Birkenstock Vom zerstrittenen Familienunternehmen zum Global Player

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Neun Unternehmen, fünf operative Bereiche

Aus dem losen, zersplitterten Firmenverbund mit 38 Einzelgesellschaften machten Reichert und Bensberg einen übersichtlichen Konzern mit neun Unternehmen in fünf operativen Bereichen. „Der Konzern muss auf einem Bierdeckel erklärbar sein“, sagt Reichert. Der Umbau gelang, gleichzeitig wuchs der Umsatz um 20 bis 30 Prozent pro Jahr.

Zugunsten eines neuen Dachmarkenkonzepts wurden Marken wie Alpro, Betula, Birkis und Footprints eingestellt. Den Investitionsstau, den das entscheidungsunfähige Brüder-Triumvirat hinterlassen hatte, haben die Manager aufgelöst. Rund 80 Millionen Euro flossen seit 2014 in zusätzliche Produktions- und Logistikkapazitäten, in modernere Maschinen und in die Entwicklung neuer Produkte.

Der Markenauftritt wurde aufgefrischt und der Ausbau der eigenen Ladenkette mit derzeit 15 Filialen begonnen. Hinzu kommt die Präsenz in neuen Märkten. Allein in Südkorea verkaufte Birkenstock schon im ersten Geschäftsjahr 2015 eine Million Paar Sandalen. Globale Vertriebsstrukturen wurden geschaffen, unter anderem ein Außendienst für den deutschsprachigen Teil Europas sowie Vertriebsbüros in Spanien, Brasilien und Hongkong. Und der 2015 entstandene eigene Onlineshop ist schon in 20 Ländern verfügbar.

Die Skepsis war groß: „Es gab Paranoia bei Birkenstock.“ Viele seien ihm begegnet mit der Frage im Blick, „ob man denen da oben trauen kann“, sagt Reichert.

Doch der Erfolg überzeugt. Die Zahl der Mitarbeiter der Birkenstock-Gruppe stieg von 2000 im Jahr 2013 auf heute 3800. Weitere 300 bis 400 zusätzliche Mitarbeiter würden sofort eingestellt, wenn der Arbeitsmarkt das hergäbe, sagen die Manager.

Mitarbeitermangel und andere Engpässe führen laut Reichert dazu, dass Birkenstock gar nicht so viel Schuhwerk produzieren kann, wie die Händler in aller Welt verkaufen könnten – vor allem in Asien und den USA, wo Birkenstock derzeit zwei Fünftel des Umsatzes erwirtschaftet. „Wir sind seit vier Jahren in Folge mehr oder weniger ausverkauft“, beschreibt Reichert die Lage: „Der Flaschenhals sind immer noch Produktion und Logistik.“ Folge: Birkenstock musste trotz der Aufstockung der Produktionskapazitäten erstmals einen Orderstopp verhängen. Sechs Monate Wartezeit bis zur Auslieferung liegen laut Reichert an einem „enormen Schub, den wir nicht reiten konnten“. Gesucht wird auch ein zusätzlicher Logistikstandort für ein Hochregallager, nachdem der Gemeinde Vettelschoß bei Koblenz ein geplanter 35-Meter-Neubau unweit von Wohngebieten zu hoch war.

Um mehr produzieren zu können, stellt Birkenstock immer wieder bisherige Zeitarbeitskräfte ein – in St. Katharinen etwa wieder Anfang Dezember eine zweistellige Zahl. Sie vergrößern die Stammbelegschaft – und kommen heute, anders als in den Neunzigerjahren, in ein Unternehmen, in dem Betriebsräte ein anerkannter Teil der Belegschaft sind, sagt Betriebsratschefin Falk-Wagner. Wie selbstverständlich spricht sie heute auf dem Flur mal eben den Werksleiter auf dessen anstehenden Auftritt bei der Betriebsversammlung Ende November an. Als der Betriebsrat vor zwei Jahren gegründet wurde, hatten sie und ihre Kollegen noch „Sorge, was passiert“. Doch die Sorgen haben sich erledigt, sagt die gelernte Technische Zeichnerin, die in der Sandalenfertigung an der Endmontagelinie gearbeitet hat, bis sie für ihre Betriebsratstätigkeit freigestellt wurde. Auch bei der Bezahlung konstatiert die Nichtgewerkschafterin eine Korrektur. Das Management habe die Benachteiligung der Frauen beseitigt, es gebe „eine klare Lohnentwicklung in die richtige Richtung“.

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