Biolebensmittel Ökopioniere auf Nachfolgersuche

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In der Branche tobt ein Preiskampf

Heute, 20 Jahre später, stellt die Ölmühle mehr als 100 verschiedene Bioprodukte her. Vor allem Speise- und Kosmetiköle, aber auch Seifen oder Nussmehle. Die ersten zwölf Jahre sei man stetig, aber überschaubar gewachsen, erinnert sich Gudrun Baensch. Ab 2008 habe es dann einen gewaltigen Schwung gegeben. Heute erwirtschaftet ein Team von 60 Mitarbeitern rund sieben Millionen Euro Umsatz im Jahr, Tendenz: steigend.

Die zehn größten Bio-Mythen
Mythos 1: Bioprodukte sind gesünderZwar gibt es Studien, die belegen, dass ökologische Lebensmittel mehr Vitamine und Nährstoffe enthalten – doch andere Untersuchungen widersprechen hier. Daher gibt es keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Bio mit „gesünder“ gleichzusetzen ist. Anders sieht das bei der Pestizidbelastung aus: Hier schneiden Bio-Lebensmittel in der Regel wesentlich besser ab.  Quelle: Welt.de Quelle: dpa
Mythos 2: Bioprodukte sind teurerDer Mehraufwand, etwa für artgerechte Tierhaltung, muss bezahlt werden: 30 bis 100 Prozent kosten Bio-Produkte im Durchschnitt mehr. Doch in vielen Bereichen ist der Preisunterschied zwischen Produkten aus ökologischer und denen aus konventioneller Landwirtschaft kaum noch spürbar – erst recht, seitdem es auch immer mehr Bio-Ware in den Discountern gibt. Bei Obst und Gemüse, etwa bei Karotten oder Äpfeln,  ist der Preisunterschied oft schon verschwunden. Deutlich spürbar bleibt er jedoch bei Fleisch. Quelle: dpa
Mythos 3: Bio-Produkte sind transparentDas stimmt so nicht. Die Vielzahl an unterschiedlichen Siegeln, vom deutschen über das europäische Bio-Siegel bis zu Demeter oder Bioland, ist für Verbraucher kaum zu überschauen – zumal bei allen Kennzeichnungen unterschiedliche Richtlinien gelten. Anbauverbände wie Demeter stellen in der Regel die strengsten Anforderungen, das europäische Bio-Siegel bietet hingegen nur den Mindeststandard.    Quelle: dpa
Mythos 4: Bio ist ein NischenproduktDas galt nur in den Anfangsjahren. 2013 kletterten die Umsätze der Bio-Branche um stattliche 7,2 Prozent auf 7,55 Milliarden Euro, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Im Öko-Barometer des Bundesernährungsministeriums heißt es, dass inzwischen drei von vier Verbrauchern beim Lebensmitteleinkauf auch nach ökologisch hergestellter Ware greifen. Dabei sind die Konsumenten vor allem junge Verbraucher unter 30 Jahren. Für Gerald Herrmann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Organic Services, keine Überraschung: „Die jungen Generationen sind vielfach damit aufgewachsen, für sie ist Bio selbstverständlich geworden." Quelle: dpa
Mythos 5: Bio ist bei Bauern beliebtLandwirte, die Bio-Landbau betreiben wollen, haben mit vielen Hürden zu kämpfen. Zum Beispiel mit dem Flächenproblem: Durch die Subventionierung von Energiemais für Biogasanlagen, die durch das EEG festgelegt ist, können sich viele Öko-Betriebe die teuren Pachtpreise nicht mehr leisten. Zudem gibt es Umstellungsfristen von zwei bis drei Jahren, in denen die Landwirte zwar ökologisch produzieren, ihre Ware aber nur zu den Preisen für konventionelle Ware verkaufen dürfen. Quelle: dpa
Mythos 6: Bio ist regional und nachhaltigDie Nachfrage nach Bio-Produkten wächst schnell – die Größe der Anbaufläche und die Zahl der Bauern können da hierzulande nicht mithalten. Deutschland fehlen Tausende Biobauern. Dadurch wird viel importiert: Jede dritte Bio-Kartoffel stammt aus dem Ausland, bei Möhren, Äpfeln und Gurken ist es etwa die Hälfte. Besonders krass ist es bei Bio-Tomaten und –Paprika, sie stammen zu 80 beziehungsweise über 90 Prozent aus allen Ecken der Welt. Wie nachhaltig eine Bio-Kartoffel aus Ägypten, die intensiv bewässert werden muss, dann noch ist, ist äußerst fraglich. Quelle: dpa
Mythos 7: Bio-Produkte enthalten keine ZusatzstoffeDas kann man pauschal so nicht sagen. Insgesamt 50 der knapp 320 zugelassenen Zusatzstoffe wie Aromen oder Konservierungsmittel sind nach der EU-Öko-Verordnung auch für Bio-Lebensmittel zugelassen, sofern das Produkt ohne diese Zusätze nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden kann. Quelle: dpa

Für Nachfolger sind das optimale Startbedingungen. Trotzdem steht die junge Generation vor großen Herausforderungen. 4,5 Prozent der in Deutschland verkauften Lebensmittel sind Bioprodukte. Bioketten, aber auch konventionelle Lebensmittelhändler drängen in den Markt. In der Branche tobt ein Preiskampf. Kleine Naturkostläden und Produzenten müssen sich gegen die billigeren Discounter behaupten.

Große Lebensmittelkonzerne schielen auf die in der Ökoszene etablierten Marken. So gehört etwa die einige Zeit sehr gehypte Ökolimo Bionade heute zum Oetker-Konzern. Die Familienmolkerei Söbbeke wurde vom französischen Käsekonzern Bongrain übernommen. Der Lebensmittelproduzent Biozentrale wechselte sogar schon mehrfach den Besitzer.

Doch gerade das Beispiel Bionade zeigt: Wenn Verkäufe an große Konzerne publik werden, droht ein massiver Verlust an Glaubwürdigkeit. Denn wer bio kauft, tut dies regelmäßig, weil er die konventionelle Lebensmittelindustrie ablehnt. Auf Etiketten oder den Webseiten werden die Verflechtungen daher nur selten kommuniziert, die für viele Biokäufer so wichtige Transparenz bleibt auf der Strecke.

Die Idealisten unter den Ökounternehmern schrecken deshalb vor einem Verkauf zurück. Findet sich kein Nachfolger in der Familie, bieten Betriebe lieber langjährigen Mitarbeitern Anteile an.

Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren, rät den Unternehmern, einen Verkauf nicht pauschal abzulehnen, sondern die Interessenten stattdessen genau zu überprüfen: „Es kommt auf die philosophische Ausrichtung des Käufers an. Diese muss mit den Unternehmenswerten zusammenpassen, sonst wird niemand glücklich.“ Überdies seien bislang die wenigsten Unternehmen tatsächlich an größere Investoren verkauft worden. Sie warne immer davor, sich zu schnell eine Meinung zu bilden, und rät, „einfach mal zu schauen, wie die Welt wirklich aussieht“.

Das sind die besten Bio-Fleischersatzprodukte

Für die Ölmühle Solling wäre ein Verkauf nie infrage gekommen. „Es gab immer wieder Angebote, aber wir haben das kategorisch abgelehnt“, sagt Ölmüllerin Gudrun Baensch. Weil sie dann nicht mehr unabhängig gewesen wären. „Wir hätten nicht mehr frei entscheiden können. Oft geht es dann um Wachstum um jeden Preis, und genau das wollen wir nicht.“ Sohn Sebastian sieht das genauso. „Unsere Kunden schätzen es, dass sie genau wissen, wo die Rohstoffe herkommen und dass die Produkte garantiert schadstofffrei sind. Man kann sich da keinen Schnitzer erlauben, die Kunden strafen das sofort ab.“ Allein für Schadstoffanalysen der Ölsaatlieferungen gebe der Betrieb jährlich rund 250.000 Euro aus. Natürlich sei klar, dass die Ölmühle mit dieser Philosophie vor allem die kleinen Naturkostläden und weniger die großen Handelskonzerne erreiche. „Das ist eine Wette darauf, dass der privat geführte Fachhandel auch künftig erhalten bleibt.“

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