Der größte Staubsauger der Welt steht im Zürcher Oberland, in der 11.000-Einwohner-Gemeinde Hinwil. Wie ein riesiges Regal, gefüllt mit Flugzeugturbinen, sieht er aus. Und wie ein regulärer Staubsauger verspricht er Sauberkeit, in diesem Fall Sauberkeit der Luft. Gebaut hat die Maschine die Firma Climeworks, eine Ausgründung der nahen ETH Zürich. Dort starteten die beiden Deutschen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher 2009 damit, ihre technologische Idee kommerziell nutzbar zu machen: Sie wollen mit ihrem Staubsauger CO2 direkt aus der Luft entziehen. Direct Air Capture (DAC) nennt sich dieses Verfahren, das ursprünglich der Physiker Klaus Lackner in den Neunzigerjahren entwickelt hatte.
Auf Firmen wie Climeworks liegt viel Hoffnung: Sie sollen der Welt dabei helfen, möglichst schnell CO2-neutral zu werden. Wenn schon nicht alle Emissionen eingespart werden können, dann sollen sie wenigstens wieder eingefangen werden. Deswegen wollen die Schweizer nun ihr Angebot in möglichst vielen Firmen installieren. Große Kunden haben sie schon gewonnen, etwa Microsoft, Swiss Re und Audi. Doch die Technologie steht noch sehr am Anfang. Und Experten sind skeptisch, wenn es um den tatsächlichen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels geht.
Zuständig dafür, Firmen vom Climeworks-Konzept zu überzeugen, ist Anna von der Schulenburg. Sie ist Vertriebsmanagerin des Unternehmens und gewohnt, die Technologie zu erklären. „In unseren Maschinen sitzt ein Filter, der das CO2 aus der Luft heraustrennt“, erläutert sie: „Aus dem waschen wir es dann wiederum heraus, bei 100 bis 140 Grad.“ Klingt heiß, ist allerdings laut Climeworks eine niedrigere Temperatur als bei vergleichbaren Unternehmen, was wiederum den Energiebedarf senkt. Gespeichert wird das CO2 dann am Ende als gepresstes Calciumcarbonat, unterirdisch, zum Beispiel in alten Ölfeldern.
Grundsätzlich ließe sich laut von der Schulenburg der Climeworks-Service für die CO2-Entfernung auf jedes Unternehmen anwenden. „Vom Start-up bis zum Industriekunden will ja eigentlich jeder seine Emissionen reduzieren“, sagt sie. Climeworks arbeite dabei stets innerhalb des Budgets, das die Partner zur Verfügung stellen. Irgendwelche Grenzen? Sieht Climeworks eigentlich nur im moralischen Spektrum. Mit Öl- und Gasfirmen arbeite man etwa nicht zusammen. „Schließlich wollen wir fossile Energien beenden“, sagt von der Schulenburg. „Uns geht es nur um unvermeidbare Emissionen“, sagt sie. Es gehe nicht um Persilscheine, mit denen Firmen einfach weitermachen können wie bisher. „Die Emissionen müssen unabhängig von DAC natürlich sinken.“
Die Methode kommt bei den ganz großen Unternehmen gut an. Swiss Re verkündete im vergangenen August, dass man gleich einen Zehn-Jahres-Vertrag mit dem Start-up geschlossen habe. „Um die Risiken des Klimawandels einzudämmen, muss die Welt die Entfernung von CO2 zusätzlich zu den Emissionssenkungen und nicht an deren Stelle vorantreiben“, erklärte damals der CEO des Rückversicherers Christian Mumenthaler. Der Schweizer Assekuranzriese will bis 2030 klimaneutral werden.
Lesen Sie auch: „Negativ-Emissionen“ sollen Conti-Lieferketten klimaschonender machen
Also auf in die schöne, neue, durch DAC von allen Emissionen befreite Welt? So schnell wird dies eher nicht gelingen. Eine Studie der University of California in San Diego kam vergangenes Jahr zu dem Schluss, dass sich im Jahr 2050 gut zwei Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft holen ließen. Das wären lediglich sechs Prozent der globalen Emissionen. Und diese Zahl prognostizieren die Forscher nur unter der Annahme, dass die Industriestaaten reichlich Geld für die Förderung von DAC-Technologie in die Hand nehmen, wie sie Climeworks oder auch der kanadische Konkurrent Carbon Engineering anbieten.
Zudem steckt die Technologie noch weitestgehend in den Kinderschuhen. Im November 2021 kam die Internationale Energieagentur IEA auf 19 aktive DAC-Anlagen weltweit, die 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsammelten. Zwar gibt es große Pläne: Carbon Engineering, die offenbar andere moralische Vorstellungen als Climeworks haben, will gemeinsam mit dem Öl- und Gaskonzern Occidental Petroleum 2024 eine DAC-Anlage eröffnen, die eine Million Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft filtert. Doch wären auch wohl nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.
Die IEA will trotzdem Optimismus verbreiten. „Heute sind nur kleine Anlagen zur direkten Luftabscheidung in Betrieb, aber eine Ausweitung steht unmittelbar bevor“, schreibt sie in ihrem Report.
Lesen Sie auch: Jede und jeder kann seinen persönlichen Beitrag zum Energiesparen leisten – und dabei noch eine Menge Geld sparen. Mit diesen fünf Hebeln geht's.