
Köln Der Ludwigsburger Automobilzulieferer Mann+Hummel hat ehrgeizige Ziele: Bis 2018 will der Filtersystemhersteller kräftig wachsen - der Umsatz soll von 2,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 3,4 Milliarden Euro steigen. Dazu plant das Unternehmen, seine Geschäfte weiter zu diversifizieren und vor allem in Asien, Osteuropa und Nordamerika deutlich auszubauen. Allein über organisches Wachstum wird das Ziel nicht erreicht, ist sich Frank Jehle, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung, sicher.
Deshalb hält er weltweit Ausschau nach Übernahmekandidaten, um neue Technologien und zusätzliche Marktanteile zu erschließen: "Weitere Zukäufe sind ein integraler Bestandteil unserer strategischen Planung", sagt er.
Trotz der Turbulenzen an den Finanzmärkten und unsicherer konjunktureller Aussichten legt Mann+Hummel die Pläne nicht auf Eis - im Gegenteil: "Wir beobachten, dass derzeit vor allem kleinere, aber stark wachsende Firmen zunehmend Probleme bekommen, ihr Geschäft zu refinanzieren", sagt Jehle. "Dadurch entsteht für viele ein steigender Druck, sich einem strategischen Partner anzuschließen."
Für viele Mittelständler lässt sich das rasante Wachstumstempo nur noch durch Fusionen und Übernahmen - neudeutsch M&A - aufrecht erhalten. Nach Ansicht von Experten finden sie derzeit gute Bedingungen vor, um mit strategischen Investitionen neue Märkte schneller zu erschließen. Dank voller Auftragsbücher verfügen sie über ausreichend Liquidität und können von den derzeit niedrigen Unternehmensbewertungen profitieren. "Das schwierige Finanzierungsumfeld nimmt viele Private-Equity-Gesellschaften aus dem Bieterkreis heraus", sagt Heiko Ziehms, Partner bei der Corporate-Finance-Gesellschaft Accuracy. "In Verbindung mit sinkenden Preisen kann das daher eine Gelegenheit für Mittelständler darstellen."
Auch Harald Linné, Fachmann für Fusionen und Übernahmen beim Interim-Management-Dienstleister Atreus beurteilt das Marktumfeld positiv: "In Wachstumszeiten sind M&A-Transaktionen für kapitalstarke Unternehmen immer von Bedeutung, um neue Geschäftsfelder zu erschließen oder auf neuen Märkten Fuß zu fassen."
Gefahr durch überhöhte Kaufpreise
Doch von den Chancen, die sich beim Firmenkauf bieten, machen bislang nur wenige mittelständische Unternehmen Gebrauch. Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC unter 500 Mittelständlern planen bis August 2012 nur neun Prozent der Unternehmen, einen Kauf oder eine Beteiligung abzuschließen. Als Hauptgründe, die Transaktionen in den nächsten Monaten im Weg stehen, gaben die befragten Manager an, dass sie entweder keine geeigneten Objekte identifizieren können oder schlicht die zeitlichen sowie personellen Ressourcen fehlen.
Diese Erfahrung teilt auch Harald Linné: "Häufig machen Unternehmen nur ein oder zwei Übernahmen in ihrer gesamten Geschichte." Deshalb fehle es dem Führungspersonal oft an Erfahrung auf dem Gebiet. Er empfiehlt wachstumsorientierten Firmen daher, sich für diese Sondersituationen externe Berater an Bord zu holen.
Denn schlecht vorbereitete Firmenübernahmen können auch kerngesunden Unternehmen schnell ernste Probleme bescheren. Den bayerischen Holzverarbeiter Pfleiderer brachte der Zukauf der holländischen Kunz-Gruppe und des schwedischen Laminatbodenherstellers Pergo in eine schwere Schieflage. Beide Unternehmen waren in den USA sehr aktiv, doch die Geschäfte brachen kurz nach der Übernahme ein. Der Kaufpreis von insgesamt 800 Millionen Euro stellte sich rasch als überhöht heraus.
Pfleiderer leidet unter dem schlechten Abschluss noch heute. Erst im Juli dieses Jahres konnte das Unternehmen durch den Einstieg von Banken und Hedge-Fonds vor der Insolvenz gerettet werden. Ein harter Sanierungsplan soll das Unternehmen bis 2012 wieder in die schwarzen Zahlen führen.
Probleme sind nicht die Ausnahme
Die Probleme bei Pfleiderer sind keine Ausnahme: "Größter Streitpunkt nach einem Deal ist immer die Frage, ob der Kaufpreis angemessen oder zu hoch war", sagt Linné. "Nach der Übernahme hat sich in der Vergangenheit in vielen Fällen herausgestellt, dass Bilanzen geschönt oder spezielle Risiken verschwiegen wurden." Als besonders anfällig für Manipulationen gilt beispielsweise die Bilanzierung langfristiger Verträge. Wer etwa dabei schummelt, wie weit ein Projekt bereits fertiggestellt worden ist, kann auf diese Weise den bilanzierten Gewinn einer Periode künstlich erhöhen. Dieser wird vielfach als Basis für den Kaufpreis herangezogen.
Auch Preismodelle, bei denen ein Teil des Betrags nach der Transaktion erfolgsabhängig ausgezahlt wird, sogenannte Earn-outs, führen im Nachhinein überdurchschnittlich oft zu Rechtsstreitigkeiten. Accuracy-Partner Ziehms warnt: "Earn-outs sind mit vielfältigen Risiken behaftet, vor allem Verkäufer haben hiermit vielfach schlechte Erfahrungen gemacht." Solche Schwierigkeiten lassen sich im Vorfeld durch angemessene Analysen im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung und die Vereinbarung von Schutzmechanismen im Kaufvertrag vermeiden.
Diesbezüglich ist der Mittelstand bereits auf gutem Weg: "Viele Unternehmen haben aus dem überhitzten M&A-Markt der Zeit bis 2007 ihre Lehren gezogen und schauen bei der Due Diligence genauer hin", sagt Linné. "Heute ziehen sich Unternehmen bereits bei den kleinsten Anzeichen von Unregelmäßigkeiten wieder aus dem M&A-Prozess zurück."