: Bis Ende des Jahres 2015 sollen 25 bis 35 Prozent aller Managing Directors und Directors bei Deutschen Bank Frauen sein. Derzeit sind nur 18 Prozent der Banker, die etwas zu sagen haben, weiblich. In Deutschland sind es noch weniger: Obwohl 47 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland Frauen sind, sitzen nur 16 Prozent Frauen auch in den Führungsetagen. Quelle: REUTERS
Bayer30 Prozent der Mitarbeiter bei Bayer Deutschland sind Frauen. International sind 36 Prozent der Angestellten weiblich. In den Führungsetagen des Chemie- und Pharmakonzerns treffen sich dagegen überwiegend Männer: In Deutschland sind zwar 36 Prozent der Topmanager weiblich, weltweit sind es dagegen nur 23 Prozent. Bis Ende des Jahres 2030 soll dieser Anteil auf 30 Prozent steigen. Quelle: dpa
Deutsche Telekom Die Deutsche Telekom will weltweit den Anteil an Frauen im mittleren und oberen Management auf 30 Prozent erhöhen. Ende 2015 soll ein Drittel der Führungspositionen mit Frauen besetzt sein. Noch sind es deutschlandweit bloß 14,6 Prozent, weltweit schafft es der Telekommunikationskonzern immerhin auf 24 Prozent Frauen in Führungspositionen. Quelle: dpa
MerckWas den internationalen Anteil von Frauen in Führungspositionen anbelangt, liegt die Telekom gleich auf mit dem Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck KGaA. Auch bei Merck sind weltweit 24 Prozent der Topmanager weiblich. Nur bezogen auf Deutschland überholt Merck die Telekom sogar: 20 Prozent der deutschen Führungskräfte bei dem Chemieriesen sind Frauen. Bei einem Gesamtanteil von nur 38 Prozent an der Belegschaft ist das keine schlechte Quote. Bis Ende 2016 möchte das Unternehmen dafür sorgen, dass an allen Standorten 25 bis 30 Prozent der Führungskräfte Frauen sind. Quelle: dpa
BeiersdorfBeim Hersteller von Nivea, Tesa und Labello sind zwar etwas mehr als 50 Prozent Frauen beschäftigt, in Deutschland sind allerdings nur 22,5 Prozent der leitenden Angestellten weiblich. Bis Ende 2020 will der Konsumgüterkonzern den Frauenanteil auf 25 Prozent erhöhen. Weltweit sind bereits 25 Prozent der leitenden Angestellten bei Beiersdorf Frauen. Im Vergleich mit anderen Dax-Konzernen liegt das Unternehmen damit im mittleren Drittel. Quelle: dpa
CommerzbankAuch die Commerzbank will ihren Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen. Bis 2015 soll ein Drittel der Vorstände und Topmanager weiblich sein. Derzeit sind es deutschlandweit noch nur 24 Prozent, obwohl die Hälfte der Belegschaft Frauen sind. International erreicht die Coba einen Frauenanteil von 25,7 Prozent in den oberen Etagen. Quelle: REUTERS

Darüber kommen die Werksleitungen. Hier haben wir zwei Konfektionswerke, das eine mit 300 Mitarbeitern in Altshausen im Südosten von Baden-Württemberg, das andere mit 200 Mitarbeitern in Rangendingen unweit von unserem Stammsitz in Burladingen sowie unser dortiges Hauptwerk selbst. Leiter der Zweigwerke, in denen zu 90 Prozent weibliche Kräfte arbeiten, sind Frauen.

In der Verwaltung am Stammsitz in Burladingen haben wir zurzeit mehr Frauen als Männer in Führungspositionen. Das ist keine Planung sondern Zufall. Von den über 40 Lehrlingen pro Jahr, waren viele weibliche Auszubildende in den vergangenen Jahren so gut, dass sie selbstverständlich später Führungspositionen angeboten bekommen haben. Eine davon ist zum Beispiel unsere Verkaufsleiterin. Sie ist 43 Jahre alt und arbeitet seit 28 Jahren bei Trigema.

Frauen in Führungspositionen bei Trigema sind übrigens keine Akademikerinnen. Die einzigen Akademiker bei Trigema sind meine Tochter, mein Sohn und ich. Man darf nicht glauben, Akademiker aus Stuttgart, Frankfurt oder Düsseldorf sind gescheiter als diejenigen, die hier die Schule besucht und sich über zehn, fünfzehn Jahre bei Trigema bewährt, hochgearbeitet und stets weitergebildet haben. Mein Vater hatte früher immer wieder Führungskräfte von draußen geholt, die das Geschäft vermeintlich besser machen sollten. Daraus wurde allzu oft nichts, mit dem Ergebnis, dass nicht die Akademiker, sondern unsere langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Karren wieder aus dem Dreck ziehen mussten, an der Spitze oft Frauen.

Vor diesem Hintergrund wäre es bei Trigema eine Beleidigung für sämtliche Frauen, wenn sie aufgrund einer Quote in Führungspositionen gelangen sollten. Und auch, wenn es um meine Nachfolge geht, stellt sich die Geschlechterfrage überhaupt nicht. Meine Meinung ist, dass entweder nur mein Sohn oder nur meine Tochter die Firmenleitung übernehmen soll.

Wer, das wird einzig nach der Leistung und dem Privatleben entschieden, nicht nach dem Geschlecht. Wer seine Liebe in den USA oder in Brasilien findet und dorthin zieht, der fällt dann für den Chefposten aus, egal ob Mann oder Frau.

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