Chinesen kaufen deutsche Mittelständler Manager müssen tun, was „Made in Germany“ groß gemacht hat!

Made in China-Schriftzug auf einem Stück Karton. Quelle: dpa

Der deutsche Mittelstand unterwirft sich China, weil seine Führungskräfte mutlos und behäbig geworden sind. Ein Plädoyer für mehr Ambitionen, Leidenschaft und Innovationsdrang von Management-Coach Wilfried Neun.

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Der deutsche Mittelstand hätte es als Warnung verstehen müssen, als im vergangenen Jahr sogar der Traditionspolsterer aus dem Schwarzwald auf der chinesischen Einkaufsliste stand. Kurz bevor es amtlich wurde, versuchte Joachim Link, Geschäftsführender Gesellschafter der süddeutschen Interstuhl Büromöbel GmbH & Co.KG, noch einmal zu intervenieren. Mit einem offenen Brief wandte er sich an die Öffentlichkeit und warnte: „Wir sollten nicht überall zusehen, wie chinesische Firmen mit staatlicher Lenkung und stattlicher Unterstützung, Schlüsselfirmen verschiedener Branchen in Deutschland und Europa aufkaufen.“

Links Hilferuf hatte einen Grund: Die Übernahme des Traditionsunternehmens Rolf Benz durch den chinesischen Polstermöbelriesen Jason Furniture (Kuka). Auch Links Firma hatte ein Angebot gemacht, den Zuschlag jedoch erhielt die asiatische Konkurrenz.

Made in China 2025

Die chinesische Führung ist wild entschlossen, das Land zum weltweit führenden Industriestandort zu machen, vor allem in den Branchen Robotik, E-Autos, Biomedizin und computergesteuerte Maschinen – der Aufkauf von ausländischen Firmen, allen voran von deutschen, ist Teil der Strategie.

Eine Strategie, die der deutsche Mittelstand mehr als bereitwillig mitzutragen scheint. Die einstige Stütze der deutschen Wirtschaft hat seine goldenen Zeiten längst hinter sich gelassen und ist dem Untergang geweiht: Aus „Made in Germany“ wird „Made in China 2025“.

In den vergangenen Jahren gingen einige deutsche Mittelständler über die Ladentheke; größtenteils unbemerkt von der Öffentlichkeit: der sächsische Autozulieferer Koki, der schwäbische Betonpumpenhersteller Putzmeister, der Konstanzer Photovoltaik-Konzern Sunways, der Münchener Spritzgießmaschinen-Hersteller Krauss-Maffei.

Allein 2016 kauften chinesische Investoren mehr als 100 deutsche Unternehmen. Zuletzt erregte die Übernahme des auf Datenverarbeitung spezialisierten Berliner Unternehmens Data Artisans für spektakuläre 90 Millionen Euro durch den chinesischen E-Commerce-Konzern Alibaba Aufmerksamkeit. Sie zeigt, dass die Asiaten mittlerweile auch ein Auge auf die Start-up-Szene geworfen haben.

Die Tatsache, dass der Mittelstand sein Know-how und seine langjährige Erfahrung so bereitwillig an die Chinesen verkauft, lässt tief blicken und beweist vor allem, an was es ihm mangelt: Ambitionen? Fehlanzeige! Leidenschaft? Sucht man vergeblich! Innovationsdrang? Kaum bis gar nicht vorhanden. Das unternehmerische Denken, auf das Deutschland so lange stolz war und das das Selbstbild der Bevölkerung nach wie vor prägt, existiert schon lange nicht mehr.

Behäbig, verkopft, innovationsfeindlich

Sicher– noch läuft alles rund, der deutschen Wirtschaft geht es gut. Und genau das ist das Problem, denn Erfolg macht behäbig – und blind.

Immer wieder mache ich in meiner Arbeit als Coach von KMUs aller Branchen darauf aufmerksam, doch es ist ein anstrengender Weg. Die Beratungsresistenz, die ich erlebe, macht mich immer wieder aufs Neue fassungslos, oft wütend, manchmal traurig. 

Ich treffe Unternehmer, die die gute Grundsubstanz, die in den vergangenen Jahrzehnten gelegt wurde, mit Füßen treten. Ich erlebe Führungskräfte, die ihren Namen nicht verdienen, weil sie nicht führen und nicht in die Zukunft und in Innovationen investieren, sondern sich stattdessen kurzsichtig auf alten Erfolgen ausruhen. Ich erlebe Abteilungsleiter, die sich gegen die Digitalisierung sperren und sie als Bedrohung sehen, statt sie zu umarmen und die Chance zu packen, die sich mit ihr bietet.

Ich erlebe CEOs, die zu langsam und zu verkopft sind, um mit der Konkurrenz aus dem Ausland mithalten zu können. Die Geschwindigkeit chinesischer Investoren ist höher als die von deutschen Nachfragern, die viel zu spät im Markt erscheinen.

Führen!

Ich erlebe Manager, die skeptisch auf Start-ups blicken und Mauern um sich herum errichten, statt sich mit diesen kreativen Menschen zusammenzuschließen. Open Innovation ist für die meisten ein Fremdwort.

Es stimmt: Jede Neuerung bringt Risiken mit sich – und gerade die Deutschen gelten als sehr risikoscheues Volk. Doch wie heißt es so schön: „Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als in alten Pfaden auf der Stelle zu treten.“ Das Sprichwort stammt übrigens aus China. 

Deshalb muss ich persönlich werden, liebe Mittelständler! Ihr müsst keine „New Work“-Jünger werden, Ihr solltet nur endlich mal wieder das tun, was „Made in Germany“ groß gemacht hat: Rolf Benz war Anfang 30, als er in den 60ern mit der braven Einrichtungskultur der Eltern brach, die aus einem Sofa und zwei Sesseln bestand. Benz wagte ein bequemes Mittelding zwischen Sitzen und Liegen und schuf Wohnlandschaften, die zu Statussymbolen wurden und in Folge im New Yorker „Museum Of Modern Art“ besichtigt werden konnten.

Benz hätte es sich einfach machen können. Doch er konnte führen!

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