„Büßt an Attraktivität ein“ Das Asien-Problem der Weltmarktführer

Stau in Shanghai: Volkswagen war mit dem Modell Santana, hier als Taxi, ein Pionier der globalen Autoelite. Inzwischen hat die Konkurrenz aufgeschlossen. Auch bei anderen deutschen Weltmarktführern macht sich in Asien Ernüchterung breit. Quelle: dpa

Für deutsche Weltmarktführer gilt Asien als Markt mit dem größten Wachstumspotenzial. Doch die Erwartungshaltung der Unternehmen ist zuletzt eingebrochen – vor allem die der kleineren Firmen.

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Der Volkswagen Santana war ein beeindruckender Erfolg für den VW-Konzern. Schon 1985 drängte VW mit dem Mittelklasse-Modell ins Reich der Mitte, produzierte vor Ort in Shanghai und verkaufte mehr als drei Millionen Santanas in China. Volkswagen war ein Pionier der globalen Autoelite – und vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahre uneingeschränkter Marktführer.

Inzwischen hat die Konkurrenz aufgeschlossen und den VW-Konzern teils überholt. Noch immer ist China einer der wichtigsten Märkte für Volkswagen, aber VW hat bei der Technologie- und Preisführerschaft büßen müssen. Zuletzt kämpften die Wolfsburger auch mit einem Chipmangel für das Elektroauto ID.3.

Ernüchterung macht sich breit – nicht nur bei Volkswagen. Die Euphorie bei deutschen Weltmarktführern ist merklich eingebrochen. Sorgen macht ihnen nicht nur der intensive Wettbewerb, sondern auch die unsichere politische Lage: ein strenges Corona-Regime, Menschenrechtsverletzungen und drohende Handelskonflikte mit den USA. Aber auch Rohstoffknappheiten und Lieferengpässe.

Und ganz offenbar färbt China sogar ab auf den gesamten Kontinent. Auch andere Länder in Asien werden zunehmend kritischer beäugt. Das Wachstumspotenzial in den asiatischen Ländern wird nach wie vor als hoch eingestuft, aber nicht mehr uneingeschränkt. Der Ausblick ist trüber geworden.

Die Unternehmensberatung Rödl und Partner hat das veränderte Vertrauen in Zahlen gemessen. 40 Prozent der befragten Unternehmen gaben in der Herbstumfrage zum Weltmarktführerindex an, dass Asien weiterhin der Raum mit dem größten Wachstumspotenzial sei. An sich wäre das ein guter Wert. Aber es war schon mal besser – viel besser sogar.

Im Herbst 2020 waren noch 75 Prozent regelrecht asien-euphorisch, zur gleichen Jahreszeit 2019 waren es immerhin 56 Prozent und im Frühjahr 2019 noch 66 Prozent. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem wohl wichtigsten Branchenverband in Deutschland, ist man sich dennoch sicher: „Asien ist weiterhin der wichtigste Wachstums- und Zukunftsmarkt für die deutsche Industrie“, sagt Ferdinand Schaff, Projektreferent für internationale Märkte und spezialisiert auf China, Südkorea und Insel-Südostasien.

Der BDI hält den Stimmung-Peak im Jahr 2020 für außergewöhnlich. Dass die Umfrageergebnisse zuletzt so stark schwankten, könne sich durch die Coronakrise erklären lassen. „Viele asiatische Länder, vor allem China, kamen im vergangenen Jahr schnell aus der Krise“, sagt Schaff vom BDI. Deshalb hätte es dort zum Beispiel zu Beginn des Jahres deutlich bessere Wachstumsaussichten als in Europa oder den USA gegeben.

Heute sehe das anders aus. Die milliardenschweren Programme der EU und der US-Regierung, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, zeigten ihre Wirkung. Und gerade im Hinblick auf China, dem wichtigsten Markt in Asien, sei derzeit einiges im Unklaren. „Wir erleben in China in diesem Jahr eine Stromkrise, eine schwelende Immobilienmarktkrise, und eine neue harte Welle an Regulierungen und staatlichen Eingriffen.“ Das drücke auf das Wachstum und sorge für Unsicherheit.

Hinzu kommt laut Schaff das neue Lieferkettengesetz. „Gerade politische Faktoren können dazu führen, dass wir in schwieriges Fahrwasser geraten“, sagt er. Besonders für kleinere Unternehmen, die keine große Rechtsabteilung haben, werde es schwer, das neue Lieferkettengesetz umzusetzen. Das Gesetz mit dem offiziellen Titel Sorgfaltspflichtengesetz hat die Politik verabschiedet, um den Schutz der Menschenrechte in der globalen Lieferkette zu verbessern. Dafür sollen nun auch deutsche Unternehmen bei ihren Partnern im Ausland Sorge tragen. „Allein zu überprüfen, ob in den Zulieferketten der Unternehmen auf der zweiten oder dritten Ebene Menschenrechte verletzt wurden, stellt sie vor eine große Herausforderung“, sagt Schaff.

Zumindest mit China gibt es das ewige Spannungsfeld aus wirtschaftlichem Partner, Wettbewerber bei Drittländern und systemischer Rivale. „China bleibe für deutsche Unternehmen zwar der zentrale Markt der Region“, sagt Schaff. „Indien, Indonesien, Vietnam, Malaysia und die Philippinen sind Länder mit ebenfalls hohen Wachstumsraten und dynamischen Volkswirtschaften.“ Um diese Märkte auch gut nutzen zu können, seien vor allem auf eine starke Freihandels- und Außenwirtschaftspolitik der EU angewiesen.

Schaff kann nicht für alle deutschen Weltmarktführer sprechen, einige sind eher in Mittelstandsverbänden organisiert. Nachgefragt bei Matthias Bianchi, Leiter für politische Außenbeziehungen beim Deutschen Mittelstands-Bund (DMB). „Wir beobachten zumindest einen milden Trend, dass Asien an Attraktivität einbüßt“, sagt er. Ein Grund sei auch der Handelskonflikt zwischen China und den USA und auch der EU. „Viele Mittelständler sind verunsichert.“

Zudem setzten einige asiatische Länder verstärkt auf Binnenwachstum. „Asia for Asia oder China for China spielen eine immer wichtigere Rolle. Die Länder werden zudem selbst immer innovativer“, sagt Bianchi. Er sieht aber noch kein strukturelles Problem. „Die laut der Umfrage abgenommene Begeisterung für Asien hängt für mich auch mit einem wiedererstarkten Wachstumspotenzial für Europa und den USA zusammen“, meint Bianchi. Und das wäre ja eine gute Nachricht.

Mehr zum Thema: Lange war Deutschland Maschinen-Exportweltmeister. Nun hat China die Führung übernommen. Damit sich der Trend wieder umkehrt, muss sich Vieles ändern, sagt Trumpf-Werkzeugmaschinenchef Stephan Mayer. Auch die Politik nimmt er in die Pflicht.

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