Betriebliche Altersvorsorge Mittelständlern fehlen 100 Milliarden Euro

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Transparenter bilanzieren, Daten veröffentlichen

So sorgen Sie richtig vor
Vollmachten, Testamente, Patientenverfügung und Co. bieten Sicherheit für den Fall eines Falles. Eine Vollmacht sollten Sie nicht leichtfertig ausstellen: Geben Sie diese nur an Personen, denen sie wirklich zu 100 Prozent vertrauen. Quelle: Fotolia
Wenn Sie die richtige Person gefunden haben, muss die Vollmacht immer auch von einem Rechtsanwalt oder einem Notar legitimiert werden. Für Immobiliengeschäfte, Darlehen und Handelsgewerbe ist die notarielle Beglaubigung zwingend notwendig, rät Margit Winkler, Inhaberin des Instituts GenerationenBeratung, die zehn Tipps zur eigenen Sicherheit bei der Vorsorge nennt. Quelle: dpa
Eine Vorsorgevollmacht sollten Sie in jedem Fall im Vorsorgeregister registrieren lassen. Das kostet zwar 15 Euro, aber so werden spätere Unklarheiten vermieden. Quelle: dapd
Auch hilfreich: eine Patientenverfügung, die Sie bei ihrem Arzt oder beim Humanistischen Verband bekommen. Damit regeln Sie den Fall, dass Sie ihren Willen nicht mehr selbstständig erklären können. Sie bezieht sich dabei nicht nur auf medizinische Maßnahmen oder ärztliche Eingriffe, sondern kann auch darüber Auskunft geben, ob lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen. Quelle: AP
Eine Verfügung muss alle ein bis zwei Jahre erneuert werden. Eine öffentliche Person muss außerdem Ihre Einwilligungsfähigkeit bestätigen. Also am besten wieder zum Notar oder Rechtsanwalt. Quelle: Fotolia
Vor allem Frauen sind von Armut im Alter betroffen, insbesondere dann, wenn der Partner gestorben ist. Sie sollten deshalb Ihre Finanzen im Blick behalten und gegebenenfalls zusätzlich und individuell vorsorgen. Quelle: dpa
Es gibt auch etwas, das Kinder beachten sollten, nämlich den sogenannten Elternunterhalt. Das bedeutet, dass die Kinder im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten für den Lebensbedarf von Eltern, aber auch Schwiegereltern aufkommen müssen. Dabei gibt es allerdings auch einige Kniffe zu beachten: Sollten Sie davon betroffen sein, suchen Sie deshalb am besten direkt einen Anwalt auf. Quelle: dpa

Am leichtesten sichtbar sind die Probleme bei börsennotierten Unternehmen. Sie müssen transparenter bilanzieren, die Daten veröffentlichen und stehen unter Beobachtung ihrer Aktionäre:

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So wurde jüngst publik, dass die Deutsche Lufthansa geltende Tarifverträge zur Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zum Jahresende kündigen will. Die Airline hatte für die Betriebsrenten über Jahre mit Anlagerenditen zwischen sechs und sieben Prozent geplant. Tatsächlich erzielte der Konzern aber nur noch weniger als zwei Prozent.

Nun will die Lufthansa das System der Altersvorsorge umstellen. Statt eines Leistungsversprechens bekommen die Mitarbeiter künftig nur noch ein aktuelles Beitragsversprechen. Das heißt, die Lufthansa zahlt monatlich eine bestimmte Summe in die betriebliche Versorgung ein, aber eine konkrete Auszahlungshöhe für die Mitarbeiter zu Rentenbeginn sagt sie nicht zu. Arbeitsrechtlich sind die Details umstritten. Kommt das Ganze vor Gericht, könnte es zum Präzedenzfall für alle Unternehmen werden, die Probleme mit ihren Pensionsversprechen haben.

Beschäftigte in spe in Deutschland

Während Aktiengesellschaften nicht anders können, als sich dem Problem zu stellen, vergraben kleinere und mittlere Unternehmen das Gefahrenpotenzial oft als Zeitbombe in ihrer Bilanz. Denn dank der Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) können sie die Lücke zwischen Soll und Haben bei den Pensionsverpflichtungen leichter schönen.

„Wer 50 Millionen Euro Rückstellungen in der Bilanz stehen hat, muss, abhängig von der Altersstruktur seiner Mitarbeiter, in vielen Fällen 80 Millionen Euro für spätere Rentenzahlungen aufbringen“, sagt Jörg Paura, Partner der Hamburger Wirtschaftskanzlei Bird & Bird. Für eigenkapitalschwache Unternehmen ein Kraftakt. Paura: „Das Problem ist inzwischen auch allen Mittelständlern bekannt, aber die meisten schieben es deshalb vor sich her.“

Der Schock dürfte kommen, wenn es an die Rentenzahlungen der geburtenstarken Jahrgänge geht. Das wird in zehn Jahren der Fall sein. Und bisher sind keine steigenden Zinsen auf Staats- und Unternehmensanleihen in Sicht.

Kein Wunder, dass meist eisiges Schweigen erntet, wer bei Unternehmen nachfragt. Denn solange sie ihre Pensionsrückstellungen nicht realistisch bilanzieren müssen, ist ihr Eigenkapital höher und der Verschuldungsgrad geringer.

Verbreitung der BAV nach Branchen 2011

Wie kostspielig das Problem werden kann, zeigt folgendes Beispiel: Ein Unternehmen mit 500 gut bezahlten Mitarbeitern möchte zur eigenen Sicherheit alle alten und zukünftigen Rentenzusagen gegen eine Einmalzahlung an einen Pensionsfonds ausgliedern. Der trägt dann auch das Risiko der steigenden Lebenserwartung. Die Lebensversicherung LVM zum Beispiel bietet solche für jeden Fall individuell kalkulierten Übertragungen an und rechnet so: Wie im Bundesdurchschnitt nutzen auch im Musterunternehmen nur die Hälfte der Angestellten die Möglichkeit zur Betriebsrente. Das sind 250 Mitarbeiter mit einer Zusage über eine spätere Rente von 500 Euro monatlich. Das kostet das Unternehmen bei der Übertragung an die LVM einen Einmalbeitrag von rund 7,5 Millionen Euro – es hat bisher für die 250 Kollegen aber nur Rücklagen über 4,7 Millionen Euro bilanzieren müssen.

Außerdem haben 100 Betriebspensionäre dank guter alter Zeiten Anspruch auf eine laufende Rente von monatlich 600 Euro. Diese Verpflichtung an die LVM abzugeben kostet das Unternehmen weitere 10,7 Millionen Euro – bisher sind 7,7 Millionen Euro zurückgelegt. Dem Unternehmen fehlen also rund sechs Millionen Euro, die es aus dem Eigenkapital entnehmen muss.

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