Das alles berichtet Sieber, während er mit energischen Schritten durch die Göppinger Produktion führt. Teile des Gebäudes stammen noch von 1904. Die Dielen in den Fluren knarzen. Schmiedeeiserne Geländer zieren das Treppenhaus. Manche Maschinen sind 30 Jahre alt – und laufen immer noch. Florian Sieber ist erst seit gut acht Monaten Chef im Hause Märklin, spricht aber über die Feinheiten des firmeneigenen Zink-Druck-Guss-Verfahrens als hätte er in seinem Leben nichts anderes gemacht. „Noch nie hat sich ein Chef so schnell in die Technik eingearbeitet“, lobt Wolfrad Bächle. Bächle ist seit über 20 Jahren bei Märklin und seit zwei Jahren als Geschäftsführer für die Technik der Modelleisenbahnen verantwortlich.
Der hagere Schwabe hat sie alle kommen und gehen sehen: die Finanzinvestoren Kingsbridge und Goldmann Sachs, Chef Axel Dietz, der nur 18 Monate blieb, Insolvenzverwalter Michael Pluta, Geschäftsführer Kurt Seitzinger. Bächle war dabei als 2009 fast 400 der über 1400 Mitarbeiter gehen mussten, als die Konzepte mit den Gläubigerbanken gemacht wurden und als schließlich die Spielwarengruppe Simba-Dickie Märklin übernahm. Zuletzt sagte Bächle Stefan Löbich Adieu. Der 49-Jährige räumte wenige Monate nach dem Verkauf an Simba-Dickie auf eigenen Wunsch den Chefsessel. Insgesamt drei Jahre hatte er als oberster Lokführer die Weichen bei Märklin gestellt. Mit den neuen Eigentümern wollte es aber nicht recht harmonieren. Man habe unterschiedliche Auffassungen über die Strategie gehabt, hieß es offiziell.
Die Erwartungen an die neuen Eigentümer waren und sind hoch. Sieber mag jung sein, naiv ist er nicht. Erfolge in D-Zug-Manier erwarten weder er noch sein Vater. „Märklin ist kein Schnellboot, sondern ein ziemlich großer Dampfer“, sagt Michael Sieber über die dreizehnte Simba-Dickie-Marke. Die Produktionsprozesse sind zu komplex, die Fertigungstiefe zu hoch um mal eben eine Salve neuer Produkte abzufeuern, um den Umsatz anzukurbeln. Der liegt mit 105 Millionen Euro im Jahr 2013 auf Vorjahresniveau. Märklin lasse sich nicht mit anderen Marken seiner Gruppe vergleichen, betont Vater Sieber.
Am Anfang war sich Florian Sieber auch gar nicht sicher, ob Märklin zu Simba-Dickie passt. „Erst als wir die Produktionen in Göppingen und im ungarischen Gyor gesehen haben, waren wir davon überzeugt, dass Märklin großes Potenzial in sich birgt", erzählt Sieber. Den Ausschlag hätten schließlich die Mitarbeiter gegeben. Sie hätten trotz harter Zeiten und Insolvenz, "eine unglaubliche Liebe zum Produkt und riesige Motivation gezeigt". "Da war uns klar, dass Märklin in deutscher Hand bleiben muss.“ Sieber spielt auf die Gruppe chinesischer Investoren an, die ebenfalls Interesse an den Göppingern gezeigt hatten. Was unter einem weiteren Finanzinvestor aus Märklin geworden wäre, wollen sich Fans der Marke lieber nicht vorstellen. Die Siebers versprechen, mit der 150-Jahre-alte Traditionsmarke „behutsam“ umzugehen. „Nichtsdestotrotz ist das hier kein Kindergeburtstag“, sagt Vater Sieber streng, „wir haben Verpflichtungen wie etwa eine Arbeitsplatzgarantie für Göppingen bis 2019. Wir müssen Umsätze machen und unsere Fabriken auslasten.“ Märklin soll 2015 wieder fünf bis zehn Prozent Wachstum vorweisen können. Dafür braucht es keinen radikalen Wandel, aber doch sichtbare Veränderungen.