Betriebliche Altersvorsorge Mittelständlern fehlen 100 Milliarden Euro

Die Altersvorsorge vom Unternehmen ist nicht mehr sicher: Niedrige Zinsen und lasche Bilanzierungsvorschriften lassen die Deckungslücken wachsen. Das bedroht auch den Mittelstand und seine Mitarbeiter.

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So viel Betriebsrente zahlen die Dax-Konzerne
Zuletzt ist die Lufthansa angesichts historisch niedriger Zinsen bei der Altersversorgung auf die Bremse getreten: Die Fluggesellschaft will ihren Inlands-Mitarbeitern keine feste Zinsen bei der Betriebsrente mehr garantieren. Andernfalls müsste das Unternehmen im Jahr 2014 gut eine halbe Milliarde Euro zuschießen. Quelle: dpa
Die Commerzbank hat diesen Schritt bereits vor gut zehn Jahren vollzogen: 2004 kündigte Deutschlands zweitgrößte Bank ihren Angestellten zum 31.12. die Betriebsrente. Seit Januar 2005 zahlt die Commerzbank statt eines leistungsbezogenen, festen Beitrages nur noch 2,5 Prozent des Jahresentgeltes für jeden Mitarbeiter. Quelle: REUTERS
Die Deutsche Bank verzinst den Versorgungsbeitrag neu eingestellter Mitarbeiter seit 2005 marktabhängig. Quelle: AP
Auch beim Technologiekonzern Siemens gibt es für die Mitarbeiter keinen festen Betrag. Das Münchner Unternehmen orientiert sich bei der Verzinsung der vollständig vom Unternehmen finanzierten Altersversorgung seit 2003 am Garantiezins für Lebensversicherungen - dieser ist mittlerweile auf 1,75 Prozent gesunken. Quelle: dpa
Der Autobauer Daimler hingegen überlässt die Betriebsrente den Launen des Kapitalmarktes: Seit 2012 bekommen alle neuen Mitarbeiter bei Daimler eine kapitalmarktorientierte Betriebsrente. Das heißt: Feste Beiträge gibt es nicht mehr, die Höhe der Bezüge orientiert sich am marktüblichen Zins. Quelle: dpa
Bei Konkurrent BMW bekommen die Mitarbeiter ein Altersruhegeld von neun Euro pro Dienstjahr plus Zinsen. Quelle: dpa
Wer stattdessen bei Thyssenkrupp beschäftigt ist, bekommt eine Direktzusage mit Einmalzahlung. Der Konzern überprüft allerdings regelmäßig die Angemessenheit der bestehenden Betriebsrentenzusagen und passt gegebenenfalls den Garantiezins an. Quelle: dpa

Das Gebäck lecker, die Brötchen knusprig – warum den Mitarbeitern der Bäckereikette Siebrecht aus Brakel in Westfalen dennoch der Appetit vergangen ist, ahnen die wenigsten Kunden. Die Siebrecht-Gruppe mit rund 280 Filialen und 2000 Mitarbeitern hat im August Insolvenz angemeldet – wohl auch, weil sie nicht mehr in der Lage war, ihre versprochenen Betriebsrenten aufzubringen. Selbst die zuständige Staatsanwaltschaft Paderborn beschäftigt sich inzwischen mit dieser Frage: Sie befürchtet eine Veruntreuung. Die Staatsanwälte ermitteln, ob der Arbeitgeber Geld, das für die Betriebsrenten seiner Mitarbeiter reserviert war, nicht an den zuständigen Träger weitergereicht hat.

Was bei der Bäckereikette passiert, dürfte in Zukunft noch öfter stattfinden: Zusagen für Betriebsrenten werden für Unternehmen zum Problem. Die von ihnen angesparten Rücklagen erweisen sich als viel zu niedrig. Denn sie haben für spätere Auszahlungen mit den hohen Kapitalmarktrenditen der Vergangenheit gerechnet. Die wird es aber wegen Finanzkrise und EZB-Geldflut auf Jahre hinaus nicht mehr geben.

Zahlen zur Betriebsrente

„In fast allen Unternehmen fehlen 30 bis 50 Prozent des Kapitals, um die Zusagen aus Zeiten mit höheren Zinsen zu decken“, schätzt Thorsten Kircheis, Vorstand der Berliner Unternehmensberatung Deutsches Institut für Zeitwertkonten und Pensionslösungen (DIZ).

Angesichts der mehr als 500 Milliarden Euro, die die Deutschen derzeit in ihre betriebliche Altersvorsorge (BAV) investiert haben, wäre das eine Deckungslücke von 170 bis 225 Milliarden Euro. Die Hälfte davon – etwa 100 Milliarden Euro – entfällt auf den Mittelstand. Dennoch gestattet der Gesetzgeber den Unternehmen immer noch, die wahren Belastungen in der Bilanz zu verschleiern und zu wenig Geld zurückzustellen.

Rentner in spe in Deutschland

Der Staat lockt mit dem gesetzlichen Anspruch auf steuerfreie Einzahlung in die BAV, wenn sie aus dem Gehalt des Mitarbeiters entnommen wird (Entgeltumwandlung). Das organisiert der Arbeitgeber. Er kann freiwillig noch zusätzlich Geld obendrauf legen, zum Beispiel um sich für gesuchte Fachkräfte attraktiver zu machen. Der Chef wählt aus fünf Modellen, wie er die BAV organisiert.

- Direktzusage: Das Unternehmen organisiert und finanziert die Rente selbst.

- Unterstützungskasse: Der Arbeitgeber beauftragt eine rechtlich selbstständige Einrichtung, bleibt aber selbst verantwortlich.

- Pensionskasse: Er delegiert die Ausführung an eine Versicherung oder Bank, bleibt aber für die Auszahlung verantwortlich.

- Direktversicherung: Das Unternehmen schließt eine Versicherung für seine Mitarbeiter ab, die dann bezugsberechtigt sind.

- Pensionsfonds: Auch das ist eine eigenständige Einrichtung, die das Geld der Mitarbeiter aber riskanter anlegen darf als eine Versicherung.

Bisher nutzt allerdings nur jeder zweite der rund 34 Millionen berechtigten Bundesbürger die BAV. In Großbritannien stammten schon 2011 rund 26 Prozent der Renteneinkünfte aus Betriebspensionen, in der Schweiz 33 Prozent, in den Niederlanden gar 40 Prozent – in Deutschland dagegen schlappe neun Prozent oder im Bundesschnitt monatlich 270 Euro.

Transparenter bilanzieren, Daten veröffentlichen

So sorgen Sie richtig vor
Vollmachten, Testamente, Patientenverfügung und Co. bieten Sicherheit für den Fall eines Falles. Eine Vollmacht sollten Sie nicht leichtfertig ausstellen: Geben Sie diese nur an Personen, denen sie wirklich zu 100 Prozent vertrauen. Quelle: Fotolia
Wenn Sie die richtige Person gefunden haben, muss die Vollmacht immer auch von einem Rechtsanwalt oder einem Notar legitimiert werden. Für Immobiliengeschäfte, Darlehen und Handelsgewerbe ist die notarielle Beglaubigung zwingend notwendig, rät Margit Winkler, Inhaberin des Instituts GenerationenBeratung, die zehn Tipps zur eigenen Sicherheit bei der Vorsorge nennt. Quelle: dpa
Eine Vorsorgevollmacht sollten Sie in jedem Fall im Vorsorgeregister registrieren lassen. Das kostet zwar 15 Euro, aber so werden spätere Unklarheiten vermieden. Quelle: dapd
Auch hilfreich: eine Patientenverfügung, die Sie bei ihrem Arzt oder beim Humanistischen Verband bekommen. Damit regeln Sie den Fall, dass Sie ihren Willen nicht mehr selbstständig erklären können. Sie bezieht sich dabei nicht nur auf medizinische Maßnahmen oder ärztliche Eingriffe, sondern kann auch darüber Auskunft geben, ob lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen. Quelle: AP
Eine Verfügung muss alle ein bis zwei Jahre erneuert werden. Eine öffentliche Person muss außerdem Ihre Einwilligungsfähigkeit bestätigen. Also am besten wieder zum Notar oder Rechtsanwalt. Quelle: Fotolia
Vor allem Frauen sind von Armut im Alter betroffen, insbesondere dann, wenn der Partner gestorben ist. Sie sollten deshalb Ihre Finanzen im Blick behalten und gegebenenfalls zusätzlich und individuell vorsorgen. Quelle: dpa
Es gibt auch etwas, das Kinder beachten sollten, nämlich den sogenannten Elternunterhalt. Das bedeutet, dass die Kinder im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten für den Lebensbedarf von Eltern, aber auch Schwiegereltern aufkommen müssen. Dabei gibt es allerdings auch einige Kniffe zu beachten: Sollten Sie davon betroffen sein, suchen Sie deshalb am besten direkt einen Anwalt auf. Quelle: dpa

Am leichtesten sichtbar sind die Probleme bei börsennotierten Unternehmen. Sie müssen transparenter bilanzieren, die Daten veröffentlichen und stehen unter Beobachtung ihrer Aktionäre:

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So wurde jüngst publik, dass die Deutsche Lufthansa geltende Tarifverträge zur Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zum Jahresende kündigen will. Die Airline hatte für die Betriebsrenten über Jahre mit Anlagerenditen zwischen sechs und sieben Prozent geplant. Tatsächlich erzielte der Konzern aber nur noch weniger als zwei Prozent.

Nun will die Lufthansa das System der Altersvorsorge umstellen. Statt eines Leistungsversprechens bekommen die Mitarbeiter künftig nur noch ein aktuelles Beitragsversprechen. Das heißt, die Lufthansa zahlt monatlich eine bestimmte Summe in die betriebliche Versorgung ein, aber eine konkrete Auszahlungshöhe für die Mitarbeiter zu Rentenbeginn sagt sie nicht zu. Arbeitsrechtlich sind die Details umstritten. Kommt das Ganze vor Gericht, könnte es zum Präzedenzfall für alle Unternehmen werden, die Probleme mit ihren Pensionsversprechen haben.

Beschäftigte in spe in Deutschland

Während Aktiengesellschaften nicht anders können, als sich dem Problem zu stellen, vergraben kleinere und mittlere Unternehmen das Gefahrenpotenzial oft als Zeitbombe in ihrer Bilanz. Denn dank der Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) können sie die Lücke zwischen Soll und Haben bei den Pensionsverpflichtungen leichter schönen.

„Wer 50 Millionen Euro Rückstellungen in der Bilanz stehen hat, muss, abhängig von der Altersstruktur seiner Mitarbeiter, in vielen Fällen 80 Millionen Euro für spätere Rentenzahlungen aufbringen“, sagt Jörg Paura, Partner der Hamburger Wirtschaftskanzlei Bird & Bird. Für eigenkapitalschwache Unternehmen ein Kraftakt. Paura: „Das Problem ist inzwischen auch allen Mittelständlern bekannt, aber die meisten schieben es deshalb vor sich her.“

Der Schock dürfte kommen, wenn es an die Rentenzahlungen der geburtenstarken Jahrgänge geht. Das wird in zehn Jahren der Fall sein. Und bisher sind keine steigenden Zinsen auf Staats- und Unternehmensanleihen in Sicht.

Kein Wunder, dass meist eisiges Schweigen erntet, wer bei Unternehmen nachfragt. Denn solange sie ihre Pensionsrückstellungen nicht realistisch bilanzieren müssen, ist ihr Eigenkapital höher und der Verschuldungsgrad geringer.

Verbreitung der BAV nach Branchen 2011

Wie kostspielig das Problem werden kann, zeigt folgendes Beispiel: Ein Unternehmen mit 500 gut bezahlten Mitarbeitern möchte zur eigenen Sicherheit alle alten und zukünftigen Rentenzusagen gegen eine Einmalzahlung an einen Pensionsfonds ausgliedern. Der trägt dann auch das Risiko der steigenden Lebenserwartung. Die Lebensversicherung LVM zum Beispiel bietet solche für jeden Fall individuell kalkulierten Übertragungen an und rechnet so: Wie im Bundesdurchschnitt nutzen auch im Musterunternehmen nur die Hälfte der Angestellten die Möglichkeit zur Betriebsrente. Das sind 250 Mitarbeiter mit einer Zusage über eine spätere Rente von 500 Euro monatlich. Das kostet das Unternehmen bei der Übertragung an die LVM einen Einmalbeitrag von rund 7,5 Millionen Euro – es hat bisher für die 250 Kollegen aber nur Rücklagen über 4,7 Millionen Euro bilanzieren müssen.

Außerdem haben 100 Betriebspensionäre dank guter alter Zeiten Anspruch auf eine laufende Rente von monatlich 600 Euro. Diese Verpflichtung an die LVM abzugeben kostet das Unternehmen weitere 10,7 Millionen Euro – bisher sind 7,7 Millionen Euro zurückgelegt. Dem Unternehmen fehlen also rund sechs Millionen Euro, die es aus dem Eigenkapital entnehmen muss.

Probleme um Bilanzierung und Rückstellung

Wann Arbeitgeber bestehende Betriebsrenten-Zusagen kürzen dürfen.
von Anke Henrich

Wirtschaftsprüfer warnen seit Jahren davor, dass auch die Einführung des Bilanzrechtmodernisierungsgesetzes, kurz BilMoG, im Jahr 2009 nicht alle Probleme rund um Bilanzierung und Rückstellungen im HGB gelöst hat. So dürfen Altverpflichtungen, die vor 1986 getroffen wurden oder deren Erfüllung über externe Versorgungsträger wie Unterstützungskassen erfolgt, weiterhin in der Bilanz unberücksichtigt bleiben.

Immerhin werden seit 2009 unter anderem zukünftige Gehalts- und Rentensteigerungen in der Bilanz realistischer angesetzt. Und der Rechnungszins wird seitdem von der Bundesbank als Durchschnittswert auf Basis der vergangenen sieben Jahre ermittelt.

Derzeit liegt dieser Bundesbank-Referenzzins bei 4,9 Prozent. Allein die Lücke zu den bislang meist angesetzten sechs Prozent kostet die Unternehmen Millionen. Denn je niedriger der Referenzzins liegt, desto mehr Geld müssen sie zurückstellen. Große börsennotierte Unternehmen, die nach dem internationalen Standard IFRS bilanzieren, dürfen heute sogar nur einen Rechnungszins von 3,5 Prozent verwenden.

Prof. Dr. Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des Düsseldorfer Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW), geht davon aus, dass „schon eine Veränderung des Zinssatzes um einen Prozentpunkt zu Lücken von 10 bis 20 Prozent bei den Rückstellungen führt“.

Naumanns Institut moniert aber auch, dass die aktuellen Vorschriften zu einer ungewollten Substanzbesteuerung führen können: Sind die Zinsannahmen zu hoch, stellen die Unternehmen weniger für Pensionen zurück, als sie müssten, und versteuern so Gewinne, die bei realistischen Rückstellungen gar nicht anfallen würden.

Dennoch sind bei den Koalitionsgesprächen in Berlin die Probleme mit der betrieblichen Altersvorsorge kein Thema.

Entwicklung der Deckungsmittel der betrieblichen Altersvorsorge nach Durchführungswegen

Dabei können Pensionslücken die Unternehmen noch an drei anderen Stellen entscheidend schwächen. „Bei der Kreditvergabe und den eigenen Ratings schauen die Banken immer genauer auf die Pensionszusagen“, warnt Marco Keßler, Prokurist bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Saarbrücken. „Sehen sie Gefahr, verlangen sie höhere Kreditzinsen oder sagen ganz ab.“ Bei der Nachfolgesuche schreckten die schwer kalkulierbaren Zukunftslasten der Unternehmen selbst Familienmitglieder davon ab, in Vaters oder Mutters Fußstapfen zu treten. Ärger drohe auch bei einem Unternehmensverkauf, so Keßler: „Wenn die Rentenzusagen nicht ausgelagert sind, mindert das den Kaufpreis.“

Die Deckungslücken werden sich auf breiter Front in den Geldbeuteln der Beschäftigten bemerkbar machen. Schon die unangenehme Tatsache, dass auf Betriebsrenten-Auszahlungen Steuern und Krankenversicherungsbeiträge fällig sind, verdrängen viele. Es kommt aber noch schlimmer.

So haben viele Arbeitgeber das Kapitalmarktrisiko – die Frage, wie sich die Rendite der Einzahlungen über Jahrzehnte entwickelt – längst auf ihre Mitarbeiter abgewälzt. Sie sagen ihnen nur die Einzahlung, aber nicht mehr die feste Auszahlung zu – siehe Lufthansa.

Wer zudem glaubt, in langen Jahren erdiente Pensionsanwartschaften könnten nicht einkassiert werden, irrt. Selbst Abstriche bei längst laufenden Renten sind zulässig.

Sicherungsfälle und Schadensvolumen des Pensionssicherungsvereins

Betriebsrenten sind auch bei einer Insolvenz des Arbeitgebers nicht immer geschützt. Grundsätzlich gilt zwar: Bei einer Pleite sind Direktzusagen und -versicherungen, Pensionsfonds und Unterstützungskassen über den Kölner Pensionssicherungsverein (PSV) gesichert. 2012 waren die abgesicherten Zusagen bereits auf gut 300 Milliarden Euro angeschwollen. 93.000 Unternehmen sind Zwangsmitglied im PSV.

Aber auch deren Mitarbeiter können Ärger beim PSV in der eigenen Geldbörse spüren, nämlich wenn in kurzer Zeit mehrere große Unternehmen pleitegehen und der PSV die Betriebsrenten der betroffenen Mitarbeiter zahlen muss. Dann schießen die Mitgliedsbeiträge in die Höhe. Als etwa 2009 der Handelsriese Arcandor Insolvenz anmeldete, erhöhte der PSV den Beitragssatz von 1,8 auf 14,2 Promille der versicherten Zusagen. Das schmerzt vor allem kleinere Unternehmen. Im schlimmsten Fall können sie aus dem Grund die Renten und Rentenzusagen ihrer Mitarbeiter kürzen, was bereits vorgekommen ist.

Lukratives Geschäft für Finanzdienstleister

Die Probleme der Unternehmen und ihrer Beschäftigten werden zum lukrativen Geschäft für Finanzdienstleister. Annette Beller, Finanzvorstand des Medizintechnikherstellers B.Braun aus dem hessischen Melsungen, erlebt es regelmäßig: „Immer wieder versuchen Banken und Versicherungen uns davon zu überzeugen, unsere Pensionszusagen auszulagern.“ Das Familienunternehmen hortet für die Pensionsverpflichtungen von mehr als 49.000 Mitarbeitern weltweit fast 828 Millionen Euro.

Das will Beller auch weiterhin so handhaben: „Die Pensionsrückstellungen in unserer Konzernbilanz sind Teil unserer Innenfinanzierung, und unsere intern erwirtschaftete Rendite liegt eindeutig über der, die heute am Kapitalmarkt für risikoadäquate Anlagen erzielt werden kann.“

Bei Fuchs Petrolub in Mannheim dagegen, einem der weltgrößten Hersteller von Schmierstoffen, war die Vertriebstruppe der Allianz erfolgreich. Künftige Pensionsverpflichtungen über 50 Millionen Euro für insgesamt 430 Mitarbeiter hat Fuchs an eine Unterstützungskasse und einen Pensionsfonds des Münchner Versicherers übertragen. Die zugesagten Leistungen an jetzige Ruheständler sichert das Unternehmen durch eine Rückdeckungsversicherung der Allianz. Für das Unternehmen mit einem Umsatz von zuletzt 1,8 Milliarden Euro und 3800 Mitarbeitern ist dies keine billige Lösung. Doch Fuchs wird dadurch finanziell flexibler und bekommt mehr Planungssicherheit.

„Das Geschäft mit solchen Auslagerungen in Treuhandkonstruktionen oder Fonds hat in letzter Zeit kräftig Fahrt aufgenommen“, sagt Armin Schmiedeberg, Leiter der europäischen Praxisgruppe Industrie bei der Beratung Bain & Company in Düsseldorf.

So entwickelte sich der Zins, auf dem die Pensionsrücklagen basieren

Für Banken und Versicherer ist das Geschäft mit den Pensionslasten lukrativ. Je nach Umfang der übertragenen Rückstellungen fallen für das Unternehmen hohe Abschlussgebühren an. Dazu kommen noch einmal jährliche Gebühren im Promillebereich der versicherten Zusagen für die Verwaltung. Zudem wittern die Anbieter die Chance, den Unternehmen weitere Produkte zu verkaufen.

Allein 700 Millionen Euro ausgelagerter Pensionszusagen von Unternehmen verwaltet zum Beispiel die Commerz Trust, eine Treuhandkonstruktion der Commerzbank. Dort geht es um sogenannte Contractual Trust Arrangement (CTA), ein Treuhandmodell, bei dem der Kunde seine Pensionsrückstellungen an den Trust überträgt. Der Trust wiederum eröffnet in eigenem Namen – aber auf Rechnung des Kunden – für das Unternehmen ein Depot und legt das Geld an, etwa in Renten- und Geldmarktfonds.

Für den Abschluss eines solchen Vertrags zahlt das auslagernde Unternehmen einmalige Gebühren im vierstelligen Euro-Bereich. Die jährlichen Verwaltungsgebühren liegen im Promillebereich der im CTA angelegten Gelder.

Die Commerz Trust verpflichtet sich im Leistungsfall, etwa bei der Insolvenz eines Unternehmens, die fälligen Betriebsrenten an dessen Mitarbeiter auszuzahlen. Für das Unternehmen hat das Konstrukt noch zwei weitere Vorteile: Erwirtschaftet der Trust aus dem Unternehmenskapital durch geschickte Geldanlage mehr Geld, als für dessen Renten nötig ist, gehört es dem Unternehmen. Zudem sind die Pensionszusagen von Geschäftsführern in unbegrenzter Höhe abgesichert, für Modelle mit dem Pensionssicherungsverein im Rücken gilt das nicht.

Das deutsche System der betrieblichen Altersvorsorge ist ein Leckerbissen für Juristen und ein Überraschungsei für die Versicherten. CDU und SPD halten sie trotzdem für ein Erfolgsmodell: Sie hegen Pläne, den Prozentsatz, den Arbeitnehmer von ihrem Gehalt steuerfrei in die BAV einzahlen können, von derzeit vier Prozent auf bis zu acht Prozent zu erhöhen.

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