Crowdfunding Der geklaute Sitzsack

Wenn Crowdfunding schief geht: Ein Gericht stoppt zwei Gründer aus Amsterdam wegen Ideen-Diebstahls. Dabei haben die bereits vier Millionen Dollar von Kleinstinvestoren eingesammelt. Was aus dem Geld wird, ist unklar.

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Auf der Crowdfunding-Seite indiegogo sammelte Kaisr über 4 Millionen Dollar ein. Quelle: Screenshot www.indiegogo.com

Hamburg Sie sind unbeliebt in der Welt des Internets: die Copycats – Start-ups, die bestehende Ideen einfach kopieren. Eines der bekanntesten ist Zalando – die Seite startete als Online-Schuhhändler, inspiriert durch das US-Vorbild Zappos. Kopien gibt es fast überall: Ob bei Online-Taxidiensten, Kochboxen, Zimmervermittlungen oder Partnerbörsen. Eines haben jedoch fast alle Gründer von Copycats gemein: Sie verstecken ihre Ideen-Kopie hinter einem schönen Gründungsmythos.

Im Internet funktionieren solche Strategien auch deshalb, weil es auf grobe Ideen wie Schuhe im Online-Shop oder die Vermittlung von Privatunterkünften an Touristen normalerweise keinen rechtlichen Schutz gibt. Anders sieht das bei realen Produkten aus – auch wenn sie per Crowdfunding über angesagte Plattformen finanziert werden. Das müssen jetzt die Geldgeber hinter zwei jungen niederländischen Geschäftsmännern nach einem Gerichtsurteil bitter erfahren.

Dabei geht es um ein faszinierend einfaches Produkt: einen Sitzsack, der sich ohne Pumpe mit Luft füllen lässt. Es reicht, einen Beutel aus einer Art Fallschirmseide durch die Luft zu wirbeln und anschließend auf einer Seite zuzurollen. Schon entsteht ein Luftsofa für den Park oder den Strand.

Die Geschichte der beiden Gründer auf der Geldsammel-Seite Indiegogo liest sich gut: Das junge Amsterdamer Unternehmen Kaisr wolle die Art, wie Leute entspannen, völlig ändern. Denn unter einer Revolution geht es ja selten beim Crowdfunding.

Dumm nur: Der Landsmann Marijn Oomen, ein junger Designer, hat bereits ein ziemlich ähnliches Produkt entwickelt. Sein sogenannter Lamzac unterscheidet sich vom Kaisr-Sack im Wesentlichen dadurch, dass das Kaisr-Team noch einen Flaschenöffner und eine Schlaufe für einen Sonnenschirm angenäht hat. Doch Oomen hat einen mächtigen Verbündeten: Er hat seine Idee an den US-Sitzsack-Hersteller Fatboy lizensiert, der Oomens Lamzac seit wenigen Wochen weltweit vertreibt.


Was wird aus den vier Millionen Dollar?

Diese Woche nun urteilte ein Gericht in Den Haag: Kaisr muss den Verkauf EU-weit sofort stoppen, weil das Produkt in Form und Größe gleich sei. „Das Modell hat namentlich die selbe Höhe, doppelte Röhrenform und die kennzeichnende tiefe Spalte in der Längsrichtung des Liegesacks“, urteilte der Vorsitzende Richter. Eine abweichende Form am Kopfende sei unerheblich. Die Website von „Kaisr – The Original“ ist bereits abgeschaltet.

Was aus den vier Millionen Dollar wird, die Kaisr über Indiegogo bei Kleininvestoren eingesammelt hat, ist unklar. Laut dem niederländischen Rundfunk will Kaiser in Berufung gehen. Schließlich sind schon über 10.000 Bestellungen eingegangen – und die Gründer beharren darauf, die Idee unabhängig entwickelt zu haben. Sie hatten im Netz einen wahren Run ausgelöst: Eigentlich wollten sie nur ein paar tausend Dollar einsammeln – doch allein ihr Vorstellungsvideo wurde mehrere Millionen mal geklickt.

Bei wem die Sympathien nun liegen, ist klar: bei Designer Oomen. Denn der trat nachweislich mit dem Konzept bereits 2010 in der TV-Sendung „Die beste Idee der Niederlande“ auf. Er kämpft leidenschaftlich gegen das mutmaßliche Plagiat von Kaisr. „Sie sagen, dass sie das selbst entwickelt haben, aber das ist lachhaft. Ich begreife nicht, warum Menschen so eine Geschichte vor sich hertragen, wenn sie wissen, dass das nicht so ist“, sagte Oomen im niederländischen Rundfunk.

Doch der Kampf ist wohl längst nicht zu Ende. Offenbar geht Oomen bereits mit Hilfe einer Anwaltskanzlei gegen andere Händler vor, die auf Amazon ähnliche Produkte mit Bildern seiner Erfindung anbieten. Inzwischen sind zudem eine deutsche Marke namens Laybag und die US-Marke Windpouch mit Produkten im Netz aufgetaucht. Zumindest auf den Abbildungen sehen sie Oomens Erfindung frappierend ähnlich.

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