34 Hidden Champions kooperieren Das spannende Mittelstandsprojekt in Berlin

Quelle: Presse

34 Hidden Champions haben sich dem „Maschinenraum“ angeschlossen – einer Plattform zum digitalen Erfahrungsaustausch. So wollen sie ihr Unternehmen schneller digitalisieren. Rohrkrepierer oder digitale Revolution?

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Der Maschinenraum in Berlin könnte auch einer der schickeren Clubs in der Hauptstadt sein, irgendwo zwischen Mitte und Prenzlauer Berg, der Eingang etwas versteckt, wenn man die Treppe heruntergeht, gelegen in einem modernen Backsteingebäude. Doch statt ums Stampfen geht es hier eher ums Stanzen und statt angesagten DJs stehen hier Weltmarktführer auf der Gästeliste.

Landmaschinenhersteller Krone beispielsweise hat einen Platz unter den Mitgliedern ergattert, ebenso Facility Manager wie die Dr. Sasse Gruppe und Dussmann, Maschinenbauer Marantec, Landtechnik-Experte Horsch, Logistiker Fiege und Elektrotechnik-Spezialist Phoenix Contact. Sie alle machen mit traditionellen Produkten dicke Umsätze an ländlichen Standorten. 

Im hippen Berliner Maschinenraum wollen sie nun beweisen, dass der Mittelstand in Sachen Kooperation auch Revolution kann und nicht nur Rohrkrepierer. 34 Unternehmen haben sich in diesem bisher einzigartigen Projekt zusammengeschlossen und wollen gemeinsam die großen Lücken in den Bereichen Innovation, Digitalisierung und Transformation schließen, die gerade bei den deutschen Familienunternehmen viel zu weit aufklaffen. 

Die Idee: Statt sich den hundertsten Transformationsberater in die Firma zu holen, wollen sie per Best Practice voneinander lernen, von Mittelstand zu Mittelstand. Wie baut man ein Innovationsmanagement auf? Wie muss man die interne Kommunikation umstrukturieren? Fast überall ist ein deutscher Weltmarktführer schon mal hingefallen bei einer Transformation, wieder aufgestanden und hat heute ein Konzept, das funktioniert. Genau solche Informationen sollen die 34 Hochkaräter nun untereinander teilen, um sich gegenseitig besser zu machen – selbst unter Konkurrenten.

Kann der Maschinenraum aber tatsächlich mal eine Mittelstandskooperation aufbauen, die etwas bewegt?

Gestartet hat das Projekt vor einigen Monaten der Heiztechnik-Weltmarktführer Viessmann, der heute natürlich einer der Partner ist. Als Hauptquartier hat man sich eine alte Schuhfabrik in Berlin ausgesucht, 4500 Quadratmeter Fläche und Platz für Firmen wie Lamy, Phoenix Contact oder Fiege, die hier ihre hippen Start-up-Ideen untergebracht haben. Offizielle Eröffnung sollte 2020 sein, inklusive Besuch von Kanzleramtsminister Helge Braun, doch daraus wurde aufgrund der Coronapandemie nichts. Stiller Start für das Hoffnungsprojekt. 

Tobias Rappers macht das, so sagt er mehr als ein Jahr später, erstmal nichts. Aufmerksamkeit, klar, das sei wichtig. Wichtiger aber noch ist dem Mann, der die 34 Unternehmen unter einen Hut bekommen muss, eine andere Sache, dass, was er als „Herzstück“ bezeichnet – und das hat gar nichts mit hippen Gebäuden in der Großstadt zu tun, sondern mit ganz praktischer Vernetzung. Denn das ist seine Hauptaufgabe: Den Mittelständler aus Ostwestfalen-Lippe mit dem Unternehmen im tiefsten Bayern zusammenzubringen, weil sie das gleiche Problem haben oder sich vielleicht helfen können. 

Acht Fachbereiche haben sie bei Maschinenraum in diversen Formaten mittlerweile vernetzt. Dort tauschen sich Experten aus den jeweiligen Weltmarktführern über einzelne Themen in Gruppen von 20 bis 30 Leuten aus, ganz offen, ohne dass jemand etwas nach Außen plaudern darf. Das kann etwas Hochtrabendes wie Innovationsmanagement sein, oder aber sehr banale Fragen, beispielsweise: Wie baut man ein Intranet auf? 

Während der Pandemie war das plötzlich wichtig und während einige in dem Bereich schon sehr weit waren, mussten andere vom Zeichenblock aus anfangen. Um nicht die gleichen Fehler zu machen, haben sie sich ausgetauscht und wenn nötig, auch mal zum Hörer gegriffen, um direkt bei der Kollegin vom anderen Mittelständler anzurufen. „Diese persönliche Ebene ist enorm hilfreich, weil sie wie ein großes Netzwerk funktioniert, das man jederzeit anzapfen kann und in dem Menschen offen zueinander sind“, sagt Rappers vom Maschinenraum. Hat ein Mitglied zu dem eine akute Frage, kann es über den sogenannten „Navigator“ fragen, Rappers und sein Team sortieren das und leiten es an die passenden Firmen weiter.

In der Theorie klingt all das nach einem recht harmonischem Miteinander, in dem Mittelständler Hand in Hand über eine Blumenwiese der Transformation tollen. Doch kann das auch in der Praxis funktionieren, der Austausch, die Kooperation, die Offenheit?

Videoanruf bei DAW-Innovationschef Uwe Michaelis. Der gelernte Naturwissenschaftler ist Ende 2020 mit der DAW, dem nach eigenen Angaben größten privaten Hersteller von Baufarben und Wärmedämmung, zum Maschinenraum dazu gestoßen, weil er die Mängel in der eigenen Organisation erkannte. „Was uns komplett fehlt, ist, neue Geschäftsfelder abseits des Kernprodukts zu entwickeln, ich sage dazu immer „Beyond Core Innovation”“, sagt Michaelis. Das soll sich mit der Mitgliedschaft ändern. 

Etwa einen Tag im Monat investiert er in die digitalen Veranstaltungen, dazu kommt ein wenig Koordinierungsarbeit, um auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den richtigen Personen in den anderen Unternehmen zu verknüpfen, selbst Vorträge vorzubereiten oder einfach nur zuzuhören. Statt wie bei Messen nur zufällig ein Netzwerk aufbauen zu können, sei das im Maschinenraum viel strukturierter möglich. „Der organisierte Austausch ist der Schlüssel zum Glück“, sagt Michaelis. Einen fünfstelligen Betrag legt DAW für diesen Austausch als Jahresbeitrag hin, dazu kommen Kosten pro Projekt und Aufwand, insgesamt aber nicht einmal 100.000 Euro. Gut investiertes Geld, wie er findet. 

Dass mit Knauf ein direkter Konkurrent mit in den gemeinsamen Runden sitzt, stört Michaelis nicht. Den neuen Produktplan würde er ja nicht vorstellen und nur weil die interne Kommunikation jetzt besser werde, sei das schließlich nicht geschäftsschädigend. Geht es dann in konkrete Projekte, gibt es „Chinese Walls“, damit genau die Angst nicht aufkommt, der eine könnte vom anderen etwas abschauen. 

Neben dem Austausch nutzt DAW ein anderes Angebot im Maschinenraum und das ist die Validierung, quasi ein Rütteltest, ob die eigenen Produktideen was taugen. „Was uns nicht fehlt, sind Ideen, sondern Ressourcen. Wir müssen viel öfter mal eine Idee killen und das 'dead end' erkennen“, sagt er. Im Maschinenraum können die Mitarbeiter unter Anleitung im 12-Wochen-Sprint eine Geschäftsidee checken lassen. 

Aktuell läuft es gut, findet Michaelis, nur eine Sache treibt ihn um. Sollte der Maschinenraum größer werden, müsse es ihm zufolge mehr Cluster geben, kleinere Gruppen, damit es nicht anonym wird. Das wird eine von den vielen To-Dos von Tobias Rappers für die kommenden Monate sein. Denn auch wenn der Start trotz Pandemie rund lief, gibt es bisher nach Außen noch keine großen Erfolge zu verzeichnen.

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Ein Joint Venture zwischen zwei Mittelständlern, etwas was Rappers gerne erreichen würde, gibt es noch nicht und auch sonst gibt es kein großes Projekt, das man vorzeigen könnte. Das mag unter anderem daran liegen, dass viele Erfolge im Kleinen entstehen, beispielsweise beim Austausch zum neuen Intranet. Doch wird sich erst in einigen Monaten zeigen, ob das Projekt wirklich eine Revolution in der Kooperation des Mittelstands ist – oder den meisten dann doch die Lust vergeht.

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