WirtschaftsWoche: Herr Theopold, Sie haben zum vierten Mal für die WirtschaftsWoche Deutschlands innovativste Mittelständler gekürt. Was zeichnet die Gewinner aus?
Sebastian Theopold: Innovation fängt oben an. Bei den Siegern stehen mutige, rastlose Chefs an der Spitze. Menschen wie Frank Richter, der Chef des Badmöbel-Herstellers Duravit aus dem Schwarzwald, der eine Toiletten-App entwickelt hat, die auf Wunsch den Urin des Benutzers analysiert. Oder Günther Mull vom Hamburger Unternehmen Dermalog, ein Spezialist für die Erkennung von Fingerabdrücken. Die haben, als immer mehr Flüchtlinge ins Land kamen, blitzschnell einen Scanner zur Registrierung von Flüchtlingen entwickelt. Und das sind nur einige Beispiele. Sie finden Start-up-Mentalität nicht nur in den Accelerator-Büros in Berlin, sondern auch bei Mittelständlern in der Provinz.

Sind Mittelständler die besseren Start-ups?
Sie konkurrieren miteinander. Ich kenne viele Mittelständler, die Probleme haben, Personal zu finden, weil es die jungen Leute oft in die Start-ups drängt. Dabei könnten sich die Nachwuchskräfte auch bei vielen Mittelständler sehr gut entfalten. Besonders dann, wenn der Chef Innovation vorlebt.
Innovationen kosten erstmal Geld. Wie zahlen sie sich für die Mittelständler aus?
Wir haben bei unserer Untersuchung festgestellt, dass die Innovationschampions höhere Umsatzzuwächse und Gewinne erzielen. Der jährliche Umsatzzuwachs bei Mittelständlern allgemein liegt bei 3,5 Prozent; bei den Champions sind es 8,7 Prozent. Bei den durchschnittlichen Gewinnsteigerungen stehen 6,4 Prozent 8,6 Prozent gegenüber. Auch der Beschäftigungszuwachs ist bei den innovativen Unternehmen fast doppelt so hoch.





Wer ist denn innovativer – Mittelständler oder Konzerne?
Die meisten Innovationssprünge kommen aus dem Mittelstand, nicht aus Konzernen. Da gibt es zum Beispiel Hansgrohe, die in der Produktserie „Raindance“ mit der Technologie „AirPower“ das Wasser mit Luft anreichern und damit für einen echten Innovationssprung bei Duschen gesorgt haben. Das Wasser wirkt dadurch weicher und fülliger, der geringere Verbrauch schont zudem die Umwelt. Im Schnitt geben unsere Innovationschampions etwa fünf bis sieben Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus – da kommt mancher Konzern nicht mit. Und sie haben einige Vorteile, um Innovationen zu schaffen: Die Entscheidungswege sind kürzer, der Kontakt zum Kunden enger. Die von uns untersuchten Mittelständler melden im Schnitt pro 1000 Mitarbeiter etwa 25 bis 30 Patente an, bei Konzernen sind es im Schnitt nur sechs.
Wie schlagen sich deutsche Mittelständler im internationalen Vergleich?
Beinahe jeder zweite deutsche Mittelständler bringt innerhalb eines Jahres eine Produkt- oder Prozessinnovation auf den Markt. Das ist in Europa ein Rekordwert, so innovativ ist kein anderes europäisches Land.
Was macht die Konkurrenz aus Übersee? Können sich deutsche Mittelständler auch gegen Asiaten und Amerikaner behaupten?
Eindeutig ja. Amerikaner haben gute Ideen und viel Vertriebspower, aber Probleme bei der technischen Umsetzung ihrer Ideen. Die asiatischen Unternehmen sind sehr stark darin, neue Produkte zu entwickeln und auszuprobieren. Allerdings sind diese Produkte dann oft noch nicht marktfähig. Deutsche Hersteller brauchen da vielleicht etwas länger, haben aber am Ende oft die besseren Produkte.
Was kann die neue Bundesregierung, wenn sie sich denn konstituiert hat, noch für Mittelständler tun?
Vor allem Bürokratie abbauen. Und Gründungen fördern. Es kann nicht sein, dass ein Gründer, der die falsche Rechtsform gewählt hat, nicht an Wagniskapital kommt. Die Politik sollte Möglichkeiten schaffen, Verlustvorträge und Sonderabschreibungen zu nutzen sowie Kooperationen zwischen Unternehmen und Universitäten erleichtern.