Engagement mit Strategie CSR-Experte: "Lüge nicht, betrüge nicht"

Der Mannheimer CSR-Experte Nick Lin-Hi warnt davor, gesellschaftliche Verantwortung mit Gutmenschentum zu verwechseln.

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Nick Lin-Hi, der Juniorprofessor für Corporate Social Responsibility an der Universität Mannheim, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Lin-Hi, Sie behaupten, Corporate Social Responsibility werde in der Praxis oftmals falsch verstanden. Wieso?

Nick Lin-Hi: CSR wird leider immer wieder auf Sozialprojekte reduziert. Es ist lobenswert, wenn Unternehmen Gutes tun. Aber deswegen übernehmen sie noch lange nicht Verantwortung. Viele schmücken sich zu Unrecht mit dem Begriff CSR.

Und wie wäre es richtig?

Die gesellschaftliche Funktion von Unternehmen besteht darin, Produkte und Dienstleistungen anzubieten. CSR bedeutet im Kern, dass ein Betrieb die hierfür notwendige Wertschöpfung verantwortlich organisiert – also fair mit Mitarbeitern, Kunden, Zulieferern und anderen Partnern umgeht. Die gesellschaftliche Verantwortung liegt darin, Gewinne nicht auf Kosten anderer zu erzielen. Ein Unternehmen, das als verantwortlich wahrgenommen werden will, muss Fehlverhalten vermeiden.

Was sind typische Fehler?

Viele Unternehmen wollen ihren Profit kurzfristig erhöhen. Das ist einer der zentralen Gründe, warum es zu Fehlverhalten kommt wie Preisabsprachen, Ausbeutung von Mitarbeitern, Steuerhinterziehung oder Täuschung von Kunden. Zudem haben Unternehmen eine Verantwortung für ihre Lieferanten. Die Praxis zeigt, dass viele dieser nicht gerecht werden.

Wie grün sind die Dax-Konzerne?
WeGreen Ranking Quelle: dpa
InfineonDen letzten Platz im Nachhaltigkeits-Vergleich der DAX-Konzerne belegt der Halbleiterhersteller Infineon. Grund dafür ist vor allem, dass das Unternehmen auf die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts verzichtet. Unter anderem wegen der mangelnden Transparenz gibt es deshalb nur die Note 4,7. "Schlecht" heißt damit das Ergebnis. Der Tipp der Studienleiter: Eine verbesserte Nachhaltigkeitskommunikation wäre ratsam, um so offen und transparent mit den eigenen Herausforderungen und Problemen umzugehen. Quelle: dpa
ThyssenKrupp Quelle: dapd
Deutsche Bank Quelle: dapd
Fresenius Medical Care und Fresenius SE & Co. KgaA Quelle: dpa
RWE Quelle: dpa
Commerzbank Quelle: dpa

Ein harter Vorwurf. Worin liegt denn das Versagen?

Die meisten tun zu wenig, um sicherzustellen, dass etwa Lieferanten aus Ländern wie China oder Bangladesch die Menschenrechte nicht verletzen. Unternehmen sollten wissen, dass ein einziger Skandal ausreichen kann, damit die Öffentlichkeit es als unverantwortlich wahrnimmt. Wie viele gute Taten ein Unternehmen vorher vollbracht hat, interessiert dann nicht mehr.

Was kann ein mittelständisches Unternehmen tun, um verantwortlich zu handeln?

Mittelständler tun viel Gutes, etwa im Rahmen von Spenden oder Sponsoring. Aber sie müssen zugleich Fehlverhalten vermeiden. Versäumen sie das, droht bei Fehlern ein Bumerang-Effekt, und die guten Taten verstärken die negativen Effekte. Das kann man auch als „Uli-Hoeneß-Effekt“ bezeichnen: Hoeneß hat sich als moralische Instanz inszeniert und durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit eine enorme Fallhöhe geschaffen. Deshalb war die Reaktion auf seinen Steuerbetrug so heftig. Im Zweifel nimmt man die guten Taten eines Unternehmens dann als Ablasshandel wahr.

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