Das Gebäck lecker, die Brötchen knusprig – warum den Mitarbeitern der Bäckereikette Siebrecht aus Brakel in Westfalen dennoch der Appetit vergangen ist, ahnen die wenigsten Kunden. Die Siebrecht-Gruppe mit rund 280 Filialen und 2000 Mitarbeitern hat im August Insolvenz angemeldet – wohl auch, weil sie nicht mehr in der Lage war, ihre versprochenen Betriebsrenten aufzubringen. Selbst die zuständige Staatsanwaltschaft Paderborn beschäftigt sich inzwischen mit dieser Frage: Sie befürchtet eine Veruntreuung. Die Staatsanwälte ermitteln, ob der Arbeitgeber Geld, das für die Betriebsrenten seiner Mitarbeiter reserviert war, nicht an den zuständigen Träger weitergereicht hat.
Was bei der Bäckereikette passiert, dürfte in Zukunft noch öfter stattfinden: Zusagen für Betriebsrenten werden für Unternehmen zum Problem. Die von ihnen angesparten Rücklagen erweisen sich als viel zu niedrig. Denn sie haben für spätere Auszahlungen mit den hohen Kapitalmarktrenditen der Vergangenheit gerechnet. Die wird es aber wegen Finanzkrise und EZB-Geldflut auf Jahre hinaus nicht mehr geben.
Zahlen zur Betriebsrente
50 Prozent der Berechtigten verzichten auf die betriebliche Altersvorsorge.
270 Euro beträgt die monatliche Betriebsrentenzahlung derzeit im Durchschnitt.
500 Mrd. Euro sind in die betriebliche Altersvorsorge investiert.
30 Prozent Unterdeckung bei den Rentenzusagen befürchten Experten.
„In fast allen Unternehmen fehlen 30 bis 50 Prozent des Kapitals, um die Zusagen aus Zeiten mit höheren Zinsen zu decken“, schätzt Thorsten Kircheis, Vorstand der Berliner Unternehmensberatung Deutsches Institut für Zeitwertkonten und Pensionslösungen (DIZ).
Angesichts der mehr als 500 Milliarden Euro, die die Deutschen derzeit in ihre betriebliche Altersvorsorge (BAV) investiert haben, wäre das eine Deckungslücke von 170 bis 225 Milliarden Euro. Die Hälfte davon – etwa 100 Milliarden Euro – entfällt auf den Mittelstand. Dennoch gestattet der Gesetzgeber den Unternehmen immer noch, die wahren Belastungen in der Bilanz zu verschleiern und zu wenig Geld zurückzustellen.
Der Staat lockt mit dem gesetzlichen Anspruch auf steuerfreie Einzahlung in die BAV, wenn sie aus dem Gehalt des Mitarbeiters entnommen wird (Entgeltumwandlung). Das organisiert der Arbeitgeber. Er kann freiwillig noch zusätzlich Geld obendrauf legen, zum Beispiel um sich für gesuchte Fachkräfte attraktiver zu machen. Der Chef wählt aus fünf Modellen, wie er die BAV organisiert.
- Direktzusage: Das Unternehmen organisiert und finanziert die Rente selbst.
- Unterstützungskasse: Der Arbeitgeber beauftragt eine rechtlich selbstständige Einrichtung, bleibt aber selbst verantwortlich.
- Pensionskasse: Er delegiert die Ausführung an eine Versicherung oder Bank, bleibt aber für die Auszahlung verantwortlich.
- Direktversicherung: Das Unternehmen schließt eine Versicherung für seine Mitarbeiter ab, die dann bezugsberechtigt sind.
- Pensionsfonds: Auch das ist eine eigenständige Einrichtung, die das Geld der Mitarbeiter aber riskanter anlegen darf als eine Versicherung.
Bisher nutzt allerdings nur jeder zweite der rund 34 Millionen berechtigten Bundesbürger die BAV. In Großbritannien stammten schon 2011 rund 26 Prozent der Renteneinkünfte aus Betriebspensionen, in der Schweiz 33 Prozent, in den Niederlanden gar 40 Prozent – in Deutschland dagegen schlappe neun Prozent oder im Bundesschnitt monatlich 270 Euro.