Champions des deutschen Mittelstands Die neuen Strategien der Weltmarktführer

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Die Finanzkrise wirkt immer noch nach

Big Dutchman zum Beispiel, der Weltmarktführer für Schweine- und Geflügelstalleinrichtungen aus Vechta, freute sich bis Ende 2012 über die Sonderkonjunktur, die die Verordnungen für besseren Tierschutz dem Unternehmen brachte. Doch dann kam die Russland-Krise, die den Niedersachsen einen Einbruch weit über Russland hinaus brachte. „Die Importbeschränkungen Russlands für Agrargüter aus der EU betreffen Landwirte in ganz Westeuropa“, sagt der Vorstandsvorsitzende Bernd Meerpohl. „Ihre Einkommen sinken, also sparen sie sich Investitionen in neue Haltungssysteme.“ Allein der direkte Absatz in Russland brach bei Big Dutchman um 30 Prozent ein.

„Wir werden ab jetzt ein deutlich geringeres Wachstum haben“, prognostiziert der Mittelständler und kündet einen Strategiewechsel an. „Weil die europäischen Märkte gesättigt und die sehr hohen russischen Umsätze Geschichte sind, gehen wir verstärkt nach Malaysia und China, investieren auch kräftig in Amerika.“

Wo der Mittelstand sein Geld anlegt

Nur 16 Prozent der Unternehmen wollen mehr investieren als 2014

Der Gegenwind trifft viele Mittelständler trotz der Globalisierungsgewinne der vergangenen Jahre nicht unbedingt in gestärkter Verfassung. Die Finanzkrise von 2008/09 wirkt noch immer nach, das Investitionsniveau von 2008 wurde gerade erst wieder erreicht. Und ein Zuwachs ist nicht in Sicht, sagt die soeben veröffentlichte „Diagnose Mittelstand 2015“ der Sparkassengruppe. Ihr zufolge wollen nur 16 Prozent der befragten Unternehmen mehr investieren als 2014. Bei erwarteten sinkenden Umsatzrenditen würden sie vor allem das Eigenkapital stärken.

Mancher Vorjahres-Champion aus dem Wachstums-Ranking gilt deshalb wie Big Dutchman nicht nur der eigenen Branche als Warnung.

Der Druck, außerhalb Deutschlands zu investieren, wird in den nächsten Jahren steigen. Das gilt auch für den Autozulieferer Hirschvogel im bayrischen Denklingen, dem Sieger des WirtschaftsWoche-Rankings. Dessen Finanzchef Alfons Häscher sieht neben Deutschland in erster Linie in „Polen, China, Indien und den USA für Hirschvogel auch in den nächsten Jahren ein attraktives Wachstum“. Hirschvogel produziere seine Fahrwerksteile und Getriebe „local-for-local“, das heißt dort, wo die Abnehmer sitzen, also die Autokonzerne und deren Kunden. Deren Ansprüche an Präsenz wachsen. „Deshalb konzentrieren wir uns auf den Ausbau unserer vorhandenen Auslandswerke.“

Worauf kleine Mittelständler beim Gang ins Ausland achten sollten

"Deutsche Mittelständler müssen ihre Organisationsstrukturen ändern"

Für viele Unternehmen geht damit ein Umbau im Innern einher. „Die deutschen Mittelständler müssen ihre Organisationsstrukturen ändern“, sagt Unternehmensberater Venohr. „Sie agieren noch zu oft mit einem alles beherrschenden starken Stammhaus.“ Den Grund für die schädliche Machtkonzentration in der Zentrale sei ein „Mentalitätsproblem“, meint Venohr, „nämlich Kontrolle abzugeben“. In zehn Jahren jedoch würden die Regionen immer stärker und die Märkte immer dezentraler. Dann ist das Modell der alles beherrschenden Konzernzentrale rund um den Patriarchen endgültig überholt.

Wohin sich die wachstumsverwöhnten deutschen Mittelstandschampions in den kommenden Jahren entwickeln müssen, machen ihnen die Großunternehmen vor. Im ganzen Land organisieren sich auch erfolgreiche Unternehmen neu, weil sie für einst schöne Töchter unter dem eigenen Dach keine Zukunft mehr sehen. Der Verlag Axel Springer verkaufte jüngst seine Regionalzeitungen, Frauen- und Programmzeitschriften an den Essener Konkurrenten Funke. Der Sportartikelhersteller Adidas will seine Marke Rockport mit ihren Allerweltsschuhen loswerden. Oder Bilfinger verkauft nach und nach das klassische Baugeschäft, um sich auf Dienstleistungen zu konzentrieren.

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