WirtschaftsWoche: Herr Biesalski, Herr Spannagl, Sie erstellen alle zwei Jahre ein Markenranking für die WirtschaftsWoche. Welche besonderen Entwicklungen gab es in diesem Jahr?
Bedingt durch das niedrige Zinsumfeld suchen Menschen zurzeit Sachwerte, das fördert den Luxusmarkt. Aber nicht nur die Newcomer wie T+A, Dedon oder Occhio haben sich verbessert. In der Summe sind die Indexwerte der meisten Vertreter im Ranking nach oben gegangen, das heißt, die deutschen Branchenexperten haben die Markenstärke der deutschen Luxusmarken insgesamt höher bewertet.
Deutsche Luxusmarken erzielen einen überdurchschnittlichen Mehrpreis im Vergleich zu anderen internationalen Luxusanbietern. Das hat viel zu tun mit dem Thema "Made in Germany". Ähnlich wie im Maschinenbau haben die Deutschen nach wie vor den Nimbus, dass ihre Produkte über hohe Verlässlichkeit und Qualität verfügen und das zahlt sich in einer hohen Preisbereitschaft der Käufer aus. Das Preispremium drückt die Exklusivität der Marke aus und ist Bestandteil der Bewertung im Luxusmarkenranking. Unser ermittelter Luxusmarkenindex berücksichtigt die Anziehungskraft einer Marke, den Preisabstand des Luxusmarkenanbieters zu einem Mainstream-Anbieter innerhalb der Produktkategorie sowie die absolute Preishöhe.
Was ist das Besondere an den Aufsteigern?
Die Aufsteiger belegen eine klare Nische. Sie positionieren über Themen wie überragende Qualität, Präzision, und Innovationen. Typische Stärken der deutschen Luxushersteller sind: Solidität, Zuverlässigkeit und Perfektion.
Die Unternehmen, die sich verbessert haben, leben diese Tugenden. Alle Aufsteiger-Unternehmen sind beispielsweise sehr innovationsgetrieben, wie die HiFi-Hersteller T+A und Burmester, aber auch der Kamerahersteller Leica, Küchengerätehersteller Gaggenau und der Draußen-Möbelhersteller Dedon. Käufer schätzen vor allem die herausragende Qualität der Marken.
Besonders stark sind in diesem Jahr wieder die deutschen Uhrenhersteller. A.Lange führt das Ranking zum dritten Mal in Folge an.
Chronoswiss ist seit 2012 keine deutsche Marke mehr, auch der Firmensitz wurde in die Schweiz verlegt – warum wurde sie noch im Ranking berücksichtigt?
Wir haben die Marke im Ranking belassen, weil Chronoswiss im Ursprung eine deutsche Marke ist und die Konsumenten sie weiterhin als deutsche Marke wahrnehmen.
Sieben Marken haben es neu in die Top 30 geschafft - wer hat dafür den größten Absturz erlebt?
Zunächst haben wir haben die Maybach-Manufaktur nicht mehr berücksichtigt, weil die Autos nicht mehr hergestellt werden. Auch die Markenwerte des insolventen TV-Geräteherstellers Loewe und Sportwagenhersteller Wiesmann wurden nicht mehr abgefragt. Das zeigt: Ein Luxusimage schützt nicht vor Misserfolg, sei es durch einen Rückzug vom Markt oder durch Insolvenz. Die Möbelmarke Interlübke war zwar insolvent, ist aber fortgeführt worden, so dass wir sie ins Ranking einbezogen haben.
Deutsche Marken brauchen mehr Geschichte
Stark verloren haben die Modelabels. Viele vermitteln in ihren Kollektionen nicht mehr das, was die Käufer erwarten und sind damit austauschbar. Escada beispielsweise stand für einen glamourösen Markenauftritt, ihre Kollektionen zeigten in der Farbwahl und im Schnitt demonstrativen Luxus. Doch Escada hat seinen luxuriösen Markenauftritt zurückgefahren und positioniert sich nun stärker in der breiten Masse.
Bei Windsor fehlen die Innovationen. Eigentlich war die Marke eine der ersten, die kontinuierliche Werbekampagnen gefahren hat. Viele bekannte Persönlichkeiten waren in Windsor-Kleidung abgebildet, die Marke ist stark über Persönlichkeiten geprägt worden. Doch inzwischen ist sie austauschbar.
Auch Management- oder Inhaberwechsel tun den Unternehmen oft nicht gut. Das führt zu Reibungen und Neuaufstellungen und der Konsument findet sein Markenbild oft nicht mehr wieder. Hat sich eine Modemarke bislang nur über den Designer definiert wie beispielsweise bei Jil Sander, verliert die Marke, wenn der Designer das Unternehmen verlässt.
Wo haben deutsche Luxusmarken noch Nachholbedarf?
Die Marktanteile der etablierten deutschen Luxusmarken lassen sich im Inland fast nicht mehr ausweiten. Die Marken, die bislang noch nicht international präsent sind, müssen ins Ausland gehen.
Auch in der Inszenierung haben die Deutschen noch etwas Nachholbedarf. Wichtig ist, die Geschichten hinter der Marke zu erzählen und sie mit Leben zu füllen. Deutscher Luxus ist zurückhaltend, aber das muss nicht heißen, dass man nicht trotzdem auffällt.
Die Topplatzierten Lange & Söhne, Glashütte, Porsche oder Burmester machen das schon sehr gut. Die Uhr bei Lange & Söhne – insbesondere das Zifferblattdesign - hebt sich von anderen Herstellern ab. Die Porschekampagne erkennt man auch ohne Logo und Burmester hat von der Verbindung mit anderen starken Marken profitiert insbesondere von Bugatti, Porsche und Mercedes.
Welche Kandidaten könnten es 2015 ins Ranking schaffen?
Die Bereiche „Wohnen“ und „Ambiente“ werden sich stärker etablieren. Viele junge Unternehmen sind extrem innovativ und bislang noch an der Schwelle, den Massenmarkt anzusprechen.
Bei Unternehmen aus dem Bereich „Armaturen und Bad“ ist außerdem die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Branchen am stärksten ausgeprägt. Die Perfektion und Verarbeitungsqualität „Made in Germany“ sind ganz weit vorne. Danach folgen Automobile, Besteck und Küchenhersteller und Wohnmöbel. Als weniger wettbewerbsfähig werden Damen- und Herrenoberbekleidung und Lederwaren und Schuhe eingeschätzt.
Messerhersteller Nesmuk und der Badausstatter Alape, der zur Dornbracht-Gruppe gehört, könnten eventuell den Sprung in die Top 30 schaffen.