Finanzierung Warum Mittelständler nicht an die Börse wollen

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Börsennotiz bedeutet Aufwand und Kosten

Die Börsenskepsis hat verschiedene Gründe. Einerseits können Unternehmen auch schnell wachsen, wenn sie keine Aktien streuen, zeigt eine Untersuchung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Demnach haben die deutschen Familienunternehmen ihre Umsätze seit 2004 um gut 40 Prozent gesteigert, die Gewinne sind um mehr als das Doppelte gewachsen. Der DSGV hat Einblick in einzelne Kennzahlen von über 300.000 Familienunternehmen und wertet diese jedes Jahr anonymisiert aus.

Private Equity profitiert

Zum anderen ist die Zurückhaltung dadurch zu erklären, dass der Gang aufs Parkett umständlicher geworden ist. „Ein Börsengang erhöht zwar die Finanzierungsfähigkeit und Reputation eines Unternehmens“, erklärt Ökonom Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut, „muss aber durch Transparenzvorschriften teuer erkauft werden.“ Und oftmals wollten Mittelständler lieber im Verborgenen arbeiten als im grellen Licht der Börse.

Gerade im niedrigen Zinsumfeld bietet Private Equity eine Alternative, die nicht so teuer und reglementiert ist. Das hat sich jüngst erst wieder gezeigt: Zwei Private-Equity-Gesellschaften aus den USA kündigten an, bei dem schwäbischen Wohnmobil-Hersteller Hymer einsteigen zu wollen. Laut Insidern ist die Familie sogar bereit, ihre Mehrheit zu verkaufen. Dabei hatten die Eigentümer eigentlich überlegt, wieder zurück an die Börse zu gehen – nachdem sich das Unternehmen 2013 vom Parkett zurückgezogen hatte.

„Ich möchte unabhängig in meiner Entscheidung bleiben“, sagt Reinhold von Eben-Worlée, 61, geschäftsführender Gesellschafter der Chemiefirma Worlée. Quelle: Verband Die Familienunternehmer

Auch die Parfümeriekette Douglas wollte vor zwei Jahren an die Börse zurückkehren, wurde dann aber vom einem Private-Equity-Haus aus Luxemburg gekauft. Und Deutschlands bekannteste Start-ups Flixbus und Auto1 („Wir kaufen Dein Auto“) ziehen einen Börsengang zunächst gar nicht in Betracht. Denn die Folgekosten sind hoch: Ein Büro in der Nähe des Englischen Gartens in München. Josko Radeljic, Leiter Investor Relations, ist im Stress: Lagebericht schreiben, Excel-Tabellen auswerten, Telefonkonferenzen vorbereiten. Am 9. August präsentiert der Mischkonzern BayWa AG seine Halbjahreszahlen.

Mehrere Millionen Euro kosten die mit der Börsennotiz verbundenen Anforderungen den Münchner Konzern, der 15 Milliarden Euro umsetzt und 18.000 Angestellte beschäftigt. In der Vergangenheit habe die Regulierung überhandgenommen, beklagt der 46-Jährige und seufzt. „Die Beziehung zu Aktionären und Analysten sollte eigentlich im Vordergrund stehen.“ Doch durch Berichtspflichten und Regularien würde diese zusehend eingeschränkt.

Radeljic sagt aber auch: „Die Börse ist für ein Unternehmen eine Art Gütesiegel.“ Von diesem will auch das Münchner Familienunternehmen Knorr-Bremse profitieren. Beobachter rechnen damit, dass der Bremsenhersteller in den kommenden Monaten den Sprung aufs Parkett wagt. Bislang sind in diesem Jahr 13 Unternehmen an die Börse gegangen – mehr als im kompletten Vorjahr. „Vom ökonomischen Gewicht müsste Deutschland allerdings 40 Erstnotizen pro Jahr verzeichnen“, sagt Martin Steinbach, Börsengangexperte bei der Beratung EY. Doch diese Zahl wird hierzulande weder in diesem noch in den kommenden Jahren erreicht werden – allein schon, weil der Mittelstand nicht an die Börse will.

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