25 Jahre Mauerfall So wandelte sich die Deutsche Seereederei

Die Geschichte der Deutschen Seereederei ist bewegt. Wie aus der hochdefizitären DDR-Staatsreederei e in ertragsstarker Konzern wurde.

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Die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt
Foto der Disney Dream Quelle: REUTERS
Foto der Carnival Dream Quelle: dpa
Platz 8: MSC Fantasia / Splendida / Divina / PreziosaGewicht: 137.936 BRZ Kabinen: 1637 Die vier Schiffe der Reederei MSC Kreuzfahrten sind vor allem auf dem Mittelmeer unterwegs. Als die MSC Fantasia 2008 in Dienst gestellt wurde, war sie  das größte Passagierschiff einer europäischen Reederei überhaupt. Mittlerweile haben andere aufgeholt. Quelle: PR
Foto der Voyager of the Seas" Quelle: dpa
Foto der Royal Princess Quelle: Creative Commons
Foto der "Norwegian Breakaway" Quelle: dpa
Foto der "Queen Mary 2" Quelle: AP

Der Anfang war schwer: Nach verlorenem Krieg und der Teilung Deutschlands waren der 1949 gegründeten DDR nur die beiden schon in der Vorkriegszeit bedeutungslosen Ostseehäfen Rostock und Wismar geblieben. Die Handelsflotte des Landes bestand nach Ablieferung der wenigen noch funktionsfähigen Handelsschiffe als Reparationsleistungen an die Sowjetunion gerade mal aus einem seegängigen Leichter und dem altersschwachen 900-Tonnen-Dampfer „Johann Ahrens“.

Dennoch beschloss der DDR-Ministerrat im August 1950 den Bau von 18 Handelsschiffen zwischen 1000 und 8000 Tonnen Tragfähigkeit. Im November war die „Johann Ahrens“ repariert und wieder seeklar: Umgetauft auf den Namen „Vorwärts“ wurde das kleine Schiff zur Urzelle der Deutschen Seereederei (DSR). Die Staatsreederei selbst wurde offiziell erst 1952 als Volkseigener Betrieb (VEB) in Rostock gegründet.

MS Steckenpferd

Ende 1954 war der erste auf einer DDR-Werft fertiggestellt Neubau fertig, nochmal vier Jahre später wurden die ersten Liniendienste zur Ostküste Südamerikas, nach Albanien und Ägypten eröffnet. 1959 übernimmt die DSR das erste im Ausland gebaute und mit Devisen bezahlte Handelsschiff, die MS „Steckenpferd“.

Der für ein Schiff ziemlich merkwürdige Name steht für die sogenannte Steckenpferd-Bewegung zur Devisenbeschaffung: Die Initiative des Seifen- und Parfümherstellers VEB Steckenpferd vom Ende der Fünfzigerjahre sollte durch Übererfüllung des Export-Plansolls dringend benötigte Valuta zum Ankauf gebrauchter Frachtschiffe für die DDR-Hochseehandelsflotte verdienen.

1977 zählten 203 Schiffe mit gut 1,9 Millionen Tonnen zur DSR, angelaufen wurden Häfen in über 100 Ländern, mit 28 Liniendiensten gehörte die DSR damals zu den europäischen Reedereien mit dem größten Liniennetz. Nicht nur Stück- und Schwergutfrachter für Erz oder Kohle sowie moderne Vollcontainerschiffe gehören zur Flotte, seit 1960 betreibt die DSR mit der aus Schweden gekauften „Völkerfreundschaft“ auch Passagierdienste für verdiente nach Kuba. Die ehemalige „Stockholm“ hatte 1956 traurige Berühmtheit erlangt, als sie im Nebel vor New York den italienischen Musikdampfer „Andrea Doria“ rammte und versenkte. Die „Völkerfreundschaft“ wird 1985 ausgemustert und durch die „Arkona“ ersetzt. Das Schiff war 1981 für die Hamburger Hadag gebaut worden.

1989 wird zum letzten Mal die DDR-Flagge auf einem Neubau gehisst, das Vollcontainerschiff wird auf den Namen „Walter Ulbricht“ getauft. Im Mai 1990 wird auch für die DSR die Wende eingeleitet: Das Kombinat Seeverkehr- und Hafenwirtschaft (KSH) mit der DSR als Stammhaus wird in eine Treuhandgesellschaft umgewandelt, Gesellschafter der Deutschen Seereederei GmbH wird die Treuhandanstalt. Der Schiffsbestand von 161 Schiffen mit einer Tonnage von 1,7 Millionen Tonnen wird bis zum Jahresbeginn 1992 auf 100 Frachter reduziert, nicht-reedereitypische Bereiche werden ausgegliedert, die Zahl der Mitarbeiter schrumpft bis Ende 1992 von 14 500 auf 5846.

Im Juni 1993 übergibt die Treuhandanstalt die DSR an die beiden Hamburger Kaufleute Horst Rahe und Nikolaus Schües. Die Frachtschifffahrt wird mit Schües’ Reederei Laeisz fusioniert, für die nächsten 28 Jahre wird das Unternehmen zur Dauerbaustelle, bei dem durch mehrfache Strategiewechsel kein Stein auf dem anderen bleibt.

1994 werden die Frachtschiffliniendienste der DSR mit denen der Hamburger Senator-Linie verschmolzen. Drei Jahre später übernimmt die koreanische Hanjin Shipping das Unternehmen und schließt den Standort Rostock, 1999 übernimmt die Familie Schües die restlichen Handelsschifffahrtsaktivitäten und steigt aus der DSR aus. Rahe wird alleiniger Chef.

Schifffahrt adé!

Zwei DSR-Neugründungen haben bis heute überlebt – wenn auch nicht unter dem DSR-Dach – zumindest eine davon ist zu einem der erfolgreichsten Player im deutschen Touristikmarkt avanciert: die Clubschiffmarke Aida. Rahe entwickelte das Konzept 1994 nach dem Vorbild der Funships der US-Kreuzfahrtreederei Carnival Cruises. Die erste „Aida“mit dem roten Kussmund am Bug als Markenzeichen wurde 1996 abgeliefert, musste aber schon ein Jahr später wegen Liquiditätsproblemen vorübergehend verkauft und zurückgechartet werden.

1999 gründet Rahe zusammen mit der britischen Kreuzfahrtreederei P&O das Joint Venture Aida Cruises und lagerte das mittlerweile zurückgekaufte Clubschiff in die neue Gesellschaft aus. Mit der Übernahme von P&O durch Carnival und der Übernahme der DSR-Anteile an der britischen Reederei durch die Amerikaner 2003 war das Clubschiff-Kapitel für Rahe und die DSR beendet.

Nicht ganz so erfolgreich war Rahes Versuch, die Aida-Idee mit der Marke Arosa auf die Flusskreuzschifffahrt zu übertragen. Zwischen 2003 und wird die Arosa-Flotte auf sechs Flusskreuzer ausgebaut, die auf Rhein, Donau und Rhône verkehren. Mit dem Management-Buyout der Binnenreederei im Frühjahr 2009 verabschiedet sich die DSR vollständig aus der Schifffahrt.

Von den ursprünglich vier Kerngeschäftsfeldern Schifffahrt, Kreuzschifffahrt, Tourismus und Immobilien sind heute nur die beiden letztgenannten übrig geblieben. Die DSR ist zur Führungsholding für die Immobilienverwaltung sowie die Entwicklung und den Betrieb von Hotelprojekten geschrumpft. Das operative Geschäft ist in Tochtergesellschaften ausgegliedert:

  • Die A-Rosa Resorts und Hotel GmbH betreibt vier Luxus-Ferienhotels unter der Marke A-Rosa auf Sylt, in Travemünde, in Kitzbühel und am Scharmützelsee, ein Budget-Ferienhotels unter der Marke A-ja in Warnemünde sowie mehrere Hotelikonen wie das schon zu DDR-Zeiten entstandene Neptun in Warnemünde, das Louis C. Jacob in Hamburg oder das Paradies im Engadin.

  • Die Deutsche Immobilien AG kümmert sich um Immobilien, Projektentwicklung und -management,

  • die Premedion GmbH betreibt Spas und Wellness-Einrichtungen in einigen zur Gruppe gehörenden Hotels und

  • die Deutsche Immobilien Invest GmbH ist der Finanzdienstleister der Gruppe.

Rahe ist mittlerweile Alleingesellschafter der DSR und hat sich vor einigen Monaten mit inzwischen 75 Jahren aus der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen. DSR-Chef wurde Richard Vogel, der vorher TUI-Cruises aufbaute, das Kreuzfahrt-Joint-Venture von TUI und Royal Caribbean Cruises.

Aus der hochdefizitären DDR-Staatsreederei hat Rahe einen ertragsstarken Konzern mit rund 150 Millionen Euro Jahresumsatz gemacht, gut zwei Drittel davon entfallen auf die acht Hotels, die 2013 im Jahresschnitt zu gut 65 Prozent ausgelastet waren und einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von knapp 21 Millionen Euro erwirtschafteten. Rund 1600 Mitarbeiter beschäftigt die DSR-Gruppe heute – rund zehn Prozent der Belegschaft der „alten“ DSR. Fünf waren schon vor 25 Jahren dabei, einer macht immer noch dasselbe wie zum Mauerfall: Frank Kletzsch, inzwischen 55 Jahre alt, war damals Direktionsfahrer, heute chauffiert er Firmenchef Horst Rahe.

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