Bauunternehmen Johann Bunte Deutschlands umstrittenste Baufirma

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Höhere Gewalt

Drei Richter kamen bereits in einem Gutachten zum Ergebnis, dass die Finanzkrise von 2008 zu einem „exorbitanten Verkehrsmengeneinbruch“ geführt habe, der „von keiner der beiden Seiten zu vertreten war“, also weder von Bund noch von den Konzessionsnehmern. Im Klartext: Gegen höhere Gewalt ist niemand gefeit, sie verpflichte zur Neuverhandlung des ÖPP-Vertrages.

Wendt wittert seine juristische Chance. Denn die eingeklagten 778 Millionen Euro würden ausreichen, bis 2038 nicht nur die Betriebs- und Erhaltungskosten für Pflege und Sanierung des 73 Kilometer langen A-1-Teilstücks zu decken, sondern auch die Fremdkapitalgeber auszuzahlen. Darüber hinaus bliebe ein Rest für das eingesetzte Kapital in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages von Johann Bunte und John Laing. „Wir wollen, dass das Eigenkapital plus Inflationsausgleich zurückbezahlt wird“, sagt Wendt. „Wir hätten mit dem Projekt dann noch keinen Euro verdient.“ Aber eben auch keinen Euro verloren.

Die Politik streitet seit Langem über ÖPP. Union und FDP befürworten das Beschaffungs- und Finanzierungsmodell für die staatliche Infrastruktur, weil Private die Autobahnen, Krankenhäuser und Gefängnisse nachhaltiger bauen, wenn sie danach über einen Zeitraum von oft mehr als 30 Jahren Instandhaltung und Betrieb verantworten. Die Gesamtwirtschaft würde profitieren, die Projekte auch nicht zwangsläufig teurer.

SPD, Grüne und Linke befürchten dagegen eine Kostenlawine, da der Staat wegen Niedrigzinsen preiswerter finanzieren könne als ein privates Konsortium. Auch der Bundesrechnungshof mahnte vor zwei Jahren an, dass ÖPP-Projekte für den Staat oft teurer würden, wenngleich eine abschließende Bewertung angesichts der jahrzehntelangen Laufzeit gar nicht möglich ist. Linke kritisieren, dass die Rendite den Privaten zufließen würde, die Verluste aber den Steuerzahlern.

Ein weiterer Streit scheint dies zu bestätigen. Die Baukonzerne Hochtief und Strabag fordern vom Bund 34 Millionen Euro, weil eine Baustelle auf der A 8 nach Starkregen tagelang unter Wasser gestanden hatte und die Planung „in etlichen Details fehlerhaft“ gewesen sei, heißt es aus Konzernkreisen. Damit gehen zwei der ersten vier ÖPP-Projekte im Fernstraßenbau vor Gericht.

Den Unternehmen ist eine öffentliche Debatte über die Probleme bei ÖPP gar nicht recht. Denn sie hoffen auf einen „Dealflow“, also eine Vergabewelle im Milliardenvolumen. Gerade mal erst etwas mehr als 200 ÖPP-Vergaben hat es in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren gegeben – vor allem auf kommunaler Ebene etwa beim Bau von Schulen, Ortsumgehungen und Verwaltungsgebäuden. „Die Zufriedenheit mit den ÖPP-Projekten ist aufseiten der öffentlichen Auftraggeber nach wie vor sehr hoch“, heißt es im Jahresbericht von Partnerschaft Deutschland, einer staatlichen Beratung. Doch viele Unternehmen hoffen auf Ausschreibungen im Fernstraßenbau mit Milliardenbudget.

Ärger scheint damit programmiert. „ÖPP-Modelle sind komplexe Vertragskonstellationen mit vielen Beteiligten, die koordiniert werden müssen – Banken, Planungsfirmen, Beratungsfirmen und so weiter“, sagte Strabag-Chef Thomas Birtel gerade in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Der Chef des österreichischen Baukonzerns gehört hierzulande zu den führenden ÖPP-Beteiligten in Deutschland. Doch „in Deutschland wird das Rad jedes Mal neu erfunden“, klagt Birtel, „während es in anderen Ländern – beispielsweise Großbritannien – gelungen ist, mittels Richtlinien zu einer gewissen Standardisierung zu kommen.“

Manfred Wendt gilt als einer, der auf die Komplexität der Projekte gut vorbereitet ist. Die Konkurrenz ist wachsam, wenn der Name Johann Bunte fällt. „Das Unternehmen ist bekannt dafür, mit aggressiven Preisen in die Ausschreibungen zu gehen und anschließende Klagen nicht zu scheuen“, sagt ein Manager, der ungenannt bleiben möchte. Ein anderer beschreibt Johann Bunte als „streitfreudig und anstrengend“. Wendt kontert: „Wir sind nicht streitfreudig, sondern streitfähig. Wir geben uns nicht nur zufrieden mit dem Amtsentwurf einer Ausschreibung, sondern schauen uns genau an, an welchen Stellen wir effizienter bauen können.“ Dann schiebt er nach: „Darüber hinaus sind wir keine Kinder von Traurigkeit.“

Wettbewerber bewundern, wie Wendt, der Bauingenieurwesen in Oldenburg studierte und als Praktikant bei Johann Bunte einstieg, das Unternehmen mit inzwischen 1600 Mitarbeitern auf Position gebracht hat. Als nach der Jahrtausendwende die ersten ÖPP-Projekte im Fernstraßenbau ausgeschrieben wurden, glaubte keiner, dass ein Mittelständler wie Johann Bunte in das Business einsteigen konnte. Doch für Wendt war klar: Bau, Erhalt und Betrieb einer Autobahn seien allenfalls „kalkulative Herausforderungen“, sagt er. „Die Musik spielt in der Projektfinanzierung.“

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