EY-Studie zum deutschen Mittelstand Jedes dritte Unternehmen hat keine Frau in der Führung

Der Anteil von Frauen in den Chefetagen steigt im Mittelstand nur langsam. Die Suche nach geeigneten Managerinnen wird immer schwieriger.

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Von Opel an die Douglas-Spitze: Tina Müller ist eine der wenigen Frauen, die es ganz nach oben geschafft haben. Quelle: Alex Kraus für Handelsblatt

Düsseldorf Tina Müller ist eine Ausnahmegestalt. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die es hierzulande an die Spitze eines großen Mittelständlers geschafft haben. Seit November ist sie Vorsitzende der Geschäftsführung von Douglas.

Ihre Karriere ist hart erarbeitet. Auf dem Weg nach ganz oben machte Müller Stationen als Marketingvorstand bei Henkel und bei Opel, wo sie die erfolgreiche Kampagne „Umparken im Kopf“ startete. Dabei geriet sie in Sackgassen, hat aber ihren Ehrgeiz nie geheim gehalten.

Nun will die 49-Jährige die Parfümeriekette Douglas nicht nur digitaler, sondern auch weiblicher machen. Dafür hat die Diplom-Kauffrau zwei Monate nach Amtsantritt vier Managerinnen von außen für wichtige Führungspositionen geholt: Vanessa Stützle von S. Oliver, Caroline Schmitt von Opel, Malika Mansouri von Bipa und Konstanze Gallinatus von Springlane.

Der Coup hätte wohl nur halb so viel Aufmerksamkeit erregt, wären die vier neuen Manager Männer gewesen. Denn Frauen in Führungspositionen haben in deutschen Unternehmen immer noch Seltenheitswert.

Nur jeder sechste Posten in Vorstand oder Geschäftsführung im Mittelstand ist mit einer Frau besetzt (16,3 Prozent). Damit ist der Frauenanteil sogar noch leicht gestiegen von 15 Prozent im Jahr 2016. Das zeigt das Mittelstandsbarometer der Beratung EY.

Dabei macht der Mittelstand sogar noch eine etwas bessere Figur als die 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Dort sind im Schnitt gerade einmal 7,3 Prozent der Vorstandsmitglieder weiblich. Lediglich die Dax-30-Konzerne weisen mit 13 Prozent einen annähernd vergleichbaren Frauenanteil in der Führung auf wie der Mittelstand.

Für die Studie wurden deutschlandweit 2000 mittelständische Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro und höchstens einer Milliarde Euro Umsatz befragt. Das ernüchternde Fazit: „Im deutschen Mittelstand haben nach wie vor mehrheitlich Männer das Sagen. Frauen schaffen es nur mühsam in die Entscheidungsgremien“, resümiert EY-Partnerin Elfriede Eckl.

In 36 Prozent der Unternehmen ist die oberste Chefebene sogar komplett „frauenfrei“. Auch der Anlagenbauer SMS Group gehörte dazu, ein Unternehmen aus der traditionell männerdominierten Technikbranche. Zum 1. April wird sich das ändern: Die Ingenieurin Katja Windt wird Geschäftsführerin der SMS Group.

In klassischen Industriezweigen sind Managerinnen generell selten anzutreffen. Im Maschinenbau sitzen gerade einmal zwölf Prozent, in der Metallerzeugung und -verarbeitung 13 Prozent und in der Baubranche 14 Prozent Frauen in der obersten Führungsetage.

Ein Grund: Frauen studieren immer noch deutlich seltener naturwissenschaftliche und technische Fächer. Laut OECD streben nur ein Viertel der jungen Frauen hierzulande im Studium technische Berufe wie Ingenieurwissenschaften oder Informatik an. Allerdings ist BWL – die Grundausbildung für Manager - seit Jahren nicht nur bei den Männern auch bei den Frauen der beliebteste Studiengang.

Immer mehr Mittelständler klagen jedoch, dass sie Schwierigkeiten haben, geeignete Frauen für ihr Unternehmen zu gewinnen – vor einem Jahr waren es erst 28 Prozent der Unternehmen.

Hat es eine Frau in die Führungsetage geschafft, ist sie meist allein auf weiter Flur. Bei gerade einmal 13 Prozent der Mittelständler ist die Geschäftsführung zu mehr als 40 Prozent mit Frauen besetzt.

Die Geschäftsführung der Pilz GmbH & Co. KG aus Ostfildern lag bis Jahresende sogar mehrheitlich in Frauenhand. Renate Pilz gab kürzlich nach mehr als 20 Jahren an der Spitze die Geschäfte ganz in die Hände ihrer Kinder Susanne Kunschert und Thomas Pilz.

Renate Pilz selbst war als Chefin eigentlich nur eingesprungen, als ihr Mann 1975 bei einem Flugzeugabsturz starb. Sie baute das Unternehmen zu einem Weltmarktführer für Steuerungstechnik aus.


„Rollenbilder ersticken Karrieren im Keim“

Meist sind es hauptsächlich Familienunternehmen, die Frauen Verantwortung zutrauen – zumindest denen aus der eigenen Familie. Dabei versprechen sich immerhin 45 Prozent der befragten Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil von mehr Frauen in Führungspositionen. Allerdings sieht das die Mehrheit der Mittelständler anders: 55 Prozent gehen nicht davon aus, dass dadurch der Unternehmenserfolg positiv beeinflusst wird.

Tatsache ist: In kleineren Unternehmen bis 30 Millionen Euro Umsatz ist der Frauenanteil in der Führung am höchsten. Dort sitzen im Schnitt 18 Prozent Frauen in der Geschäftsführung. „Meist sind es Frauen, Töchter und Enkelinnen, die dort schnell wichtige Rollen im Betrieb übernehmen“, beobachtet Eckl.

Bei größeren Mittelständlern mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz dagegen ist der Frauenanteil in der Chefetage mit 15 Prozent unterdurchschnittlich. Dabei behaupten gerade sie zu 28 Prozent, dass sie aktiv die Karriere von Frauen förderten. Das sind doppelt so viele wie bei den kleineren Firmen.

Was „Frauenförderung“ ist, darüber gehen die Meinungen im Mittelstand auseinander. Jede zehnte Firma bietet etwa flexible Arbeitszeiten an. Neun Prozent fördern Frauen mit speziellem Karriere-Coaching. Sechs Prozent sensibilisieren ihre Führungsriege zum Thema Gleichstellung.

„Viele Unternehmen haben die Förderung von Frauen lange nicht ernst genug genommen, gar nicht oder erst zu spät damit angefangen“, kritisiert EY-Partnerin Eckl. Immer noch kümmerten sich Frauen um die Familie, während Männer die Hauptverdiener seien. „Genau diese Rollenbilder ersticken Frauenkarrieren früh im Keim.“

Alte Rollenbilder zu verdrängen und weibliche Führungstalente zu fördern, hat sich auch Douglas-Chefin Tina Müller auf die Fahnen geschrieben. Douglas trat kürzlich dem gemeinnützigen Verein „Initiative Women into Leadership“ bei, ein branchenübergreifendes Karrierenetzwerk für weibliche Führungskräfte.

Tina Müller will selbst mithelfen: „Bei Douglas habe ich als CEO die Gesamtverantwortung für ein Unternehmen übernommen. Als Frau ist das in Deutschland noch immer eine Seltenheit.“ Umso mehr freue sie sich, als Mentorin die nächste Generation weiblicher Führungskräfte auf ihrem Weg nach oben zu unterstützen.

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