Armaturenhersteller Grohes große Heuschreckenbilanz

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"Aus dem Schlechten das Beste gemacht"

Unternehmenszentrale von Grohe in Düsseldorf Quelle: dpa

Mit 305 Beschäftigten war Grohe mit Abstand der größte Arbeitgeber der abgelegenen Kreisstadt, „ein Leuchtturm“, sagt Oecknigk. Wer hier einen Job ergatterte, konnte sich ein Häuschen leisten und sich sicher fühlen. Der Standort war rentabel, ab dem Jahr 2000 wurde hier „Grohe Art“ produziert, die Palette edler, ausgefallener Armaturen.

Anfang 2005 kommen Gerüchte auf, das Werk solle geschlossen werden. Bürgermeister Oecknigk fährt nach Hemer. Der Grohe-Vorstand beruhigt ihn, er halte am Standort fest. Die Einwohner jubeln, als der Bürgermeister die Nachricht auf einem Volksfest verkündet. Sechs Wochen später der Schock: Grohe macht Herzberg als einzigen der vier deutschen Standorte zum Jahresende dicht. Zu unrentabel, zu weit weg, die Zukunft liegt in Thailand. Die Beschäftigten schleppen, als Totengräber kostümiert, einen Sarg vors Rathaus. Grohe zahlt Abfindungen, spendiert eine Auffanggesellschaft, um die Entlassenen umzuschulen.

Investoren locken

Aber zu was? Vor Ort gibt es kaum Jobs. Wenige finden woanders etwas, einzelne heuern zeitweise wieder bei Grohe an, fliegen zum Sondereinsatz nach Thailand, bis dort die Qualität stimmt. Grohe beauftragt eine Immobilienfirma mit der Vermarktung des Standorts. Die stellt ein Schild auf, aber hier kommt niemand vorbei.

Darum nehmen die Betroffenen ihr Schicksal in die Hand. Mit Unterstützung von IG Metall, dem Land Brandenburg und dem gewerkschaftsnahen IMU Institut trifft sich die Arbeitsgruppe „Perspektiven für Herzberg“ wöchentlich im leeren Werk. Die Mitglieder schreiben Investoren an, prüfen Fördermöglichkeiten. Der frühere Betriebsratschef mäht den Rasen, sorgt dafür, dass das Gelände nicht verlottert. Investoren sollen die leeren Hallen gefallen.

Kein Gebäude leer

Schließlich wird über einen Kontakt des Bürgermeisters die Firma Siedle aus dem Schwarzwald auf das verlassene Gelände aufmerksam. 2007 übernimmt der Bauteilehersteller die Galvanik und stellt drei Beschäftigte ein. Zeitgleich folgt ein Autozulieferer, es folgen ein Metallbauer, ein Sandstrahlunternehmen. Immerhin 95 Menschen arbeiten heute wieder auf dem Grohe-Gelände, kein Gebäude steht leer, erst im Juni hat in der ehemaligen Kantine eine Cafeteria eröffnet. Nur noch ein Schriftzug an der Wand erinnert dort an die bewegte Vorgeschichte.

TPG, Credit Suisse und ihr Vollstrecker Haines haben seit 2004 aus Grohe ein globaleres, innovativeres, aber finanzschwächeres Unternehmen gemacht. Die Arbeitnehmer am Standort Hemer scheinen zufrieden. Und auch in Herzberg sind nicht nur Molltöne zu hören. „Wie haben aus dem Schlechten das Beste gemacht“, sagt Bürgermeister Oecknigk.

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