25 Jahre Mauerfall Drei Unternehmen, die dem Osten Mut machen

Seite 3/4

Zwei Jahre, um das westdeutsche Steuerrecht zu lernen

Für Gründer wie Quendt bestand die größte Herausforderung darin, ohne Vorkenntnisse die Regeln der Marktwirtschaft zu beherrschen. Noch härter war die Wende für Silvia Herrmann. Für die heute 57-jährige Steuerberaterin änderten sich sämtliche für ihre Arbeit relevanten Gesetze.

Doch die komplexen westdeutschen Rechtsnormen und Vorschriften schockten sie nicht. Eine Resignation hätte sich die 32-Jährige auch gar nicht leisten können, musste sie ihren Sohn doch nach einer frühen Scheidung allein erziehen. Das kam öfter vor zu DDR-Zeiten, weil junge Paare überstürzt heirateten, um eine der knappen Wohnungen zu ergattern.

Also saß die Alleinerziehende zwei Jahre lang jeden Samstag in Seminaren, um 1995 die nach bundesdeutschem Recht vorgeschriebene anspruchsvolle Prüfung zur Steuerberaterin zu bestehen. „Ich habe einfach fest daran geglaubt, dass ich es packen kann“, sagt Herrmann. Heute arbeitet sie bei Connex am Standort Halle. Der Dienstleister mit 300 Mitarbeitern, 6000 Mandanten und rund 16 Millionen Euro Umsatz führt die Finanz- und Lohnbuchhaltung und erstellt Bilanzen sowie Steuererklärungen für kleine und mittlere Unternehmen, die sich dafür keine eigene Abteilung leisten können. Das Angebot passt zur kleinteiligen ostdeutschen Unternehmenslandschaft.

Anteil der Exporte am Umsatz der Unternehmen

Connex entstand ebenfalls aus den Resten eines volkseigenen Betriebs, dem VEB Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung des Bezirks Halle. Dort verdiente Herrmann zu DDR-Zeiten ihr Geld. Denn auch in der Planwirtschaft mussten die Kleinunternehmen, die nicht in Kombinaten aufgegangen waren, Abgaben entrichten. Zudem waren kleinere VEB ohne eigene Buchhaltung gezwungen, sich an staatliche Buchführungsfirmen zu wenden.

Hohes Risiko

„Zu DDR-Zeiten war ich eher Erfüllungsgehilfin des Finanzamts“, sagt Herrmann. „Heute ist es dagegen mein Job, die Steuerlast für die Mandanten möglichst niedrig zu halten.“ 25 Jahre nach dem Mauerfall gibt Connex einigen ehemaligen VEB-Mitarbeitern immer noch einen Arbeitsplatz. Rund zehn Prozent der Belegschaft stammen aus den Reihen einstiger volkseigener Buchhaltungsfirmen.

Dass Herrmanns früherer Arbeitgeber unter dem neuen Namen Connex überlebte, hat die Anhaltinerin ihrem heutigen Chef Detlef Walter Bischoff zu verdanken. Der Badener kam 1990 als junger Anwalt in den Osten, sein Kanzleichef in Pforzheim hatte gemeinsam mit anderen mittelständischen Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern den ehemaligen Staatsbetrieb für drei Millionen Euro von der Treuhandanstalt übernommen. Heute wäre das ein Schnäppchen, damals gingen die Westler mit der Investition aber ein hohes Risiko ein, da niemand den Erfolg des Unternehmens vorhersehen konnte. „Für mich war die Wende eine Chance, mich fern der Heimat zu bewähren“, sagt Bischoff. Berührungsängste mit dem Osten kannte er nicht. „Leipzig und Halle sind traumhaft, auch wenn mein badischer Akzent noch manchmal ein Lächeln hervorruft.“

Bischoff wollte Connex weiter ausbauen, während die Eigentümer im Schwarzwald vor allem auf hohe Ausschüttungen schielten. Also kaufte er 1996 den Altgesellschaftern ihre Anteile ab, wurde vom Ost-Statthalter zum selbstständigen ostdeutschen Unternehmer und baute die Steuerberatung zur heutigen Größe aus.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%