Finanzierung Mittelständler sind zu abhängig von Banken

Mittelständler müssen ihre Geldgeschäfte unabhängiger von niedrigzinsgeplagten Banken aufstellen. Es gibt jede Menge Alternativen.

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Diesen Investoren gehört der deutsche Mittelstand
Mary Callahan Erdoes, CEO der JP Morgan Privatbank Quelle: dpa
US-amerikanische Investmentgesellschaft Oppenheimer Funds Quelle: dapd
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Paul Singer, Gründer und CEO der Elliott Management Corporation Quelle: REUTERS
MFS Investment Management Quelle: dpa
Capital Research Global Investors Quelle: dpa
Capital World Investors Quelle: dpa

Direkt auf ihren Tresen hat die Bäckereikette Heberer ein verführerisches Angebot platziert: Mit bunten Flyern ruft das Unternehmen renditehungrige Kunden zum Kauf seiner neuen Anleihe auf, die schon ab 1000 Euro gezeichnet werden kann. Statt mit Kalorien locken die Bäcker mit fünf Prozent Zinsen pro Jahr – ein üppiger Betrag, angesichts von fast null Prozent Zinsen, die Anleger aktuell mit ihrem Sparbuch erzielen.

Es erscheint zunächst absurd, dass Unternehmen wie Heberer sich in Zeiten wie diesen ausgerechnet über Anleihen refinanzieren. Die Banken verlangen aktuell kaum Zinsen für Kredite und haben ein Interesse daran, ihr Geld an Mittelständler auszureichen, statt es bei der Europäischen Zentralbank zu parken und dafür noch Strafzins zu zahlen. Dennoch greifen viele Unternehmen zu Alternativprodukten.

Einerseits sorgen sie sich, dass in Deutschland noch einmal eine Bankenkrise ausbricht und dann ihr eigener Gläubiger als Finanzier ausfällt. Zum anderen kommen aktuell nur Mittelständler mit sehr guter Bonität an einen Kredit, da Banken für Darlehen an diese Klientel weniger Eigenkapital vorhalten müssen als an solche, die nichts auf der hohen Kante haben. Schließlich ist Eigenkapital besonders für Banken ein knappes Gut. „Der Wettbewerb der Banken um Firmenkunden findet in erster Linie bei den guten Bonitäten im gehobenen Mittelstand ab rund zehn Millionen Euro Umsatz statt“, beobachtet Carl-Dietrich Sander, Unternehmensberater und Vorstand beim auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierten Verband Die KMU-Berater.

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Doch es gibt neben dem klassischen Kredit jede Menge Alternativen für die Unternehmer, um sich zu finanzieren.

Schnelles Geld über Factoring

Laut einer Studie der staatlichen Förderbank KfW und des Inkassounternehmens Creditreform haben deutsche Mittelständler mit mehr als 50 Beschäftigten ihre Bonität acht Jahre nach der Finanzkrise deutlich verbessert. Bei den Kleineren dagegen ist der Anteil der in den Augen von Banken kreditunwürdigen Kandidaten mit aktuell knapp sieben Prozent jedoch deutlich höher als noch während der Finanzkrise. „An ihnen geht die Liquiditätsschwemme der Notenbanken eher vorbei“, beobachtet auch Andreas Dehlzeit, Deutschlandchef beim internationalen Factoringunternehmen Bibby Financial Services.

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Vor allem kleine und mittlere Unternehmen können ihre Forderungen an Factoringhäuser wie Bibby verkaufen. Kleine Autozulieferer oder Unternehmen aus Handel, Bau und Zeitarbeit kommen auf diesem Weg sofort an ihr Geld, statt mitunter Monate zu warten, bis die Kunden ihre Rechnungen zahlen oder vielleicht sogar ausfallen. Dafür müssen sie natürlich etwas von ihren Umsätzen als Gebühr abgeben. Bibby zahlt 90 Prozent des Forderungsbetrags sofort aus und überweist eine weitere Summe, wenn der Schuldner die Rechnung begleicht. Am Ende behält des Factoringunternehmen rund ein bis drei Prozent der Rechnungssumme. Das entspricht dem üblichen Skonto, also dem Nachlass, den ein Schuldner bei sofortiger Zahlung erhalten hätte.

Wenn sich die Gebühr wie bei Bibby allein nach dem Rechnungsvolumen richtet, lohnt sich Factoring auch schon für Unternehmen mit überschaubaren Umsätzen im einstelligen Millionenbereich.

Kapital von der eigenen Kundschaft


Die Bäckereikette Heberer konnte bei der Emission ihrer mit 7,5 Millionen Euro recht kleinen Anleihe den Aufwand und die Kosten in Grenzen halten. Das Finanzprodukt der Bäckereikette ist nicht börsennotiert, daher war keine Bonitätsbeurteilung durch teure Ratingagenturen nötig. Was aber noch wichtiger ist: Der Brötchenbond wird nicht über Banken und andere professionelle Vermittler verkauft, die dafür Provisionen kassieren würden. Stattdessen läuft der Vertrieb direkt über die eigenen Filialen des Unternehmens. Das hat bei Heberer die Kosten gedrückt.

Für industrielle Mittelständler, die keine Ladentheke haben und als potenzieller Anleiheemittent auf die Dienstleistungen von Ratingagenturen, Banken und Finanzvermittler angewiesen sind, lohnen sich Emissionen dagegen in der Regel erst ab mittleren zweistelligen Millionenbeträgen. Die eigene Anleihe hat für Unternehmen den Vorteil, dass sie Umfang, Zins und Laufzeit selber festlegen können. Die Konditionen müssen allerdings so gestaltet werden, dass sie für Anleger attraktiv sind.

Altersvorsorge als Finanzinstrument

Mittelständler, die 200 oder mehr Beschäftigte haben, können sich auch über die eigenen Mitarbeiter refinanzieren, etwa per betrieblicher Altersvorsorge. Unternehmen behalten einen Teil des Gehalts ihrer Mitarbeiter oder Führungskräfte ein und zahlen das so gebildete Kapital erst im Ruhestand aus – plus Zinsen natürlich. Bis die Mittel an die Mitarbeiter ausgezahlt werden, bleiben sie aber in der Kasse des Unternehmens.

Dieses Geld kann der Mittelständler für Investitionen im eigenen Haus nutzen, theoretisch unbegrenzt. Nur verjubeln darf er es nicht. Die angesparten Mittel müssen in jedem Fall investiert werden, um die den Arbeitnehmern versprochenen Zinsen zu verdienen. Derzeit garantieren Arbeitgeber ihren Beschäftigten typischerweise vier Prozent Verzinsung auf das betriebliche Altersvorsorgevermögen. Außerdem muss der Unternehmer einen Teil der Mittel in bar vorhalten, um die monatlichen Renten an die Mitarbeiter auszahlen zu können.

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Ein Ladekabel für ein Elektroauto der Firma Mennekes Quelle: dpa

Der auf Altersvorsorge spezialisierte Berater auxilion hat bereits für 25.000 Angestellte von 200 Unternehmen betriebliche Sparpläne im Volumen von 700 Millionen Euro organisiert, von der Mitgliedschaft im Pensionssicherungsverein bis zum Zertifikat mit dem jeweiligen Arbeitgeberlogo. „Unternehmen nutzen die betriebliche Altersvorsorge nicht nur für die Bindung ihrer Mitarbeiter, sondern auch als Finanzierungsinstrument“, sagt auxilion-Gründer Joachim Bangert. Die Bezahlung des Dienstleisters richtet sich nach einem Prozentsatz am angelegten Kapital, der individuell verhandelt wird.

Schuldscheindarlehen von Versicherern

Die auf den Erwerb von mittelständischen Unternehmen spezialisierte Holdinggesellschaft Indus mit ihren 44 Tochterunternehmen besorgt sich Fremdkapital neuerdings auch bei Versicherern. Finanzriesen wie Allianz oder Signal Iduna suchen angesichts niedriger Kapitalmarktzinsen nach höheren Renditen, um die Verpflichtungen gegenüber ihren Versicherungskunden erfüllen zu können. Deshalb finanzieren sie auch bereitwillig Mittelständler.

So hat Indus von Versicherern Schuldscheindarlehen mit Laufzeiten zwischen acht und zwölf Jahren bekommen. Diese sind ökonomisch betrachtet nichts anderes als verbriefte Kredite. Indus gibt die auf diesem Weg beschafften Finanzmittel an seine einzelnen Töchter weiter. Für kleinere und auf sich allein gestellte Unternehmen sind Schuldscheine mit Startvolumen ab 20 Millionen Euro dagegen in der Regel zu groß.

Mit der Weltbank ins Ausland

Immerhin 15 Prozent ihrer Investitionen finanzieren Mittelständler mit Fördermitteln. Sie bieten gegenüber Bankfinanzierungen den Vorteil längerer Laufzeiten von mehr als fünf Jahren. So vergibt die International Finance Corporation (IFC), Teil der supranationalen Weltbank-Gruppe, besonders lang laufende Kredite an deutsche Unternehmen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren wollen. Hiesige Geschäftsbanken stellen in solchen Regionen der Welt, wenn überhaupt, meist nur auf drei Jahre befristete Kredite zur Verfügung. Nicht nur große Mittelständler können in den Genuss der Finanzmittel kommen. Es komme „weniger auf die Größe des Unternehmens an als auf die Qualität des Investitionsprojekts“, sagt Karsten Fuelster, IFC-Repräsentant in Frankfurt.

Wen Deutschlands Mittelständler wirklich schätzen
Audi Quelle: PR
Jemand drückt auf einen Knopf "Schulung" Quelle: momius - Fotolia
Schriftzug der Berliner Bank Quelle: dpa
Internetseite von Booking.com für Geschäftsreisen Quelle: PR
DHL-Wagen und Paketbote Quelle: dpa
Ein Lieferwagen Quelle: tournee - Fotolia
Schuhe und Koffer Quelle: doris_bredow - Fotolia

Wenn Unternehmer sich über Anleihen, Fördermittel oder die eigene Pensionskasse refinanzieren, dann liegt das nicht immer daran, dass sie keinen Kredit bekommen. Der Grund dafür sind ausgerechnet die rekordniedrigen Zinsen, die nach dem Kalkül der Notenbank eigentlich dafür sorgen sollen, dass Geschäftsbanken mehr Kredite vergeben. Sie machen die Bankverbindung aber zum Risikofaktor. „Ich empfehle jedem Unternehmer oder Geschäftsführer, sich seine Finanzstruktur nebst Finanzpartner genau anzuschauen“, sagt Jürgen Abromeit, Chef der Indus Holding.

Banken können als verlässlicher Finanzier ausfallen

Denn anhaltend niedrige Zinsen entziehen vielen Banken nach und nach das Geschäftsmodell, sie verdienen weniger und können oft kaum noch Vorsorge für Kreditausfälle bilden. In der Folge können sie perspektivisch als verlässlicher Finanzier ausfallen – auch wenn Volksbanken und Sparkassen sich zuletzt noch rühmten, ihre Firmenkredite stark ausgeweitet haben. Manche mittelständische Finanzexperten sehen das aber nur als letztes Zucken. „In Zeiten von Nullzinsen geraten besonders die Erträge von Sparkassen und Volksbanken unter Druck“, beobachtet Mittelstandsberater Sander.

„Damit ist letztlich auch ein Gläubiger ein Risikofaktor“, sagt der Indus-Chef.

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