Chinas Null-Covid-Politik Coronaschock für deutsche Unternehmen in China

Lockdown in Shanghai: China wähnte sich mit seiner Null-Covid-Strategie gut gewappnet. Doch besiegt ist die Pandemie längst nicht. Quelle: REUTERS

Die Lockdown-Gefahr in China wird zum Dauerproblem für deutsche Unternehmen. Firmen fahren ihre Produktion runter oder setzen auf Arbeiter, die in Fabriken schlafen. Container-Engpässe wirken wohl noch lange nach.

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Nein, von Verlusten in der Produktion zu sprechen, dafür sei es „zu früh“, heißt es bei Volkswagen. „Wenn sich die Situation in nächster Zeit entspannt und stabilisiert, können wir die Produktionsverzögerungen im Laufe des Jahres wieder aufholen“, sagt eine Sprecherin der China-Dependance des deutschen Konzerns in Peking. Dennoch ist die Nervosität nicht von der Hand zu weisen. Der Autobauer hat die Produktion in seinen Werken in Anting bei Shanghai am 1. April gestoppt. „Die Durchführbarkeit der Wiederaufnahme der Produktion im Werk von SVW Anting wird derzeit geprüft.“

Corona hat China im Griff, mehr als der Regierung in Peking recht sein kann. Der kommunistische Staat wähnte sich mit seiner Null-Covid-Strategie besser gewappnet als der Westen, wo Gesundheitsschutz und Freiheitsrechte gegeneinander abgewogen werden. Doch die jüngsten Ausbrüche der Pandemie in China geben Anlass zur Sorge – auch bei deutschen Weltmarktführern. Sie fahren ihre Produktion teilweise herunter, leiden unter Engpässen und Quarantäneregeln und gehen mit der Politik Chinas hart ins Gericht.

Für den Wolfsburger Autokonzern steht der wichtigste Auslandsmarkt der Gruppe auf dem Spiel. Das Volkswagen-Werk in Changchun, gut drei Flugstunden nördlich von Shanghai, hat seit dem 14. März pausiert. Kurz nach Ostern sei die Produktion dort „schrittweise“ wieder aufgenommen worden. Dennoch seien die Gesamtauswirkungen der Pandemie in diesem Jahr stärker in Regionen zu spüren gewesen, in denen die Volkswagen-Gruppe aufgrund großer Händlergruppen „traditionell starke Umsätze erzielt“, heißt es. Dies gelte etwa für nordöstliche Provinzen wie Jilin, die Region des Jangtse-Deltas und Gegenden wie Shandong und Hebei. „Infolge der jüngsten Abriegelungen waren allein im März rund 20 Prozent der Händler der Gruppe gezwungen, vorübergehend zu schließen, und weitere sind von Personalabbau und individuellen Quarantäneverpflichtungen betroffen.“

Nach wie vor setzt China auf rigide Vorschriften zur Eindämmung der Pandemie. Ausländer müssen gleich nach Ankunft zwei bis vier Wochen in Quarantäne – je nachdem, in welche Region sie einreisen wollen. Das trifft etwa Maschinenbauer aus Deutschland, die ihre Serviceteams zur Wartung der Maschinen zu ihren chinesischen Kunden schicken wollen – und seit Beginn der Pandemie bei Dienstreisen viele Quarantänewochen als Puffer einplanen müssen. 850 der 3500 im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) organisierten Mitglieder haben eine Niederlassung vor Ort.

Selbst wenn deutsche Firmen einheimische Techniker aussenden wollten, trifft sie womöglich ein Reisebann. Es gebe zurzeit „70 Städte mit positiven Corona-Fällen“, sagt Claudia Barkowsky, Geschäftsführerin des VDMA China. Wer aus einer betroffenen Region komme, werde automatisch mit einem Sternchen im Gesundheitspass registriert. Die Folge: mehrtägige Zwangs-Quarantäne. Oder Übernachtungsverbot in Hotels. „Die Mobilität der eigenen Mitarbeiter in China ist aktuell stark eingeschränkt“, sagt Barkowsky. Damit seien quasi alle deutschen Exportunternehmen in China von den aktuellen Coronaausbrüchen betroffen.

Selbst dann, wenn sie die Produktion nicht herunterfahren mussten. Der Kettensägenhersteller Stihl etwa produziert in Qingdao, rund anderthalb Flugstunden südlich von Peking. Außerdem hat Stihl eine Tochtergesellschaft in Huizhou in der Nähe von Hongkong. Beide Standorte seien „ohne relevanten Produktionsausfall“ durch die jüngste Coronakrise im Land gekommen. Indirekt verzeichnete Stihl aber „stark eingeschränkte Verfügbarkeiten und Lieferengpässe von Materialien wie Stahl, Elektronikkomponenten oder Kunststoffen“, heißt es bei dem Unternehmen, „auch bedingt durch die Schließung von relevanten Lieferanten auf Basis der Null-Covid-Politik Chinas.“

Die Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung trage „zu erheblich gestörten globalen Lieferketten bei“, kritisiert Stihl. „Im Kontext der globalen und auch der lokalen Wirtschaftsfolgen in China hoffen wir auf eine baldige Änderung der Null-Covid-Politik Chinas.“

Seit Herbst 2021 hat Peking seine Strategie leicht angepasst, spricht selbst inzwischen von einer „Dynamic“ Covid-Zero-Strategie. In China ist man der Ansicht, dass importierte Infektionen der eigentliche Ursprung der aktuellen Schübe sind. Aufgrund des internationalen Warenverkehrs und internationaler Reisen wird es also immer wieder zu lokalen Ausbrüchen kommen, aber erklärtes Ziel bleibt, jeden Ausbruch in kurzer Zeit eindämmen zu können. Städte sind in Compounds unterteilt und werden entsprechend des Infektionsgeschehens kategorisiert. So können etwa Mitarbeiter, die aus Vierteln kommen, in denen seit 14 Tagen kein Fall bekannt geworden ist, wieder normal zur Arbeit erscheinen. Menschen aus Vierteln mit siebentägiger Corona-Abstinenz erhalten zumindest teilweise Ausgeh-Freiheiten zurück. Die Politik versuche, die Wirtschaft auf diese Weise wieder hochzufahren. „Den Unternehmen, auch deutschen, stehen dann aber in vielen Fällen nur reduzierte Mannschaften in der Produktion zur Verfügung“, sagt Barkowsky.

Wenn die Arbeiter sogar in der Fabrik übernachten

Mitunter arbeiten deutsche Unternehmen an eigenen Konzepten. Sie setzen zum Beispiel auf Freiwillige, die bereit sind, in den Fabriken zu übernachten. Der Chemiekonzern Covestro etwa unterhält einen Produktionsbetrieb in der Gemeinde Caojing in Shanghai. Man habe nach den März-Ausbrüchen dieses Jahres „schnell reagiert, indem genügend Fachpersonal zur Bedienung der Anlagen und Wartungstechniker auf freiwilliger Basis vor Ort untergebracht wurden, um die Produktion trotz der jüngsten Covid-19-Drosselungen in Shanghai aufrechtzuerhalten“, heißt es bei Covestro. Das Unternehmen konnte die Produktion somit weitestgehend aufrechterhalten, musste die Auslastung aber ab 8. April „aufgrund logistischer Einschränkungen anpassen“. Die größte Herausforderung seien daher nach wie vor „logistische Engpässe und Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf den provinzübergreifenden Transport und die Versorgung entlang der Wertschöpfungskette“.

Konkurrent BASF setze in den Standorten in Shanghai seit Ende März auf ein „Closed-Loop“-System – also Mitarbeiter, die auf freiwilliger Basis auf dem Fabrikgelände übernachteten. „Einige Anlagen laufen mit reduzierter Produktionsauslastung“, heißt es aus der Zentrale in Ludwigshafen. „Es gab einzelne Probleme bei der Rohstoffversorgung, Unterbrechungen in der Logistik und einen Arbeitskräftemangel, was sich auf unseren Betrieb und unser Geschäft auswirkt.“ Das Unternehmen würde die „dynamische Situation“ genau beobachten und proaktiv Maßnahmen ergreifen, „um die Versorgung unserer Kunden und die Kontinuität unseres Geschäfts so weit wie möglich aufrechtzuerhalten“.

Häufig ist die Logistik das eigentliche Problem. Mitglieder des VDMA berichten, dass die Einfuhr von Containern über die Häfen nur durch strenge Checks erfolgen könne. „Die nach China importierten Güter werden von den Behörden wie durch eine Art 'PCR-Test für Güter' auf Coronaviren geprüft, werden desinfiziert und für ein paar Tage gelagert“, sagt Barkowsky. „Eine zügige Abwicklung importierter Güter ist damit extrem schwierig geworden.“ Selbst wenn ein Container die Freigabe erhält, folge mit dem Weitertransport vom Hafen zum Werk die nächste Herausforderung. Transportgenehmigungen müssen eingeholt werden und Lkw-Fahrer sind knapp, da diese nach ihren Fahrten oftmals selbst in Quarantäne müssen. „ Damit steigen die Kosten, die auf die Unternehmen umgelegt werden, um ein Vielfaches.“

Der Haushaltsgerätehersteller Miele bestätigt die Probleme bei der Logistik. Dabei ist das Unternehmen aus Ostwestfalen eigentlich ganz gut über die jüngste Coronawelle gesurft. Doch im Miele-Werk in Dongguan nahe Shanghai habe es Mitte März über vier Tage lang eine „sehr deutliche Einschränkung der Produktion“ gegeben. Dies sei eine Folge des allgemeinen Lockdowns in der Region gewesen, als ein Großteil der Beschäftigten die Wohnungen nicht verlassen durfte. Der daraus entstandene Produktionsausfall sei durch Sonderschichten größtenteils wieder aufgeholt worden. Weitere Sonderschichten würden nun aber „durch erste Einschränkungen in der Lieferkette erschwert“, heißt es bei Miele. Die Produktion mit normaler Auslastung sei davon aber nicht betroffen.

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Ein derzeit drängenderes Thema seien daher „die Container, die zum Beispiel im Hafen von Shanghai nicht entladen werden können“. Dies führe zwangsläufig zu einem Mangel an Leercontainern, den „mit der üblichen Verzögerung praktisch alle Industriezweige spüren werden“.

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