Deutschlands bekanntester Mittelständler So gehen Bonita und Wolfgang Grupp junior mit der ungeklärten Trigema-Nachfolge um

Bonita Grupp und Wolfgang Grupp jr. sind die Kinder des bekannten Trigema-Geschäftsführers Wolfgang Grupp. Einer von ihnen wird in seine Fußstapfen treten. Quelle: Trigema

Seit mehr als 50 Jahren führt Wolfgang Grupp das Textilunternehmen Trigema. Seine Kinder arbeiten inzwischen auch in der Firma, eines von ihnen soll sie einmal übernehmen. Doch wer wird sich durchsetzen?

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Wolfgang Grupp junior kann seine Herkunft nicht leugnen: Der 30-Jährige trägt nicht nur den Namen seines Vaters, dem Inhaber und Geschäftsführer von Trigema, er sieht ihm auch sehr ähnlich. Allein deshalb davon auszugehen, dass er einmal die Nachfolge des 79-Jährigen in der Firma antreten wird, wäre aber zu kurz gegriffen. Schließlich ist da auch noch seine ältere Schwester Bonita. Die 31-Jährige ist im Unternehmen für E-Commerce und den Personalbereich zuständig, ihr jüngerer Bruder kümmert sich um den B2B-Verkauf und ist IT-Projektleiter. Beide haben an der London School of Economics and Political Science (LSE) Betriebswirtschaftslehre studiert und stiegen hinterher bei Trigema ein.

Doch wer von ihnen den selbsterklärten Patriarchen Grupp als Kopf des Textilunternehmens beerben wird, ist noch nicht geklärt: „Das wird sich mit der Zeit zeigen. Wir haben überhaupt keinen Druck, wir können uns selbst entfalten und das ist auch gut so“, sagt Wolfgang Grupp jr. im Instagram-Live-Interview mit der WirtschaftsWoche. „Wir werden den Wunsch unseres Vaters respektieren, dass nur ein Kind die Firma bekommt. Das heißt aber nicht, dass das andere Kind nicht auch im Unternehmen mitarbeiten kann. Wir werden einfach schauen, wer zu dem Zeitpunkt besser geeignet ist.“ Eine Doppelspitze in der Geschäftsführung sei also durchaus möglich.

Die Entscheidung sei zum einen eine Frage des Könnens, aber auch eine ganz private Überlegung, so Grupp junior. Das bekräftigt auch seine Schwester Bonita: „ Aktuell sind wir beide noch nicht verheiratet und haben die Freiheit, uns zu entwickeln und zu schauen, wo uns unser Lebensweg hinführt.“ Die Fußstapfen seines Vaters seien groß, sagt Wolfgang Grupp junior: „Wir maßen uns nicht an, dass wir sie jemals füllen können.“

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Wenn ein Mitglied der eigenen Familie die Nachfolge antritt, kann das in jedem Fall viele Vorteile für das Unternehmen bringen, sagt Tom Rüsen, Leiter des Wittener Instituts für Familienunternehmen: „Eine gut gemanagte familieninterne Nachfolge durch jemanden, der die gleiche Qualifikation mitbringt, wie ein externer Manager sie hätte, ist immer die beste Lösung.“ Schließlich sei bei einer Übergabe innerhalb der Familie eine langfristige Perspektive gegeben. Außerdem werde dadurch sichergestellt, dass die Traditionen und Werte der Familie weitergegeben werden, sagt Miriam Bird, Professorin für Entrepreneurship und Family Enterprise an der Technischen Universität München.

So sieht auch Wolfgang Grupp junior die Aufgabe der Person, die den Platz seines Vaters einmal einnehmen wird: „Unser Ziel ist es nicht, uns persönlich herauszuheben, sondern die Firma Trigema in die nächste Generation zu bringen.“

Rüsen plädiert für Offenheit für die unterschiedlichsten Nachfolge-Optionen in Familienunternehmen: „Ich würde keine dogmatischen ‚Basta-Lösungen‘ à la ‚Es kann nur einen geben‘ empfehlen.“ Auch wenn er Vorteile bringen mag, entscheidet sich schon lange nicht mehr jedes Unternehmen für den rein inner-familiären Weg. Laut Nachfolge-Monitoring der KfW fanden im deutschen Mittelstand 2019 34 Prozent der Übernahmegründungen innerhalb der Familie statt. Der Trend ist rückläufig, 2016 waren es noch 41 Prozent. „Es gibt eine abnehmende Bereitschaft von Mitgliedern in Unternehmer-Familien, im elterlichen Betrieb tätig zu werden, weil sie inzwischen mehr Wert auf Work-Life-Balance legen und keinen 100-Stunden-Job leisten wollen“, sagt Rüsen.

Oft sei auch eine Kombination aus einer externen und einer internen Lösung optimal. Für diesen Weg entschied sich zum Beispiel Martin Viessmann vom gleichnamigen Wärme- und Kältespezialisten. Sein Sohn Max Viessmann (Jahrgang 1989) führt das Familienunternehmen seit 2018 als Co-CEO, gemeinsam mit Joachim Janssen, der Anfang 2007 als CFO in die Firma kam.

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Wenn sich ein Familienunternehmer eines seiner Kinder als künftiges Firmenoberhaupt festlegt, empfiehlt Rüsen, vor allem drei Punkte besonders zu berücksichtigen: „Die Entscheidung für eines der Kinder sollte vom Senior innerhalb der Familie gut kommuniziert werden, um Konflikte zu vermeiden.“ Außerdem wichtig: Eine Governance-Struktur, die dafür sorgt, dass familiäre Konflikte die Firma nicht gefährden. Und ein dezidierter Nachfolgeplan: „Es sollte ganz klar festgelegt werden, wie jemand Verantwortung übernimmt und unter welchen Bedingungen jemand loslässt.“
Eine sehr gute Nachfolge müsse „als Prozess gesehen werden und nicht als punktuelles Ereignis“, sagt auch Professorin Bird. „Dafür sollten sieben oder acht Jahre eingeplant werden – und eine Zeit, in der Übergeber und Nachfolger gleichzeitig arbeiten.“ So machte es etwa der Unternehmer Günther Fielmann, den von seinem Sohn Marc, Jahrgang 1989, rund 50 Jahre Altersunterschied trennen. Fielmann leitete den Übergang frühzeitig ein und übertrug seinem Sohn schrittweise mehr Verantwortung. Zunächst führten Vater und Sohn das Unternehmen ab August 2018 gemeinsam als Doppelspitze, dann übernahm Marc Ende 2019 den Vorstandsvorsitz der Aktiengesellschaft allein.

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„Jede Firma hat eigene Strukturen, jede Firma hat eine eigene Vergangenheit“, sagt Wolfgang Grupp jr. Es sei daher schwierig, zu kopieren, wie andere Unternehmen mit der Nachfolge-Frage umgehen.

Grupp junior fiel die Entscheidung leicht, nach dem Studium bei Trigema zu arbeiten, erzählt er im Live-Interview mit der WirtschaftsWoche auf Instagram: „Es war sicherlich eine bewusste Entscheidung. Ich glaube, in ein Familienunternehmen eintreten und dort arbeiten zu dürfen, ist ein sehr großes Privileg und viele meiner Studienkollegen hätten davon geträumt, in ein Unternehmen direkt so einsteigen zu dürfen.“ Mit ihrer Work-Life-Balance seien beide zufrieden, sagt Bonita Grupp: „Es sind mal mehr Stunden, mal weniger. Natürlich begleiten uns gewisse Themen auch nach der Arbeit, aber wir haben auch die Freiheit, uns die Zeit freier einzuteilen. Man kann nicht sagen, dass wir zu arg eingespannt sind.“

Dass noch nicht feststeht, wer letztlich die Nachfolge des großen Wolfang Grupp antreten wird, empfinden beide als Entlastung. Den Herausforderungen, die ein Familienunternehmen im 21. Jahrhundert meistern muss, fühlen sich Bonita Grupp und Wolfgang Grupp junior wohl beide gewachsen.

Sehen Sie sich das Instagram-Live-Interview mit Bonita und Wolfgang Grupp jr. hier im Video an:


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