Agrofert-Chef expandiert in Deutschland "Ich bin ja nicht Gott"

Mit der Übernahme der Großbäckerei Lieken expandiert der tschechische Unternehmer Andrej Babiš in Deutschland. Was treibt den Milliardär, der in seiner Heimat den Polit-Revoluzzer gibt?

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Babiš Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

Andrej Babiš steuert sein Firmenimperium mit zwei Daumen: Am liebsten kommuniziert der Chef des tschechischen Agrarkonzerns Agrofert per SMS. "Computer sind mir zu langsam", sagt Babiš. Sendet er eine neue Idee, summt in der Chefetage eines der 209 Tochterunternehmen ein Handy – neuerdings auch bei Lieken in Düsseldorf. Die mit mehr als 700 Millionen Euro Umsatz und 4700 Mitarbeitern größte deutsche Industriebäckerei (Golden Toast, Lieken Urkorn) hat Babiš am 1. Juni für eine ungenannte Summe vom italienischen Barilla-Konzern gekauft.

Lieken ist nur der neueste und spektakulärste Schritt in der Deutschland-Strategie des tschechischen Selfmade-Milliardärs. Babiš betreibt bereits das Chemiewerk SKW Piesteritz – den größten deutschen Stickstoffhersteller – und mischt im lukrativen europäischen Getreidehandel mit. In seiner Heimat dominiert der 58-Jährige, dessen Vermögen auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt wird, mit Agrofert den Agrarmarkt. Nebenbei hat er sich in verschiedene Medien eingekauft und eine eigene Partei gegründet. Kritiker unken, er wolle nun der Berlusconi Tschechiens werden.

Buchhalter statt Berlusconi

Wie ein Populist und Partylöwe wirkt Babiš allerdings nicht. Der schmale Mann mit seinem abgetragenen Aktenkoffer erinnert eher an einen Buchhalter. Der studierte Ökonom baut derzeit in Deutschland ein starkes Standbein von Agrofert auf. In tschechisch angehauchtem Deutsch erklärt Babiš, dass er sich von Lieken etwa beim Rohstoffeinkauf Synergien mit seinen anderen Unternehmen erhoffe. Außerdem will er die Brotmarken erstmals auch im Ausland verkaufen.

Agrofert-Unternehmen in Deutschland

Die Lieken-Vorstände sollen zunächst bis Juni 2014 bleiben. Babiš führt seine mehr als 200 Unternehmen an der langen Leine. "Bei Agrofert läuft das alles dezentral mit einer starken Konzernrevision", erklärt der Alleineigentümer und Geschäftsführer von Agrofert: "Ich bin ja nicht Gott."

"Ich selbst hätte den Laden auch nicht gekauft"

Wie das Zusammenspiel mit Babiš konkret aussieht, lässt sich an seiner ersten deutschen Akquisition beobachten: dem Chemiewerk SKW Piesteritz. Seit 2002 gehört der Düngerhersteller im sachsen-anhaltinischen Wittenberg zu Agrofert. "Am Anfang saß der Chef mir sozusagen auf dem Schreibtisch", sagt SKW-Geschäftsführer Rüdiger Geserick heute. "Als er gesehen hat, dass es hier läuft, hat er sich auf das nächste Unternehmen konzentriert."

360 Millionen Euro hat Babiš bei SKW investiert, seit er Geserick 2005 als Geschäftsführer installierte. "80 Prozent von dem, was Sie hier sehen, ist neu gemacht", sagt Geserick. Seit Babiš’ Einstieg 2002 ist der SKW-Umsatz von 280 auf 707 Millionen Euro geklettert – auch dank einer hohen Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter. "Damals wollte den Laden keiner haben", sagt Geserick, "ich selbst hätte ihn auch nicht gekauft." Babiš tat es und übernahm ein Chemiewerk, das seit der Wende wenig Veränderung gesehen hatte und sehr günstig zu haben war. Den Kaufpreis nennt er nicht. 2012 lag der SKW-Vorsteuergewinn bei 127 Millionen Euro. "Dasselbe hat Babiš nicht nur hier geschafft, sondern auch bei vielen Unternehmen in Osteuropa", sagt Geserick.

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