Branche in Not Trotz Hilfen bleibt in vielen Bäckereien der Ofen bald aus

Die Energiekosten sind nur eine von vielen Herausforderungen für das Bäckerhandwerk. Quelle: dpa

Die deutschen Bäcker sind in Schwierigkeiten – und der Energiepreisdeckel wird sie davon nicht befreien. Die Branche leidet unter weit mehr als hohen Kosten für Gas und Strom. Ein Einblick in einen Wirtschaftszweig auf dem Rückzug.

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Die Bäcker-Branche hat besonders laut nach Entlastung für den Anstieg der Energiekosten gerufen. Mit dem im März in Kraft tretenden Gas- und Strompreisdeckel will die Politik auch sie besänftigen. Das Sterben der Handwerksbäckereien aber geht weiter – denn hohe Energiepreise sind bei Weitem nicht das einzige Problem der Unternehmen. Steigende Rohstoffkosten, sparsame Kunden und der höhere Mindestlohn belasten die Bäckereien noch stärker.

Die Energiekrise sei „ein Katalysator für die Herausforderungen in der Bäckerbranche, denen sich das Handwerk stellen muss“, sagt Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Backhandwerks, auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Die Branche ist schon lange in Not, das bestätigen auch Daten des Zentralverbands: In den vergangenen zehn Jahren sank die Zahl der Handwerksbäckereien stetig um drei bis vier Prozent im Jahr. In dem Wirtschaftszweig arbeiten denn auch immer weniger Menschen. Allein in den vergangenen vier Jahren sei die Zahl der Beschäftigten in den Bäckereien um rund 30.000 auf 240.800 gesunken, schätzt der Zentralverband.

In diesem Jahr dürften weitere Betriebe aufgeben, warnt Schneider. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nehmen nach seiner Einschätzung nicht nur potenziellen Gründern, sondern auch bestehenden Handwerksbäckereien die Lust am Geschäft. So ähnlich erlebt Bäcker Roland Schüren die Lage. Er sagt voraus, dass in den nächsten zwölf Monaten rund jede zehnte Bäckerei aufgibt. „Durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation gibt es eine immense Investitionszurückhaltung und deswegen auch kaum Neugründungen“, sagt der Unternehmer, der im Rheinland 19 Filialen mit 250 Mitarbeitern betreibt.

von Isabelle Wermke, Jacqueline Goebel

Erhöhter Mindestlohn: Segen und Fluch

„Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro macht vielen Bäckereien zusätzlich zu schaffen“, berichtet Jan Patrick Behmer, Obermeister der Düsseldorfer Handwerksbäcker. Steigende Löhne seien für die Branche einerseits ein Segen: Sie machten das Handwerk attraktiver. Andererseits aber sei die jüngste Erhöhung des Mindestlohns um 22 Prozent für viele Betriebe schwer zu stemmen – zumal nicht nur die am schlechtesten bezahlten Beschäftigten mehr Geld erhielten. In Tarifverträgen sei häufig ein Abstand zum Mindestlohn festgehalten, sagt Behmer. Das führe zu Lohnerhöhungen auf allen Ebenen.

Die Gehälter sind für viele Handwerksbäckereien der größte Kostenblock. „Im Durchschnitt sind zwischen 45 und 50 Prozent des Umsatzes von Handwerksbäckereien Lohnkosten“, schätzt Behmer. Die Personalkosten haben für die Bäckereien damit weit größere Bedeutung als die Ausgaben für Energie. 

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Wie sehr der höhere Mindestlohn die Unternehmen trifft, hängt von deren Standort ab, wie Tim Hofsommer erklärt. Der Unternehmensberater hat sich auf Bäckereien spezialisiert. In prosperierenden Landstrichen, „zum Beispiel in Neckarsulm, wo Audi fertigt“, mache der Mindestlohn keinen Unterschied. Dort zahlten die Bäckereien längst mehr als zwölf Euro Stundenlohn. In anderen Orten sei die Lage völlig anders. Hofsommer nennt eine Bäckerei in Chemnitz als Beispiel. Der Betrieb habe vor der Mindestlohn-Erhöhung Durchschnittslöhne von rund zehn Euro gezahlt. Schon im Jahr 2021 hatte das Bäckerhandwerk gefordert, die Anhebung des Mindestlohns auf Januar 2024 zu verschieben oder zumindest über mehrere Stufen zu strecken. Die Branche fand aber kein Gehör.

Härtefallregelung führt zu Wettbewerbsverzerrung

An der Existenznot vieler Bäckereien ändern auch die zusammen mit der Energiepreisbremse vom Bundestag beschlossenen Härtefallregeln wenig. Durch sie sollen kleine und mittlere Unternehmen eigentlich zusätzliche Unterstützung erhalten, wenn die steigenden Energiepreise für die Betriebe trotz der übrigen Hilfen bestandsgefährdend sind. Der Zentralverband des Backhandwerks rechnet aber damit, dass nur wenige bis keine Handwerksbäckereien als Härtefälle eingestuft werden.

„Für einige Betriebe gleicht das einer Katastrophe“, sagt Hauptgeschäftsführer Schneider. Nach dem Eckpunktpapier der Härtefallregelung ist für die Hilfen eine Vervierfachung der Energiepreise bei Gas und Strom Voraussetzung. Doch auch eine etwas geringere Preissteigerung werde viele Betriebe in ihrer Existenz bedrohen, warnt er.

Nach dem Eckpunktepapier gilt zudem als Voraussetzung für einen Härtefall, dass die Energiekosten in den Betrieben mindestens acht Prozent vom Umsatz ausmachen. Das schließe weitere unterstützungsbedürftige Betriebe aus, erläutert Schneider. Auch die Einigung der Ampel von Mitte Dezember, nicht leitungsgebundene Brennstoffe wie Pellets, Heizöl oder Flüssiggas in die Härtefallregelung aufzunehmen, bringt den kleinen und mittelständischen Bäckereien nichts. Die Regelung gilt nur für Privathaushalte. Das führe zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Branche, beklagt der Handwerksbäcker-Obermeister Behmer. Laut dem Zentralverband der Branche betreiben fast ein Drittel der Handwerksbäckereien in Deutschland ihre Öfen mit Öl, Holzpellets, Flüssiggas oder Kohle.

Auch Bäcker Schüren ärgert sich über die Pläne der Politik. Die Bundesregierung tue zwar genug, „aber an den falschen Fronten“, moniert er. „Die Hilfen kommen den Energieversorgern mehr zugute als den Unternehmen.“ Die Bäckereien müssten die Möglichkeit bekommen, in effiziente und erneuerbare Technik zu investieren, um auf lange Sicht unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden.

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Johannes Dackweiler, Bio-Bäcker in Düsseldorf, weiß von keiner Bäckerei, die in das Raster der Härtefallregelung fällt. Die Hilfen erhalten nach seiner Einschätzung allenfalls Betriebe, die wirtschaftlich „ohnehin am Ende“ sind. Für wichtiger als staatliche Unterstützung hält Dackweiler, dass die Menschen auch in Zukunft zum Bäcker gehen. „Ob wir gut durch dieses Jahr kommen, hängt auch stark vom Sparverhalten der Verbraucher ab“, sagt er.

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