Chef der Kinderfahrradmarke Woom „Einfach ein Erwachsenenprodukt klein machen – das funktioniert nicht“

Woom-Kinderfahrrad Quelle: Presse

Die Kinderfahrradfirma Woom wächst weiterhin ungebremst. Ein Gespräch mit Co-Chef Paul Fattinger über neue Märkte in Asien, Produktionsverlagerung nach Polen und die Sinnhaftigkeit von E-Bikes für Kinder.

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Das Unternehmen Woom wurde 2013 vom österreichischen Industriedesigner Christian Bezdeka und dem früheren General-Motors- und Opel-Manager Marcus Ihlenfeld in Wien gegründet. Die Firma spezialisiert sich auf Kinder- und Jugendfahrräder und setzt zum Beispiel auf Aluminium-Rahmen, was die Räder vergleichsweise leicht macht. Dafür sind sie nicht gerade günstig: Ein 14-Zoll-Rad für Kinder ab drei Jahren kostet 400 Euro. Doch die Nachfrage ist groß: Allein von 2020 (50 Millionen Euro) auf 2022 (mehr als 100 Millionen Euro) verdoppelte sich der Umsatz.

2020 holen die beiden Gründer erstmals Investoren an Bord und ziehen sich aus der Geschäftsführung zurück. Seit Februar 2022 gibt es zwei neue Geschäftsführer: Paul Fattinger in Wien sowie Mathias Ihlenfeld, Bruder von Co-Gründer Marcus Ihlenfeld, mit Sitz in den USA. Heute beschäftigt Woom rund 250 Frauen und Männer.

WirtschaftsWoche: Herr Fattinger, finden Sie es eigentlich schade, dass Sie Ihr eigenes Produkt nicht nutzen können?
Paul Fattinger: Ein „Woom 6“ ist ein 26-Zoll-Rad, das könnte ich sogar fast noch selbst fahren. Aber im Ernst: Natürlich wäre es ein Traum von mir, dass ich unsere Räder selber fahren könnte. Aber wir sind sehr klar positioniert als Kinderfahrradmarke, da sehen wir unsere Stärke. Und es ist nicht so trivial, wie man vielleicht denkt: Einfach ein Erwachsenenprodukt klein machen – das funktioniert nämlich nicht.

Zur Person

Paul Fattinger Quelle: Presse

Und umgekehrt?
Umgekehrt geht es auch nicht so einfach, ein Produkt für kleine Kunden einfach groß zu machen. Wir entwickeln etwa gerade einen neuen Helm für Kinder. Der hat eine ganz andere Passform, die Form eines Kinderkopfs ist nicht gleich mit der eines Erwachsenenkopfs. Also nein, umgekehrt funktioniert das auch nicht. Außerdem gibt es im Markt für Räder für Erwachsene einfach so viele Produkte, da könnten wir nicht den gleichen Beitrag leisten wie im Kinderfahrrad-Markt. Deshalb bleiben wir dabei.

Die Konkurrenz wäre Ihnen bei Erwachsenenrädern zu groß?
Sie wäre auf jeden Fall größer als in unserer Branche.

In der Branche für Kinder- und Jugendfahrräder sind Sie Marktführer in Ihrem Heimatmarkt Österreich. Wo müssen Sie noch aufholen?
Unsere stärksten Märkte sind Deutschland und Österreich. Und der zweite große Block sind die USA, dort erwirtschaften wir rund 20 Prozent. Wobei wir in den USA nur einen einstelligen Marktanteil haben und hauptsächlich in drei Regionen stark sind: im Nordosten rund um New York, in Texas und Kalifornien. Da gibt es also noch viel Marktpotenzial, das wir ausschöpfen können. In Europa konzentrieren wir uns zurzeit vor allem auf Wachstum in Frankreich. Und in dieser Woche haben wir neue Onlineshops in den Niederlanden, in Schweden und in Dänemark freigeschaltet.

Anfang des Jahres ist die Jebsen Group aus Hongkong mit 15 Prozent bei Woom eingestiegen, ein Spezialist für Markteintritte in Asien. Ist das die Antwort auf die Frage, wo Sie die nächsten potenzialträchtigen Märkte ausgemacht haben?
Der asiatische Markt ist für uns hochinteressant. Aber konkrete Expansionspläne gibt es momentan noch nicht. Die Jebsen Group ist der ideale Partner für unsere Expansionspläne, da Jebsen den Markt seit 125 Jahren kennt und weiß, wie man operativ in den Markt eintritt. Das ist schon was anderes, als nach Frankreich zu gehen. Aber konkrete Pläne gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Also fokussieren Sie sich jetzt auf China?
Nicht nur: Südkorea, Japan, Australien und Neuseeland sind die ersten Länder im asiatisch-pazifischen Raum, die wir uns ansehen. Aber wir beschäftigen uns gerade neu mit dem Thema und entwickeln gerade erst die Pläne für Markteintritte.

Dort sind Sie dann deutlich näher an Ihren Hauptproduktionsstätten.
Wir produzieren wie die gesamte Fahrrad-Branche hauptsächlich in Asien – aber zum Teil auch in Europa. Unsere größten Produktionspartner sitzen in Bangladesch, Vietnam und Kambodscha. Unser mittelfristiges Ziel ist, näher an die Märkte kommen.

2021, in der Pandemie, wollte Woom unter Ihrem Vorgänger große Teile der Produktion nach Polen verlagern, ein Jahr später mussten Sie die Entscheidung teilweise wieder revidieren. Wieso?
Wir verfolgen seit einigen Jahren eine diversifizierte Produktionsstrategie mit Partnerfabriken in mehreren Ländern. Mit Standorten in Vietnam, Bangladesch, Kambodscha sowie – seit Anfang 2021 – zwei Fabriken in Polen können wir auf Störungen bei den Lieferketten schnell reagieren. An dieser Strategie halten wir fest, sie hat sich für uns bewährt. Wir arbeiten seit 2021 mit einen Partner in Polen zusammen, der für uns die Endfertigung der Woom „Original“-Serie für den europäischen Markt im polnischen Świebodzin erledigt. Inzwischen haben wir auch noch ein zweites Werk in Polen (Idealbike), wo die Woom E-Bikes assembliert werden.

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Ist die Produktion in Polen automatisierter als in Vietnam und Bangladesch wegen der höheren Lohnkosten?
Die sogenannte Assemblierung ist größtenteils ein handwerklicher Prozess, das können Roboter nicht. Die Lohnkosten sind in Polen höher als in Vietnam, dafür spart man sich die Transportkosten für die Ware in Europa. Diese Aufteilung ist für uns ein gutes Modell. Wir haben im vergangenen Jahr etwa 400.000 Fahrräder verkauft, da muss man eine gewisse Diversifizierung haben, auch was die Abhängigkeit in der Produktion betrifft.

Wie viele dieser 400.000 Räder haben Sie online verkauft?
Unser Online-Anteil liegt derzeit bei bis zu 40 Prozent, vor allem weil wir bisher in den USA nur über unseren eigenen Onlineshop vertrieben haben.

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