Armaturenhersteller Grohes große Heuschreckenbilanz

Der weltberühmte Armaturenhersteller aus dem Sauerland steht wie kein anderer in Deutschland für das umstrittene Wirken von Private-Equity-Firmen. Nun verkaufen die Finanzinvestoren TPG und Credit Suisse das Unternehmen an den japanischen Wettbewerber Lixil. Wie hat sich das Unternehmen unter ihrer Führung entwickelt?

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David Haines Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Alfred Koegel redet in ein Mikrofon, damit ihn die Zuhörer überhaupt verstehen. Das Grohe-Werk im sauerländischen Hemer ist ein höllenlauter Ort. Koegel zeigt bei der Werksführung Metall-Rohlinge von Armaturen, die in Hunderter-Kästen zwischenlagern. Mehr als zwei Millionen Wasserhähne spuckt die Fabrik jährlich aus. Bis zum fertigen Produkt ist es ein langer Weg. Der Schmelzofen verbindet bei mehr als 1000 Grad Kupfer und Zink zu Messing. Das rinnt in eine Form, umschließt gepressten Sand, der die Hohlräume im Innern schafft, durch die später das Wasser fließt. Nach dem Abkühlen schüttelt ein Roboter den Rohling so lange durch, bis der Sand verschwunden ist.

Kräftig geschüttelt wird auch die Grohe-Welt – und das nicht zum ersten Mal. Die aktuellen Eigentümer, der US-Finanzinvestor Texas Pacific Group (TPG) und die Credit Swiss First Boston Private Equity, die Beteiligungsgesellschaft der Credit Suisse, verkaufen das Unternehmen an den japanischen Konzern Lixil. Mit einem Kaufpreis von knapp drei Milliarden Euro ist es der bislang größte japanische Zukauf in Deutschland. Durch die Transaktion entsteht der weltweit größte Armaturenhersteller mit einem Jahresumsatz von etwa vier Milliarden Euro. Grohe bleibt unter den neuen Herren als selbstständiges Unternehmen erhalten.

Der Verkauf setzt nach neun Jahren den Schlussakkord unter eine Debatte ums Auspressen und Durchrütteln. Auslöser war Franz Müntefering mit einem Interview im April 2005: „Manche Finanzinvestoren bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter“, sagte der damalige SPD-Vorsitzende. Gemeint war Grohe, jenes Unternehmen, dessen Zentrale in Münteferings Nachbarwahlkreis liegt. Damit war das Wort in der Welt, das seitdem als Synonym für Geldgeber gilt, die Unternehmen kaufen, um sie nach tiefen Einschnitten später teurer zu verkaufen.

Bei Grohe beginnt dieser Prozess 1999, als die britische Beteiligungsgesellschaft BC Partners den Sanitärhersteller von den Familieneignern erwirbt, die Kasse machen wollen. Ende 2004 übernehmen TPG und Credit Suisse die Macht in der Firmenzentrale – in einer Weise, die Müntefering zu seinem Heuschrecken-Vergleich provozierte. Sie finanzieren den Kauf über Kredite, die sie anschließend dem Unternehmen aufladen. Das muss Darlehen und Zinsen aus der Firmenkasse bezahlen.

Die Geschichte von Grohe

Synonym für Heuschrecken-Fälle

Dann langen TPG und Credit Suisse zu: Gut zwei Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise trifft Wall Street auf Wertarbeit, Zockertum auf Realwirtschaft. Die neuen Grohe-Eigner beschließen Werksverlagerungen und den Abbau Tausender Stellen. Das zuvor gesunde Unternehmen wirkt wie ein Sanierungsfall. Selbst Charles Grohe, der kommod auf einem Schweizer Schloss residierende Familiennachfahre, empört sich über den „Termiteneinfall“.

Grohe ist überall

Finanzinvestoren haben zwischen 2005 und 2007 in Deutschland größere Unternehmen übernommen als Grohe. Sie haben Hugo Boss, ProSiebenSat.1 und Kion gekauft, umgemodelt, zum Teil wieder abgestoßen. Doch der Armaturenhersteller wird zum Synonym für alle Heuschrecken-Fälle. Der Private-Equity-Lobbyverband BVK belegt mit einer Grohe-Fallstudie den Nutzen von Private Equity, die Hans-Böckler-Stiftung zeigt Gewerkschaftern mit dem gleichen Beispiel die Gefahren der Heuschrecken. Nur Müntefering will sich heute nicht mehr äußern und verweist auf Anfrage an die SPD-Bundestagsfraktion.

Das Thema ist nicht erledigt: Nachdem das Private-Equity-Geschäftsmodell durch die Krise 2008 abgestürzt war, hat es sich berappelt. Das zeigen die Übernahmen der Parfüm-Holding Douglas durch Advent Ende 2012 und des Springer-Fachverlags durch BC Partners im Juni. Banker berichten, dass die Finanzierungsbedingungen ähnlich gut sind wie in der Vorkrisenzeit. Geldgeber gibt es genug. Wegen der Niedrigzinsen soll Private Equity für ein paar Renditepunkte mehr sorgen. Geht das gut, wer gewinnt, wer verliert? Grohe ist überall, im Guten wie im Bösen.

Stephen Peel hat Grohe nicht aus den Augen verloren, obwohl er 2009 von London nach Hongkong gezogen ist, um für seinen Arbeitgeber TPG nach Übernahmekandidaten in China Ausschau zu halten. Peel hat in Cambridge studiert und ist als Olympiaruderer an den Start gegangen. Er hat bei der US-Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet und trägt das Haar länger, er sieht aus wie ein Geldkreativer, nicht wie ein Bieder-Banker.

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